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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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nommen. Einer dieser Männer, Dr. Tancred Robinson, bestimmte
Ray dazu, auch die andern von ihm noch nicht behandelten Classen des
Thierreichs zu bearbeiten. So entstand die 1693 erschienene Synopsis
der Vierfüßer und Schlangen. Die gleichfalls von ihm einer neuen
Ueberarbeitung unterworfenen Vögel und Fische erschienen erst 1713
nach Rays Tode und sind von seinem Biographen W. Derham her-
ausgegeben, da das Manuscript von dem Buchhändler aus Nachläs-
sigkeit zurückgelegt worden war. Nachdem sich Ray neuen Auflagen
einiger seiner botanischen Werke unterzogen hatte, kehrte er nochmals
zum Thierreich zurück, um mit Bearbeitung der Insecten, zu welcher
bereits Willughby Materialien zu sammeln begonnen hatte, die systema-
tische Darstellung der Thierwelt zu vervollständigen. Ehe er aber dieses
Werk, welches später gleichfalls Derham auf Kosten der Royal Society
herausgab, vollendet hatte, starb er am 17. Januar in seinem Ge-
burtshause. Dorthin hatte er sich nach dem Tode seiner Mutter 1678
zurückbegeben, da inzwischen auch mit dem Tode von Willughby's
Mutter und der Wiederverheirathung von dessen Wittwe seine Stellung
als Erzieher in Middleton-Hall ihr Ende gefunden hatte.

Es ist selten ein Naturforscher früherer Zeiten in der gleich glück-
lichen Lage wie Ray gewesen, ein längeres Leben hindurch ohne ab-
ziehende Nebenverpflichtungen sich ganz seinen Neigungen und Aufga-
ben hingeben zu können. Diese Muße hat auch Ray mit seltenem
Fleiße und, wie hinzugefügt werden muß, mit seltenem Erfolge aus-
genutzt. Wenn er auch hinter Linne in der Großartigkeit der Ausfüh-
rung seines Planes zurückblieb, so hat er doch entschieden jenem erst
den Weg gebahnt und es überhaupt möglich gemacht, daß Linne seine
Leistung erfüllte. Es wurde bereits hervorgehoben, daß die Fortschritte
der Zoologie im vorliegenden Zeitraume vorzüglich die formale Aus-
bildung derselben betrafen. In den meisten Punkten hat hier Ray
Bahn gebrochen. Vor allem sind es die drei ebenso für die wissen-
schaftliche Begründung wie für die Continuität der einmal erworbenen
Kenntnisse nothwendigen Momente, welche Ray's Arbeiten zu bahn-
brechenden machen: die Einführung des naturhistorischen Begriffs der
Art, die vorwaltende Berücksichtigung der Anatomie der Thiere als

nommen. Einer dieſer Männer, Dr. Tancred Robinſon, beſtimmte
Ray dazu, auch die andern von ihm noch nicht behandelten Claſſen des
Thierreichs zu bearbeiten. So entſtand die 1693 erſchienene Synopſis
der Vierfüßer und Schlangen. Die gleichfalls von ihm einer neuen
Ueberarbeitung unterworfenen Vögel und Fiſche erſchienen erſt 1713
nach Rays Tode und ſind von ſeinem Biographen W. Derham her-
ausgegeben, da das Manuſcript von dem Buchhändler aus Nachläſ-
ſigkeit zurückgelegt worden war. Nachdem ſich Ray neuen Auflagen
einiger ſeiner botaniſchen Werke unterzogen hatte, kehrte er nochmals
zum Thierreich zurück, um mit Bearbeitung der Inſecten, zu welcher
bereits Willughby Materialien zu ſammeln begonnen hatte, die ſyſtema-
tiſche Darſtellung der Thierwelt zu vervollſtändigen. Ehe er aber dieſes
Werk, welches ſpäter gleichfalls Derham auf Koſten der Royal Society
herausgab, vollendet hatte, ſtarb er am 17. Januar in ſeinem Ge-
burtshauſe. Dorthin hatte er ſich nach dem Tode ſeiner Mutter 1678
zurückbegeben, da inzwiſchen auch mit dem Tode von Willughby's
Mutter und der Wiederverheirathung von deſſen Wittwe ſeine Stellung
als Erzieher in Middleton-Hall ihr Ende gefunden hatte.

