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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Akademien.
ten sollte. Es wäre ungerecht, wollte man das ideale Streben der
Gründer der Akademie der Naturforscher leugnen; kein anderes histo-
risches Ereigniß weist vielleicht so direct auf die angeborene Liebe der
Deutschen zu allem Edlen und Hohen hin, als daß unmittelbar nach
dem Austoben des großen Krieges, unter Verhältnissen, welche so trau-
rig noch nicht dagewesen waren und nicht wiedergekehrt sind, die Pflege
der Naturkenntniß als eine der zu leistenden idealen Aufgaben hin-
gestellt wurde. Die Ausführung der Idee blieb allerdings hinter den
Vorsätzen und Erwartungen zurück. Dies war Folge eines Umstan-
des, welchen die Gründer zu beseitigen nicht vermochten, dessen Bedeu-
tung sie auch wohl nicht erkannten. Es fehlten ihr die regelmäßigen
Zusammenkünfte und die in solchen sich entwickelnden Besprechungen
und Bekämpfungen verschiedener Ansichten; sie war von Anfang an
nur eine publicirende Genossenschaft, bei welcher die Kritik des zu Ver-
öffentlichenden mehr der Verantwortlichkeit des Einzelnen überlassen
blieb, als daß das Aufeinanderplatzen der Geister in lebendiger Rede
das edle Metall von den Schlacken gereinigt hätte. Laplace hat
Recht, wenn er sagt: "der wesentliche Vortheil der Akademien ist der
philosophische Geist, der sich in ihnen entwickelt und von hier aus über
eine ganze Nation und alle Gegenstände ausbreitet. Der vereinzelte
Gelehrte kann sich ohne Furcht dem Dogmatisiren hingeben; er hört
nur von weitem Widersprüche. Aber in einer gelehrten Gesellschaft
führt der Anprall dogmatischer Ansichten sehr bald zu ihrer Zerstö-
rung; und der Wunsch, sich gegenseitig zu überzeugen, führt nothwen-
digerweise die Uebereinkunft unter den Mitgliedern hervor, nichts An-
deres als die Resultate der Beobachtung und der Rechnung anzuneh-
men"15). Dies wäre der deutschen Akademie auch bei ihrer mehr oder
weniger deutlich ausgesprochenen Beschränkung auf die beschreibenden
Naturwissenschaften nur heilsam gewesen. Das einzige Lebenszeichen
der Akademie waren daher von jeher ihre Veröffentlichungen. Ehe die-
selben eine regelmäßige Form und eine Collectivbezeichnung erhielten,
erschien eine Anzahl einzelner Schriften, mit deren Herausgabe selbst

15) Laplace, Precis de l'hist. de l'Astronomie. Paris, 1821. p. 99.

Akademien.
ten ſollte. Es wäre ungerecht, wollte man das ideale Streben der
Gründer der Akademie der Naturforſcher leugnen; kein anderes hiſto-
riſches Ereigniß weiſt vielleicht ſo direct auf die angeborene Liebe der
Deutſchen zu allem Edlen und Hohen hin, als daß unmittelbar nach
dem Austoben des großen Krieges, unter Verhältniſſen, welche ſo trau-
rig noch nicht dageweſen waren und nicht wiedergekehrt ſind, die Pflege
der Naturkenntniß als eine der zu leiſtenden idealen Aufgaben hin-
geſtellt wurde. Die Ausführung der Idee blieb allerdings hinter den
Vorſätzen und Erwartungen zurück. Dies war Folge eines Umſtan-
des, welchen die Gründer zu beſeitigen nicht vermochten, deſſen Bedeu-
tung ſie auch wohl nicht erkannten. Es fehlten ihr die regelmäßigen
Zuſammenkünfte und die in ſolchen ſich entwickelnden Beſprechungen
und Bekämpfungen verſchiedener Anſichten; ſie war von Anfang an
nur eine publicirende Genoſſenſchaft, bei welcher die Kritik des zu Ver-
öffentlichenden mehr der Verantwortlichkeit des Einzelnen überlaſſen
blieb, als daß das Aufeinanderplatzen der Geiſter in lebendiger Rede
