Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Systematik. das Erheben der Windungsspirale zu viel Gewicht und stellt z. B. diePorzellanschnecke mit der Napfschnecke in dieselbe Gruppe, während er Stromben, Murex u. a. zur zweiten Gruppe rechnet. Das Lister'sche System wurde auch häufig bei Ordnung größerer Molluskensammlungen zu Grunde gelegt, so z. B. von dem Breslauer Arzt J. Ch. Kund- mann. Ziemlich selbständig versuchte der vorhin erwähnte Joh. Ernst Hebenstreit die Schalthiere methodisch zu ordnen. Zunächst theilte er dieselben in einschalige und in zweischalige, bei letzteren dann die Verbindungsweise der beiden Muschelhälften als weiteren Einthei- lungsgrund benutzend. Von den einschaligen Gehäusen scheidet er zu- nächst die mit unregelmäßiger Schalenbildung aus, wie die Lepaden, Balanen und Wurmröhren. Die regelmäßigen theilt er dann ein in solche mit Spiralwindung und in solche ohne Windung; dabei bleibt er aber nicht consequent oder untersucht vielmehr nicht genau genug; denn zu den windungslosen rechnet er neben Dentalium und den Napf- schnecken auch die Porzellanschnecken und Bulla. Immerhin ist aber bei einem nur auf die Schalen gegründeten System Manches von Heben- streit hervorgehoben worden, was später wieder einzeln benutzt wurde. Einen weitern Fortschritt bezeichnet die Anordnung, welche der Danziger Arzt, Joh. Phil. Breyn den Schalthieren gab. Es war dieser Mann der jüngste Sohn des als Botaniker bekannten Jakob Breyn (1637-1685), welcher zwar ursprünglich nicht dem Gelehrtenstande angehörig doch einen solchen Ruf erlangte, daß ihm die botanische Pro- fessur in Leyden angetragen wurde. Der vorzüglich als Zoolog und Paläontolog bekannte jüngere Breyn wurde 1680 in Danzig geboren, war mit Klein einer der Stifter der dortigen naturforschenden Gesell- schaft, im Uebrigen als Arzt in seiner Vaterstadt thätig und starb 1764, auch von auswärts sehr anerkannt (er war z. B. Mitglied der Royal Society). Das von ihm entworfene Schalthiersystem hat er seiner Abhandlung über die von ihm neu aufgestellte Classe der Poly- thalamien vorausgeschickt (1732), mit richtiger Erkenntniß darauf hin- weisend, daß jene fossilen Schalthiere (Ammoniten, Lituiten, Orthocera- titen) nur in systematischer Verbindung mit lebenden Formen richtig beurtheilt werden können. Es ist dies der erste Versuch, fossile For- Periode der Syſtematik. das Erheben der Windungsſpirale zu viel Gewicht und ſtellt z. B. diePorzellanſchnecke mit der Napfſchnecke in dieſelbe Gruppe, während er Stromben, Murex u. a. zur zweiten Gruppe rechnet. Das Liſter'ſche Syſtem wurde auch häufig bei Ordnung größerer Molluskenſammlungen zu Grunde gelegt, ſo z. B. von dem Breslauer Arzt J. Ch. Kund- mann. Ziemlich ſelbſtändig verſuchte der vorhin erwähnte Joh. Ernſt Hebenſtreit die Schalthiere methodiſch zu ordnen. Zunächſt theilte er dieſelben in einſchalige und in zweiſchalige, bei letzteren dann die Verbindungsweiſe der beiden Muſchelhälften als weiteren Einthei- lungsgrund benutzend. Von den einſchaligen Gehäuſen ſcheidet er zu- nächſt die mit unregelmäßiger Schalenbildung aus, wie die Lepaden, Balanen und Wurmröhren. Die regelmäßigen theilt er dann ein in ſolche mit Spiralwindung und in ſolche ohne Windung; dabei bleibt er aber nicht conſequent oder unterſucht vielmehr nicht genau genug; denn zu den windungsloſen rechnet er neben Dentalium und den Napf- ſchnecken auch die Porzellanſchnecken und Bulla. Immerhin iſt aber bei einem nur auf die Schalen gegründeten Syſtem Manches von Heben- ſtreit hervorgehoben worden, was ſpäter wieder einzeln benutzt wurde. Einen weitern Fortſchritt bezeichnet die Anordnung, welche der Danziger Arzt, Joh. Phil. Breyn den Schalthieren gab. Es war dieſer Mann der jüngſte Sohn des als Botaniker bekannten Jakob Breyn (1637-1685), welcher zwar urſprünglich