Es iſt ſelten ein Naturforſcher früherer Zeiten in der gleich glück-
lichen Lage wie Ray geweſen, ein längeres Leben hindurch ohne ab-
ziehende Nebenverpflichtungen ſich ganz ſeinen Neigungen und Aufga-
ben hingeben zu können. Dieſe Muße hat auch Ray mit ſeltenem
Fleiße und, wie hinzugefügt werden muß, mit ſeltenem Erfolge aus-
genutzt. Wenn er auch hinter Linné in der Großartigkeit der Ausfüh-
rung ſeines Planes zurückblieb, ſo hat er doch entſchieden jenem erſt
den Weg gebahnt und es überhaupt möglich gemacht, daß Linné ſeine
Leiſtung erfüllte. Es wurde bereits hervorgehoben, daß die Fortſchritte
der Zoologie im vorliegenden Zeitraume vorzüglich die formale Aus-
bildung derſelben betrafen. In den meiſten Punkten hat hier Ray
Bahn gebrochen. Vor allem ſind es die drei ebenſo für die wiſſen-
ſchaftliche Begründung wie für die Continuität der einmal erworbenen
Kenntniſſe nothwendigen Momente, welche Ray's Arbeiten zu bahn-
brechenden machen: die Einführung des naturhiſtoriſchen Begriffs der
Art, die vorwaltende Berückſichtigung der Anatomie der Thiere als

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[431/0442] John Ray. nommen. Einer dieſer Männer, Dr. Tancred Robinſon, beſtimmte Ray dazu, auch die andern von ihm noch nicht behandelten Claſſen des Thierreichs zu bearbeiten. So entſtand die 1693 erſchienene Synopſis der Vierfüßer und Schlangen. Die gleichfalls von ihm einer neuen Ueberarbeitung unterworfenen Vögel und Fiſche erſchienen erſt 1713 nach Rays Tode und ſind von ſeinem Biographen W. Derham her- ausgegeben, da das Manuſcript von dem Buchhändler aus Nachläſ- ſigkeit zurückgelegt worden war. Nachdem ſich Ray neuen Auflagen einiger ſeiner botaniſchen Werke unterzogen hatte, kehrte er nochmals zum Thierreich zurück, um mit Bearbeitung der Inſecten, zu welcher bereits Willughby Materialien zu ſammeln begonnen hatte, die ſyſtema- tiſche Darſtellung der Thierwelt zu vervollſtändigen. Ehe er aber dieſes Werk, welches ſpäter gleichfalls Derham auf Koſten der Royal Society herausgab, vollendet hatte, ſtarb er am 17. Januar in ſeinem Ge- burtshauſe. Dorthin hatte er ſich nach dem Tode ſeiner Mutter 1678 zurückbegeben, da inzwiſchen auch mit dem Tode von Willughby's Mutter und der Wiederverheirathung von deſſen Wittwe ſeine Stellung als Erzieher in Middleton-Hall ihr Ende gefunden hatte. Es iſt ſelten ein Naturforſcher früherer Zeiten in der gleich glück- lichen Lage wie Ray geweſen, ein längeres Leben hindurch ohne ab- ziehende Nebenverpflichtungen ſich ganz ſeinen Neigungen und Aufga- ben hingeben zu können. Dieſe Muße hat auch Ray mit ſeltenem Fleiße und, wie hinzugefügt werden muß, mit ſeltenem Erfolge aus- genutzt. Wenn er auch hinter Linné in der Großartigkeit der Ausfüh- rung ſeines Planes zurückblieb, ſo hat er doch entſchieden jenem erſt den Weg gebahnt und es überhaupt möglich gemacht, daß Linné ſeine Leiſtung erfüllte. Es wurde bereits hervorgehoben, daß die Fortſchritte der Zoologie im vorliegenden Zeitraume vorzüglich die formale Aus- bildung derſelben betrafen. In den meiſten Punkten hat hier Ray Bahn gebrochen. Vor allem ſind es die drei ebenſo für die wiſſen- ſchaftliche Begründung wie für die Continuität der einmal erworbenen Kenntniſſe nothwendigen Momente, welche Ray's Arbeiten zu bahn- brechenden machen: die Einführung des naturhiſtoriſchen Begriffs der Art, die vorwaltende Berückſichtigung der Anatomie der Thiere als

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/442>, abgerufen am 25.11.2024.