das edle Metall von den Schlacken gereinigt hätte. Laplace hat
Recht, wenn er ſagt: „der weſentliche Vortheil der Akademien iſt der
philoſophiſche Geiſt, der ſich in ihnen entwickelt und von hier aus über
eine ganze Nation und alle Gegenſtände ausbreitet. Der vereinzelte
Gelehrte kann ſich ohne Furcht dem Dogmatiſiren hingeben; er hört
nur von weitem Widerſprüche. Aber in einer gelehrten Geſellſchaft
führt der Anprall dogmatiſcher Anſichten ſehr bald zu ihrer Zerſtö-
rung; und der Wunſch, ſich gegenſeitig zu überzeugen, führt nothwen-
digerweiſe die Uebereinkunft unter den Mitgliedern hervor, nichts An-
deres als die Reſultate der Beobachtung und der Rechnung anzuneh-
men“15). Dies wäre der deutſchen Akademie auch bei ihrer mehr oder
weniger deutlich ausgeſprochenen Beſchränkung auf die beſchreibenden
Naturwiſſenſchaften nur heilſam geweſen. Das einzige Lebenszeichen
der Akademie waren daher von jeher ihre Veröffentlichungen. Ehe die-
ſelben eine regelmäßige Form und eine Collectivbezeichnung erhielten,
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[411/0422] Akademien. ten ſollte. Es wäre ungerecht, wollte man das ideale Streben der Gründer der Akademie der Naturforſcher leugnen; kein anderes hiſto- riſches Ereigniß weiſt vielleicht ſo direct auf die angeborene Liebe der Deutſchen zu allem Edlen und Hohen hin, als daß unmittelbar nach dem Austoben des großen Krieges, unter Verhältniſſen, welche ſo trau- rig noch nicht dageweſen waren und nicht wiedergekehrt ſind, die Pflege der Naturkenntniß als eine der zu leiſtenden idealen Aufgaben hin- geſtellt wurde. Die Ausführung der Idee blieb allerdings hinter den Vorſätzen und Erwartungen zurück. Dies war Folge eines Umſtan- des, welchen die Gründer zu beſeitigen nicht vermochten, deſſen Bedeu- tung ſie auch wohl nicht erkannten. Es fehlten ihr die regelmäßigen Zuſammenkünfte und die in ſolchen ſich entwickelnden Beſprechungen und Bekämpfungen verſchiedener Anſichten; ſie war von Anfang an nur eine publicirende Genoſſenſchaft, bei welcher die Kritik des zu Ver- öffentlichenden mehr der Verantwortlichkeit des Einzelnen überlaſſen blieb, als daß das Aufeinanderplatzen der Geiſter in lebendiger Rede das edle Metall von den Schlacken gereinigt hätte. Laplace hat Recht, wenn er ſagt: „der weſentliche Vortheil der Akademien iſt der philoſophiſche Geiſt, der ſich in ihnen entwickelt und von hier aus über eine ganze Nation und alle Gegenſtände ausbreitet. Der vereinzelte Gelehrte kann ſich ohne Furcht dem Dogmatiſiren hingeben; er hört nur von weitem Widerſprüche. Aber in einer gelehrten Geſellſchaft führt der Anprall dogmatiſcher Anſichten ſehr bald zu ihrer Zerſtö- rung; und der Wunſch, ſich gegenſeitig zu überzeugen, führt nothwen- digerweiſe die Uebereinkunft unter den Mitgliedern hervor, nichts An- deres als die Reſultate der Beobachtung und der Rechnung anzuneh- men“ 15). Dies wäre der deutſchen Akademie auch bei ihrer mehr oder weniger deutlich ausgeſprochenen Beſchränkung auf die beſchreibenden Naturwiſſenſchaften nur heilſam geweſen. Das einzige Lebenszeichen der Akademie waren daher von jeher ihre Veröffentlichungen. Ehe die- ſelben eine regelmäßige Form und eine Collectivbezeichnung erhielten, erſchien eine Anzahl einzelner Schriften, mit deren Herausgabe ſelbſt 15) Laplace, Précis de l'hist. de l'Astronomie. Paris, 1821. p. 99.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/422>, abgerufen am 25.11.2024.