Linne begann zwar auch er die Geschichte der belebten Natur mit der des Menschen, ordnet aber denselben nicht dem Thierreich ein, sondern stellt ihn demselben gegenüber; und wenn er auch hier keinen Versuch zu einer systematischen Anordnung der Rassen macht, sich vielmehr noch nach der Weise der Alten in Erörterungen über die Ursachen der Farbe und des Wollhaars des Negers und dergleichen einläßt, so erscheint doch bei ihm die Naturgeschichte des Menschen zum erstenmal in einer selbständigen und eingehenden Behandlung. Freilich verträgt dieselbe ebensowenig wie andere Theile seiner Werke eine strenge Kritik, da er zwar mit großer Belesenheit die Berichte der Reisenden zusammenge- tragen, sie aber zu wenig auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft hat. -- Sind daher auch im Ganzen genommen Buffon's Verdienste um die eigentliche Förderung der Zoologie äußerst gering, so hat er doch durch seine begeisternde Darstellung nicht bloß die Liebe und den Eifer wie für die Naturgeschichte überhaupt, so auch für die der Thiere von Neuem angefacht, sondern auch durch seine freilich allzukühnen Hypothesen einen Anstoß zur wissenschaftlichen Zusammenfassung des immer reichlicher sich ansammelnden Thatbestandes gegeben.
Einen nicht minder nachhaltigen Einfluß auf die Verbreitung eines tieferen wissenschaftlichen Geistes in der Naturgeschichte hatten die Schriften Charles Bonnet's. Bonnet war 1720 in Genf geboren, widmete sich zwar wie Buffon anfänglich gleichfalls der Rechtskunde, hatte aber vor jenem voraus, daß er sich schon als Jüngling mit natur- wissenschaftlichen Untersuchungen, besonders über Entwickelung und Regeneration bei niedern Thieren, zu beschäftigen begann. Er wurde später Mitglied des großen Rathes seiner Vaterstadt, deren Bezirk er trotz seiner glücklichen äußern Verhältnisse nicht verlassen hat, und starb 1793 auf seiner Besitzung Genthod bei Genf. Eine seiner frühesten Entdeckungen war die der ungeschlechtlichen Fortpflanzung der Blatt- läuse; dieselbe veröffentlichte er zusammen mit zahlreichen Beobachtun- gen über Regeneration und Vermehrung der Polypen und Würmer (u. A. Nais) in dem Traite d'Insectologie, 1745. In den folgenden Jahren untersuchte er die Lebenserscheinungen der Pflanzen, besonders den Nutzen der Blätter, worüber er 1754 ein Werk erscheinen ließ.
Periode der Syſtematik.
Linné begann zwar auch er die Geſchichte der belebten Natur mit der des Menſchen, ordnet aber denſelben nicht dem Thierreich ein, ſondern ſtellt ihn demſelben gegenüber; und wenn er auch hier keinen Verſuch zu einer ſyſtematiſchen Anordnung der Raſſen macht, ſich vielmehr noch nach der Weiſe der Alten in Erörterungen über die Urſachen der Farbe und des Wollhaars des Negers und dergleichen einläßt, ſo erſcheint doch bei ihm die Naturgeſchichte des Menſchen zum erſtenmal in einer ſelbſtändigen und eingehenden Behandlung. Freilich verträgt dieſelbe ebenſowenig wie andere Theile ſeiner Werke eine ſtrenge Kritik, da er zwar mit großer Beleſenheit die Berichte der Reiſenden zuſammenge- tragen, ſie aber zu wenig auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft hat. — Sind daher auch im Ganzen genommen Buffon's Verdienſte um die eigentliche Förderung der Zoologie äußerſt gering, ſo hat er doch durch ſeine begeiſternde Darſtellung nicht bloß die Liebe und den Eifer wie für die Naturgeſchichte überhaupt, ſo auch für die der Thiere von Neuem angefacht, ſondern auch durch ſeine freilich allzukühnen Hypotheſen einen Anſtoß zur wiſſenſchaftlichen Zuſammenfaſſung des immer reichlicher ſich anſammelnden Thatbeſtandes gegeben.
