ten", in welchen Redi für viele Fälle den Nachweis gibt, daß die Thiere nicht aus den Stoffen selbst, an welchen sie erscheinen, sondern aus dorthin gelegten Eiern weiblicher, mütterlicher Individuen hervorgien- gen. Er weist direct nach, daß, wenn man die Fliegen von faulendem Fleische abhält, sich keine Maden in demselben entwickeln. Aehnliche Beweise bringt er auch für einzelne Formen von in andern Thieren lebenden Würmern bei, obschon er hier über zu wenig Thatsächliches gebieten konnte, um mit gleicher Ueberzeugungskraft die überall gleich- artige Zeugungsweise behaupten und vertheidigen zu können. Nach Redi's Arbeiten flüchtete sich die Lehre von der Urzeugung in immer unbekanntere Gebiete des Thierreichs, bis sie, von der Forschung über- all siegreich widerlegt, jeden Boden verlor und ernstlich erst dann wie- der erörtert zu werden begann, als es galt, die Ansichten über eine mögliche Erklärung der Mannichfaltigkeit der thierischen Formen theo- retisch abzurunden. Auch mit andern anatomischen Arbeiten hat sich Redi Verdienste erworben; so mit seinen Untersuchungen über die Viper, den Zitterrochen, die Luftsäcke der Vögel u. s. w. Ueberall zeigt sich bei ihm ein unbefangener freier Blick, welcher, ohne Rücksicht auf etwa entgegenstehende, sich an Ueberlieferungen oder Gewährs- männer anlehnende Vorurtheile zu nehmen, der Beobachtung und dem Versuche die Entscheidung zweifelhafter Fälle überläßt.
Ebensowenig wie eine Geschichte der Zoologie die Entdeckung jeder einzelnen neuen Thierart verzeichnen kann, ist eine solche auch nicht der Ort, jeden anatomischen Fund bei Thieren nach der Zeit seines Auf- tauchens zu verzeichnen. Wohl aber muß hier darauf hingewiesen wer- den, wie unter Benutzung der neueren Methoden und Mittel der Un- tersuchung, sowie in Folge einer selbständigeren Stellung nach und nach, wenn auch langsam, alte Irrthümer schwanden und neue geläu- terte Anschauungen immer mehr Boden gewannen. Für die vorlie- gende Zeit war besonders die durch Harvey's Entdeckung umgestaltete Gefäßlehre epochemachend, an welche sich die Fortschritte in der Kennt- niß der Lymphgefäße ergänzend anschlossen. Wegen letzterer sei hier nur an den Dänen Thomas Bartholin erinnert. Nicht minder wichtig ist aber auch der Nachweis, welcher vorzüglich dem bereits oben
Periode der Syſtematik.
ten“, in welchen Redi für viele Fälle den Nachweis gibt, daß die Thiere nicht aus den Stoffen ſelbſt, an welchen ſie erſcheinen, ſondern aus dorthin gelegten Eiern weiblicher, mütterlicher Individuen hervorgien- gen. Er weiſt direct nach, daß, wenn man die Fliegen von faulendem Fleiſche abhält, ſich keine Maden in demſelben entwickeln. Aehnliche Beweiſe bringt er auch für einzelne Formen von in andern Thieren lebenden Würmern bei, obſchon er hier über zu wenig Thatſächliches gebieten konnte, um mit gleicher Ueberzeugungskraft die überall gleich- artige Zeugungsweiſe behaupten und vertheidigen zu können. Nach Redi's Arbeiten flüchtete ſich die Lehre von der Urzeugung in immer unbekanntere Gebiete des Thierreichs, bis ſie, von der Forſchung über- all ſiegreich widerlegt, jeden Boden verlor und ernſtlich erſt dann wie- der erörtert zu werden begann, als es galt, die Anſichten über eine mögliche Erklärung der Mannichfaltigkeit der thieriſchen Formen theo- retiſch abzurunden. Auch mit andern anatomiſchen Arbeiten hat ſich Redi Verdienſte erworben; ſo mit ſeinen Unterſuchungen über die Viper, den Zitterrochen, die Luftſäcke der Vögel u. ſ. w. Ueberall zeigt ſich bei ihm ein unbefangener freier Blick, welcher, ohne Rückſicht auf etwa entgegenſtehende, ſich an Ueberlieferungen oder Gewährs- männer anlehnende Vorurtheile zu nehmen, der Beobachtung und dem Verſuche die Entſcheidung zweifelhafter Fälle überläßt.
