Abgesehen von der Erweiterung geographischer und zoologischer Kennt- nisse, welche der sich langsam und allmählich ausbreitende Handel und Verkehr mit sich brachten, sind vorzugsweise die Perserkriege und Alex- ander's des Großen Zug nach Indien für die ältere, die Ausbreitung des Römerreichs für die spätere Zeit als die Hauptmomente zu betrach- ten, durch welche unbekannte Stücke der Erdoberfläche der übrigen alten Welt bekannt wurden und, wenn auch nicht im heutigen Sinne durch- forscht, doch aufmerksam auf ihre Naturerzeugnisse beobachtet werden konnten. Die rege Verbindung, in welcher aber schon vor dem Aus- bruch der zum Untergang der griechischen Selbständigkeit führenden Kämpfe die Hellenen mit dem Orient gestanden hatten, die häufig da- hin unternommenen Reisen hatten schon vorher manches über das auch den Griechen als Wunderland erscheinende "Land der Sonne" bekannt werden lassen. Und nicht bloß Süd-Asien war das Ziel der Wande- rung gewesen; nicht weniger reizte das von Geheimnissen erfüllte Nil- thal, nicht minder auch das mit der Urgeschichte griechischen Seins ver- webte Gestade des Pontos.
Was von solchen Nachrichten auf die Nachwelt gekommen ist, trägt nun allerdings den Stempel des nicht ganz Zuverlässigen zu deut- lich, als daß es als Quelle für naturgeschichtliche Kenntniß angesehen werden könnte. Man wollte eben keine wissenschaftlichen Darstellungen geben, sondern flocht Schilderungen von Menschen und Thieren der Erzählung mehr zufällig ein. Der Werth der einzelnen hier in Betracht kommenden Schriftsteller ist nun zwar ein verschiedener: Herodot wird im Ganzen mehr Vertrauen erwecken als Ktesias und Megasthenes. Doch dürfen alle drei nicht unterschätzt werden. Brauchbare zoologische (und wie gleich gezeigt werden soll, anthropologische) Angaben sind frei- lich nicht bei ihnen zu suchen. Dagegen findet sich bei ihnen manches, was auf ihre Zeit, und zwar nicht bloß culturgeschichtlich, Licht wirft. Und Ktesias ist besonders deshalb wichtig, als, wie A. W. von Schlegel treffend sagt49), "sein Buch über Indien die große Schatz-
49) s. dessen Aufsatz: Zur Geschichte des Elefanten in seiner Indischen Bi- bliothek Bd. 1. 1823. S. 149.
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
Abgeſehen von der Erweiterung geographiſcher und zoologiſcher Kennt- niſſe, welche der ſich langſam und allmählich ausbreitende Handel und Verkehr mit ſich brachten, ſind vorzugsweiſe die Perſerkriege und Alex- ander's des Großen Zug nach Indien für die ältere, die Ausbreitung des Römerreichs für die ſpätere Zeit als die Hauptmomente zu betrach- ten, durch welche unbekannte Stücke der Erdoberfläche der übrigen alten Welt bekannt wurden und, wenn auch nicht im heutigen Sinne durch- forſcht, doch aufmerkſam auf ihre Naturerzeugniſſe beobachtet werden konnten. Die rege Verbindung, in welcher aber ſchon vor dem Aus- bruch der zum Untergang der griechiſchen Selbſtändigkeit führenden Kämpfe die Hellenen mit dem Orient geſtanden hatten, die häufig da- hin unternommenen Reiſen hatten ſchon vorher manches über das auch den Griechen als Wunderland erſcheinende „Land der Sonne“ bekannt werden laſſen. Und nicht bloß Süd-Aſien war das Ziel der Wande- rung geweſen; nicht weniger reizte das von Geheimniſſen erfüllte Nil- thal, nicht minder auch das mit der Urgeſchichte griechiſchen Seins ver- webte Geſtade des Pontos.