Einen nicht minder nachhaltigen Einfluß auf die Verbreitung eines tieferen wiſſenſchaftlichen Geiſtes in der Naturgeſchichte hatten die Schriften Charles Bonnet's. Bonnet war 1720 in Genf geboren, widmete ſich zwar wie Buffon anfänglich gleichfalls der Rechtskunde, hatte aber vor jenem voraus, daß er ſich ſchon als Jüngling mit natur- wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen, beſonders über Entwickelung und Regeneration bei niedern Thieren, zu beſchäftigen begann. Er wurde ſpäter Mitglied des großen Rathes ſeiner Vaterſtadt, deren Bezirk er trotz ſeiner glücklichen äußern Verhältniſſe nicht verlaſſen hat, und ſtarb 1793 auf ſeiner Beſitzung Genthod bei Genf. Eine ſeiner früheſten Entdeckungen war die der ungeſchlechtlichen Fortpflanzung der Blatt- läuſe; dieſelbe veröffentlichte er zuſammen mit zahlreichen Beobachtun- gen über Regeneration und Vermehrung der Polypen und Würmer (u. A. Nais) in dem Traité d'Insectologie, 1745. In den folgenden Jahren unterſuchte er die Lebenserſcheinungen der Pflanzen, beſonders den Nutzen der Blätter, worüber er 1754 ein Werk erſcheinen ließ.
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Periode der Syſtematik.
Linné begann zwar auch er die Geſchichte der belebten Natur mit der
des Menſchen, ordnet aber denſelben nicht dem Thierreich ein, ſondern
ſtellt ihn demſelben gegenüber; und wenn er auch hier keinen Verſuch
zu einer ſyſtematiſchen Anordnung der Raſſen macht, ſich vielmehr noch
nach der Weiſe der Alten in Erörterungen über die Urſachen der Farbe
und des Wollhaars des Negers und dergleichen einläßt, ſo erſcheint
doch bei ihm die Naturgeſchichte des Menſchen zum erſtenmal in einer
ſelbſtändigen und eingehenden Behandlung. Freilich verträgt dieſelbe
ebenſowenig wie andere Theile ſeiner Werke eine ſtrenge Kritik, da er
zwar mit großer Beleſenheit die Berichte der Reiſenden zuſammenge-
tragen, ſie aber zu wenig auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft hat. —
Sind daher auch im Ganzen genommen Buffon's Verdienſte um die
eigentliche Förderung der Zoologie äußerſt gering, ſo hat er doch durch
ſeine begeiſternde Darſtellung nicht bloß die Liebe und den Eifer wie
für die Naturgeſchichte überhaupt, ſo auch für die der Thiere von Neuem
angefacht, ſondern auch durch ſeine freilich allzukühnen Hypotheſen einen
Anſtoß zur wiſſenſchaftlichen Zuſammenfaſſung des immer reichlicher
ſich anſammelnden Thatbeſtandes gegeben.
Einen nicht minder nachhaltigen Einfluß auf die Verbreitung eines
tieferen wiſſenſchaftlichen Geiſtes in der Naturgeſchichte hatten die
Schriften Charles Bonnet's. Bonnet war 1720 in Genf geboren,
widmete ſich zwar wie Buffon anfänglich gleichfalls der Rechtskunde,
hatte aber vor jenem voraus, daß er ſich ſchon als Jüngling mit natur-
wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen, beſonders über Entwickelung und
Regeneration bei niedern Thieren, zu beſchäftigen begann. Er wurde
ſpäter Mitglied des großen Rathes ſeiner Vaterſtadt, deren Bezirk er
trotz ſeiner glücklichen äußern Verhältniſſe nicht verlaſſen hat, und
ſtarb 1793 auf ſeiner Beſitzung Genthod bei Genf. Eine ſeiner früheſten
Entdeckungen war die der ungeſchlechtlichen Fortpflanzung der Blatt-
läuſe; dieſelbe veröffentlichte er zuſammen mit zahlreichen Beobachtun-
gen über Regeneration und Vermehrung der Polypen und Würmer
(u. A. Nais) in dem Traité d'Insectologie, 1745. In den folgenden
Jahren unterſuchte er die Lebenserſcheinungen der Pflanzen, beſonders
den Nutzen der Blätter, worüber er 1754 ein Werk erſcheinen ließ.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/537>, abgerufen am 16.02.2025.
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