Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Systematik. steinen, einem für Fische so wunderbar abnormen Orte, denkt. Lifterhatte noch die fossilen Muscheln für Mineralien gehalten. Der oben genannte Edward Lhwyd stellte dagegen in dem erwähnten Werke (1699) eine Theorie auf, welche an die unerschöpfliche Zeugungskraft der Erde appellirend, gewissermaßen beiden Seiten gerecht zu werden suchte. Er meinte, daß von den lebenden Wesen oder ihren selbst schon faulenden Resten kleine Samentheilchen mit den aufsteigenden Wasser- dämpfen in die Luft geführt würden und dann in die Poren der Felsen und Berge eindrängen; im Innern derselben würden sie dann unter Benutzung der dort vorhandenen Substanz ausgebrütet. Es stellten daher die Versteinerungen keine eigentlichen Thiere, aber doch auch keine bloßen Naturspiele dar, sondern gewissermaßen Zeugungsproducte der Erde selbst in Folge der Anregung thierischen Samens. So merk- würdig gesucht und gegen jede gesunde Ansicht vom Wesen des orga- nischen Zeugungsprozesses ankämpfend diese Theorie auch erscheinen mag, so fand sie doch Anhänger. Wunderbar genug war es derselbe Karl Nikolas Lang, welcher als ihr Vertheidiger auftrat, von dem oben zu rühmen war, daß er bei seinem Molluskensystem in be- wußter Weise die fossilen Formen berücksichtigt habe. In seiner, 1709 in Luzern erschienenen Schrift "über den Ursprung der Figurensteine" erörtert er sowohl die Ansicht der "Diluvianer" als auch die erwähnte Lhwyd'sche, ohne dessen Namen anzuführen. Schon in der Vorrede spricht er aus, mehr die letzte empfehlen zu können; und nachdem er dann alle möglichen Einwände zurückgewiesen zu haben glaubt, -- unter Andern auch den von Woodward34) hervorgehobenen Um- stand, daß man an den fossilen Muscheln noch die Structur der Schale mit dem Mikroskope unterscheiden könne, -- schließt er mit den Wor- ten: "es ist also offenbar, daß die Erzeugung der Figurensteine in der 34) J. Woodward, An essay towards a natural history of the Earth.
London, 1695. Diese Schrift, in welcher sich der Verf. unumwunden für die Natur der Versteinerungen als Reste früher lebender Wesen ausspricht, hat Scheuchzer lateinisch übersetzt (Tiguri, 1704) und auch dadurch zur Verbreitung jener Sindfluththeorie beigetragen, welche unter den gegebenen Verhältnissen we- nigstens die natürlichste war. Periode der Syſtematik. ſteinen, einem für Fiſche ſo wunderbar abnormen Orte, denkt. Lifterhatte noch die foſſilen Muſcheln für Mineralien gehalten. Der oben genannte Edward Lhwyd ſtellte dagegen in dem erwähnten Werke (1699) eine Theorie auf, welche an die unerſchöpfliche Zeugungskraft der Erde appellirend, gewiſſermaßen beiden Seiten gerecht zu werden ſuchte. Er meinte, daß von den lebenden Weſen oder ihren ſelbſt ſchon faulenden Reſten kleine Samentheilchen mit den aufſteigenden Waſſer- dämpfen in die Luft geführt würden und dann in die Poren der Felſen und Berge eindrängen; im Innern derſelben würden ſie dann unter Benutzung der dort vorhandenen Subſtanz ausgebrütet. Es ſtellten daher die Verſteinerungen keine eigentlichen Thiere, aber doch auch keine bloßen Naturſpiele dar, ſondern gewiſſermaßen Zeugungsproducte der Erde ſelbſt in Folge der Anregung thieriſchen Samens. So merk- würdig geſucht und gegen jede geſunde Anſicht vom Weſen des orga- niſchen Zeugungsprozeſſes ankämpfend dieſe Theorie auch erſcheinen mag, ſo fand ſie doch Anhänger. Wunderbar genug war es derſelbe Karl Nikolas Lang, welcher als ihr Vertheidiger auftrat, von dem oben zu rühmen war, daß er bei ſeinem Molluskenſyſtem in be- wußter Weiſe die foſſilen Formen berückſichtigt habe. In ſeiner, 1709 in Luzern erſchienenen Schrift „über den Urſprung der Figurenſteine“ erörtert er ſowohl die Anſicht der „Diluvianer“ als auch die erwähnte Lhwyd'ſche, ohne deſſen Namen anzuführen. Schon in der Vorrede ſpricht er aus, mehr die letzte empfehlen zu können; und nachdem er dann alle möglichen Einwände zurückgewieſen zu haben glaubt, — unter Andern auch den von Woodward34) hervorgehobenen Um- ſtand, daß man an den foſſilen Muſcheln noch die Structur der Schale mit dem Mikroſkope unterſcheiden könne, — ſchließt er mit den Wor- ten: „es iſt alſo offenbar, daß die Erzeugung der Figurenſteine in der 34) J. Woodward, An essay towards a natural history of the Earth.