Ebenſowenig wie eine Geſchichte der Zoologie die Entdeckung jeder einzelnen neuen Thierart verzeichnen kann, iſt eine ſolche auch nicht der Ort, jeden anatomiſchen Fund bei Thieren nach der Zeit ſeines Auf- tauchens zu verzeichnen. Wohl aber muß hier darauf hingewieſen wer- den, wie unter Benutzung der neueren Methoden und Mittel der Un- terſuchung, ſowie in Folge einer ſelbſtändigeren Stellung nach und nach, wenn auch langſam, alte Irrthümer ſchwanden und neue geläu- terte Anſchauungen immer mehr Boden gewannen. Für die vorlie- gende Zeit war beſonders die durch Harvey's Entdeckung umgeſtaltete Gefäßlehre epochemachend, an welche ſich die Fortſchritte in der Kennt- niß der Lymphgefäße ergänzend anſchloſſen. Wegen letzterer ſei hier nur an den Dänen Thomas Bartholin erinnert. Nicht minder wichtig iſt aber auch der Nachweis, welcher vorzüglich dem bereits oben
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[404/0415]
Periode der Syſtematik.
ten“, in welchen Redi für viele Fälle den Nachweis gibt, daß die Thiere
nicht aus den Stoffen ſelbſt, an welchen ſie erſcheinen, ſondern aus
dorthin gelegten Eiern weiblicher, mütterlicher Individuen hervorgien-
gen. Er weiſt direct nach, daß, wenn man die Fliegen von faulendem
Fleiſche abhält, ſich keine Maden in demſelben entwickeln. Aehnliche
Beweiſe bringt er auch für einzelne Formen von in andern Thieren
lebenden Würmern bei, obſchon er hier über zu wenig Thatſächliches
gebieten konnte, um mit gleicher Ueberzeugungskraft die überall gleich-
artige Zeugungsweiſe behaupten und vertheidigen zu können. Nach
Redi's Arbeiten flüchtete ſich die Lehre von der Urzeugung in immer
unbekanntere Gebiete des Thierreichs, bis ſie, von der Forſchung über-
all ſiegreich widerlegt, jeden Boden verlor und ernſtlich erſt dann wie-
der erörtert zu werden begann, als es galt, die Anſichten über eine
mögliche Erklärung der Mannichfaltigkeit der thieriſchen Formen theo-
retiſch abzurunden. Auch mit andern anatomiſchen Arbeiten hat ſich
Redi Verdienſte erworben; ſo mit ſeinen Unterſuchungen über die
Viper, den Zitterrochen, die Luftſäcke der Vögel u. ſ. w. Ueberall
zeigt ſich bei ihm ein unbefangener freier Blick, welcher, ohne Rückſicht
auf etwa entgegenſtehende, ſich an Ueberlieferungen oder Gewährs-
männer anlehnende Vorurtheile zu nehmen, der Beobachtung und dem
Verſuche die Entſcheidung zweifelhafter Fälle überläßt.
Ebenſowenig wie eine Geſchichte der Zoologie die Entdeckung jeder
einzelnen neuen Thierart verzeichnen kann, iſt eine ſolche auch nicht der
Ort, jeden anatomiſchen Fund bei Thieren nach der Zeit ſeines Auf-
tauchens zu verzeichnen. Wohl aber muß hier darauf hingewieſen wer-
den, wie unter Benutzung der neueren Methoden und Mittel der Un-
terſuchung, ſowie in Folge einer ſelbſtändigeren Stellung nach und
nach, wenn auch langſam, alte Irrthümer ſchwanden und neue geläu-
terte Anſchauungen immer mehr Boden gewannen. Für die vorlie-
gende Zeit war beſonders die durch Harvey's Entdeckung umgeſtaltete
Gefäßlehre epochemachend, an welche ſich die Fortſchritte in der Kennt-
niß der Lymphgefäße ergänzend anſchloſſen. Wegen letzterer ſei hier
nur an den Dänen Thomas Bartholin erinnert. Nicht minder
wichtig iſt aber auch der Nachweis, welcher vorzüglich dem bereits oben
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/415>, abgerufen am 25.07.2024.
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