Was von ſolchen Nachrichten auf die Nachwelt gekommen iſt, trägt nun allerdings den Stempel des nicht ganz Zuverläſſigen zu deut- lich, als daß es als Quelle für naturgeſchichtliche Kenntniß angeſehen werden könnte. Man wollte eben keine wiſſenſchaftlichen Darſtellungen geben, ſondern flocht Schilderungen von Menſchen und Thieren der Erzählung mehr zufällig ein. Der Werth der einzelnen hier in Betracht kommenden Schriftſteller iſt nun zwar ein verſchiedener: Herodot wird im Ganzen mehr Vertrauen erwecken als Kteſias und Megaſthenes. Doch dürfen alle drei nicht unterſchätzt werden. Brauchbare zoologiſche (und wie gleich gezeigt werden ſoll, anthropologiſche) Angaben ſind frei- lich nicht bei ihnen zu ſuchen. Dagegen findet ſich bei ihnen manches, was auf ihre Zeit, und zwar nicht bloß culturgeſchichtlich, Licht wirft. Und Kteſias iſt beſonders deshalb wichtig, als, wie A. W. von Schlegel treffend ſagt49), „ſein Buch über Indien die große Schatz-
49) ſ. deſſen Aufſatz: Zur Geſchichte des Elefanten in ſeiner Indiſchen Bi- bliothek Bd. 1. 1823. S. 149.
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Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
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niſſe, welche der ſich langſam und allmählich ausbreitende Handel und
Verkehr mit ſich brachten, ſind vorzugsweiſe die Perſerkriege und Alex-
ander's des Großen Zug nach Indien für die ältere, die Ausbreitung
des Römerreichs für die ſpätere Zeit als die Hauptmomente zu betrach-
ten, durch welche unbekannte Stücke der Erdoberfläche der übrigen alten
Welt bekannt wurden und, wenn auch nicht im heutigen Sinne durch-
forſcht, doch aufmerkſam auf ihre Naturerzeugniſſe beobachtet werden
konnten. Die rege Verbindung, in welcher aber ſchon vor dem Aus-
bruch der zum Untergang der griechiſchen Selbſtändigkeit führenden
Kämpfe die Hellenen mit dem Orient geſtanden hatten, die häufig da-
hin unternommenen Reiſen hatten ſchon vorher manches über das auch
den Griechen als Wunderland erſcheinende „Land der Sonne“ bekannt
werden laſſen. Und nicht bloß Süd-Aſien war das Ziel der Wande-
rung geweſen; nicht weniger reizte das von Geheimniſſen erfüllte Nil-
thal, nicht minder auch das mit der Urgeſchichte griechiſchen Seins ver-
webte Geſtade des Pontos.
Was von ſolchen Nachrichten auf die Nachwelt gekommen iſt,
trägt nun allerdings den Stempel des nicht ganz Zuverläſſigen zu deut-
lich, als daß es als Quelle für naturgeſchichtliche Kenntniß angeſehen
werden könnte. Man wollte eben keine wiſſenſchaftlichen Darſtellungen
geben, ſondern flocht Schilderungen von Menſchen und Thieren der
Erzählung mehr zufällig ein. Der Werth der einzelnen hier in Betracht
kommenden Schriftſteller iſt nun zwar ein verſchiedener: Herodot wird
im Ganzen mehr Vertrauen erwecken als Kteſias und Megaſthenes.
Doch dürfen alle drei nicht unterſchätzt werden. Brauchbare zoologiſche
(und wie gleich gezeigt werden ſoll, anthropologiſche) Angaben ſind frei-
lich nicht bei ihnen zu ſuchen. Dagegen findet ſich bei ihnen manches,
was auf ihre Zeit, und zwar nicht bloß culturgeſchichtlich, Licht wirft.
Und Kteſias iſt beſonders deshalb wichtig, als, wie A. W. von
Schlegel treffend ſagt 49), „ſein Buch über Indien die große Schatz-
49) ſ. deſſen Aufſatz: Zur Geſchichte des Elefanten in ſeiner Indiſchen Bi-
bliothek Bd. 1. 1823. S. 149.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/53>, abgerufen am 16.07.2024.
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