London, 1695. Dieſe Schrift, in welcher ſich der Verf. unumwunden für die Natur der Verſteinerungen als Reſte früher lebender Weſen ausſpricht, hat Scheuchzer lateiniſch überſetzt (Tiguri, 1704) und auch dadurch zur Verbreitung jener Sindfluththeorie beigetragen, welche unter den gegebenen Verhältniſſen we- nigſtens die natürlichſte war. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0479" n="468"/><fw place="top" type="header">Periode der Syſtematik.</fw><lb/> ſteinen, einem für Fiſche ſo wunderbar abnormen Orte, denkt. <hi rendition="#g">Lifter</hi><lb/> hatte noch die foſſilen Muſcheln für Mineralien gehalten. Der oben<lb/> genannte <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/129008060">Edward Lhwyd</persName></hi> ſtellte dagegen in dem erwähnten Werke<lb/> (1699) eine Theorie auf, welche an die unerſchöpfliche Zeugungskraft<lb/> der Erde appellirend, gewiſſermaßen beiden Seiten gerecht zu werden<lb/> ſuchte. Er meinte, daß von den lebenden Weſen oder ihren ſelbſt ſchon<lb/> faulenden Reſten kleine Samentheilchen mit den aufſteigenden Waſſer-<lb/> dämpfen in die Luft geführt würden und dann in die Poren der Felſen<lb/> und Berge eindrängen; im Innern derſelben würden ſie dann unter<lb/> Benutzung der dort vorhandenen Subſtanz ausgebrütet. Es ſtellten<lb/> daher die Verſteinerungen keine eigentlichen Thiere, aber doch auch<lb/> keine bloßen Naturſpiele dar, ſondern gewiſſermaßen Zeugungsproducte<lb/> der Erde ſelbſt in Folge der Anregung thieriſchen Samens. So merk-<lb/> würdig geſucht und gegen jede geſunde Anſicht vom Weſen des orga-<lb/> niſchen Zeugungsprozeſſes ankämpfend dieſe Theorie auch erſcheinen<lb/> mag, ſo fand ſie doch Anhänger. Wunderbar genug war es derſelbe<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/124655335">Karl Nikolas Lang</persName></hi>, welcher als ihr Vertheidiger auftrat, von<lb/> dem oben zu rühmen war, daß er bei ſeinem Molluskenſyſtem in be-<lb/> wußter Weiſe die foſſilen Formen berückſichtigt habe. In ſeiner, 1709<lb/> in Luzern erſchienenen Schrift „über den Urſprung der Figurenſteine“<lb/> erörtert er ſowohl die Anſicht der „Diluvianer“ als auch die erwähnte<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/129008060">Lhwyd</persName>'ſche, ohne deſſen Namen anzuführen. Schon in der Vorrede<lb/> ſpricht er aus, mehr die letzte empfehlen zu können; und nachdem er<lb/> dann alle möglichen Einwände zurückgewieſen zu haben glaubt, —<lb/> unter Andern auch den von <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119487683">Woodward</persName></hi><note place="foot" n="34)"><hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119487683">J. <hi rendition="#g">Woodward</hi></persName>, An essay towards a natural history of the Earth.