nicht dem Gelehrtenſtande angehörig doch einen ſolchen Ruf erlangte, daß ihm die botaniſche Pro- feſſur in Leyden angetragen wurde. Der vorzüglich als Zoolog und Paläontolog bekannte jüngere Breyn wurde 1680 in Danzig geboren, war mit Klein einer der Stifter der dortigen naturforſchenden Geſell- ſchaft, im Uebrigen als Arzt in ſeiner Vaterſtadt thätig und ſtarb 1764, auch von auswärts ſehr anerkannt (er war z. B. Mitglied der Royal Society). Das von ihm entworfene Schalthierſyſtem hat er ſeiner Abhandlung über die von ihm neu aufgeſtellte Claſſe der Poly- thalamien vorausgeſchickt (1732), mit richtiger Erkenntniß darauf hin- weiſend, daß jene foſſilen Schalthiere (Ammoniten, Lituiten, Orthocera- titen) nur in ſyſtematiſcher Verbindung mit lebenden Formen richtig beurtheilt werden können. Es iſt dies der erſte Verſuch, foſſile For- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0467" n="456"/><fw place="top" type="header">Periode der Syſtematik.</fw><lb/> das Erheben der Windungsſpirale zu viel Gewicht und ſtellt z. B. die<lb/> Porzellanſchnecke mit der Napfſchnecke in dieſelbe Gruppe, während er<lb/> Stromben, <hi rendition="#aq">Murex</hi> u. a. zur zweiten Gruppe rechnet. Das <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117676179">Liſter</persName>'ſche<lb/> Syſtem wurde auch häufig bei Ordnung größerer Molluskenſammlungen<lb/> zu Grunde gelegt, ſo z. 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Periode der Syſtematik.
das Erheben der Windungsſpirale zu viel Gewicht und ſtellt z. B. die
Porzellanſchnecke mit der Napfſchnecke in dieſelbe Gruppe, während er
Stromben, Murex u. a. zur zweiten Gruppe rechnet. Das Liſter'ſche
Syſtem wurde auch häufig bei Ordnung größerer Molluskenſammlungen
zu Grunde gelegt, ſo z. B. von dem Breslauer Arzt J. Ch. Kund-
mann. Ziemlich ſelbſtändig verſuchte der vorhin erwähnte Joh.
Ernſt Hebenſtreit die Schalthiere methodiſch zu ordnen. Zunächſt
theilte er dieſelben in einſchalige und in zweiſchalige, bei letzteren dann
die Verbindungsweiſe der beiden Muſchelhälften als weiteren Einthei-
lungsgrund benutzend. Von den einſchaligen Gehäuſen ſcheidet er zu-
nächſt die mit unregelmäßiger Schalenbildung aus, wie die Lepaden,
Balanen und Wurmröhren. Die regelmäßigen theilt er dann ein in
ſolche mit Spiralwindung und in ſolche ohne Windung; dabei bleibt er
aber nicht conſequent oder unterſucht vielmehr nicht genau genug; denn
zu den windungsloſen rechnet er neben Dentalium und den Napf-
ſchnecken auch die Porzellanſchnecken und Bulla. Immerhin iſt aber bei
einem nur auf die Schalen gegründeten Syſtem Manches von Heben-
ſtreit hervorgehoben worden, was ſpäter wieder einzeln benutzt wurde.
Einen weitern Fortſchritt bezeichnet die Anordnung, welche der Danziger
Arzt, Joh. Phil. Breyn den Schalthieren gab. Es war dieſer
Mann der jüngſte Sohn des als Botaniker bekannten Jakob Breyn
(1637-1685), welcher zwar urſprünglich nicht dem Gelehrtenſtande
angehörig doch einen ſolchen Ruf erlangte, daß ihm die botaniſche Pro-
feſſur in Leyden angetragen wurde. Der vorzüglich als Zoolog und
Paläontolog bekannte jüngere Breyn wurde 1680 in Danzig geboren,
war mit Klein einer der Stifter der dortigen naturforſchenden Geſell-
ſchaft, im Uebrigen als Arzt in ſeiner Vaterſtadt thätig und ſtarb
1764, auch von auswärts ſehr anerkannt (er war z. B. Mitglied der
Royal Society). Das von ihm entworfene Schalthierſyſtem hat er
ſeiner Abhandlung über die von ihm neu aufgeſtellte Claſſe der Poly-
thalamien vorausgeſchickt (1732), mit richtiger Erkenntniß darauf hin-
weiſend, daß jene foſſilen Schalthiere (Ammoniten, Lituiten, Orthocera-
titen) nur in ſyſtematiſcher Verbindung mit lebenden Formen richtig
beurtheilt werden können. Es iſt dies der erſte Verſuch, foſſile For-
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