<lb/> London,</hi> 1695. Dieſe Schrift, in welcher ſich der Verf. unumwunden für die<lb/> Natur der Verſteinerungen als Reſte früher lebender Weſen ausſpricht, hat<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118607308">Scheuchzer</persName></hi> lateiniſch überſetzt (<hi rendition="#aq">Tiguri,</hi> 1704) und auch dadurch zur Verbreitung<lb/> jener Sindfluththeorie beigetragen, welche unter den gegebenen Verhältniſſen we-<lb/> nigſtens die natürlichſte war.</note> hervorgehobenen Um-<lb/> ſtand, daß man an den foſſilen Muſcheln noch die Structur der Schale<lb/> mit dem Mikroſkope unterſcheiden könne, — ſchließt er mit den Wor-<lb/> ten: „es iſt alſo offenbar, daß die Erzeugung der Figurenſteine in der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [468/0479]
Periode der Syſtematik.
ſteinen, einem für Fiſche ſo wunderbar abnormen Orte, denkt. Lifter
hatte noch die foſſilen Muſcheln für Mineralien gehalten. Der oben
genannte Edward Lhwyd ſtellte dagegen in dem erwähnten Werke
(1699) eine Theorie auf, welche an die unerſchöpfliche Zeugungskraft
der Erde appellirend, gewiſſermaßen beiden Seiten gerecht zu werden
ſuchte. Er meinte, daß von den lebenden Weſen oder ihren ſelbſt ſchon
faulenden Reſten kleine Samentheilchen mit den aufſteigenden Waſſer-
dämpfen in die Luft geführt würden und dann in die Poren der Felſen
und Berge eindrängen; im Innern derſelben würden ſie dann unter
Benutzung der dort vorhandenen Subſtanz ausgebrütet. Es ſtellten
daher die Verſteinerungen keine eigentlichen Thiere, aber doch auch
keine bloßen Naturſpiele dar, ſondern gewiſſermaßen Zeugungsproducte
der Erde ſelbſt in Folge der Anregung thieriſchen Samens. So merk-
würdig geſucht und gegen jede geſunde Anſicht vom Weſen des orga-
niſchen Zeugungsprozeſſes ankämpfend dieſe Theorie auch erſcheinen
mag, ſo fand ſie doch Anhänger. Wunderbar genug war es derſelbe
Karl Nikolas Lang, welcher als ihr Vertheidiger auftrat, von
dem oben zu rühmen war, daß er bei ſeinem Molluskenſyſtem in be-
wußter Weiſe die foſſilen Formen berückſichtigt habe. In ſeiner, 1709
in Luzern erſchienenen Schrift „über den Urſprung der Figurenſteine“
erörtert er ſowohl die Anſicht der „Diluvianer“ als auch die erwähnte
Lhwyd'ſche, ohne deſſen Namen anzuführen. Schon in der Vorrede
ſpricht er aus, mehr die letzte empfehlen zu können; und nachdem er
dann alle möglichen Einwände zurückgewieſen zu haben glaubt, —
unter Andern auch den von Woodward 34) hervorgehobenen Um-
ſtand, daß man an den foſſilen Muſcheln noch die Structur der Schale
mit dem Mikroſkope unterſcheiden könne, — ſchließt er mit den Wor-
ten: „es iſt alſo offenbar, daß die Erzeugung der Figurenſteine in der
34) J. Woodward, An essay towards a natural history of the Earth.
London, 1695. Dieſe Schrift, in welcher ſich der Verf. unumwunden für die
Natur der Verſteinerungen als Reſte früher lebender Weſen ausſpricht, hat
Scheuchzer lateiniſch überſetzt (Tiguri, 1704) und auch dadurch zur Verbreitung
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