und von Gehirn und Rückenmark nahe genug war; auch hier sah er in der Rindensubstanz nur Drüsengewebe, eine Auffassung, welcher Ruysch die andere extreme gegenüberstellte, daß die Rindensubstanz nur aus Gefäßschlingen bestehe.
Von seiner Anatomie der Pflanzen abgesehen beziehen sich die Ar- beiten8)Malpighi's weniger auf allgemeine Structurverhältnisse als auf den Bau besonderer Organe und einzelner Thiere. In der Arbeit über die Structur der Eingeweide führt er seine Drüsenlehre consequent in Bezug auf die Leber und die Milz durch, wobei er entschieden die Absonderung der Galle, nicht wie noch manche seiner Zeitgenossen in die Gallenblase, sondern in die Leber selbst verlegt. Die Abhandlungen über die Zunge und das Tastorgan sind deshalb von größerer Bedeu- tung, als sie die Malpighi's Namen noch tragende sogenannte Schleim- schicht, das Malpighische Netz, unter der Oberhaut kennen lehrten und zeigten, wie der Bau der äußeren Haut und der der Schleimhäute nahezu gleich sind. Müssen die hier erwähnten Schriften, denen noch ein paar ähnliche über die Netze und das Gehirn anzureihen sind, als solche be- zeichnet werden, welche trotz mancher Fehler wegen des in ihnen sich äußernden allgemeinen Blickes eine nachhaltige Wirkung gehabt haben, so fand doch seine Arbeit über den Seidenschmetterling schon sehr bald eine weitere Verbreitung. Dieselbe stellt die erste vollständige Anato- mie eines Arthropoden dar. Denn die in demselben Jahre, 1669, er- schienene Geschichte der Insecten von Swammerdam enthält noch kaum etwas Anatomisches, vielmehr nur eine eingehende Schilderung der Verwandlungen. Auch die nur drei Jahre später erschienene Anatomie des Krebses von Willis (in seiner Schrift über die Seele der Thiere,
8) Seine Schriften sind zwar größtentheils einzeln erschienen, wurden aber schon zu seinen Lebzeiten gesammelt und herausgegeben als Opera omnia, Lugd. Bat. 1687, 2 Ti, 4. Londini, 1686-88. Die einzeln oben erwähnten Arbeiten tragen die Titel, de pulmonibus, erschien 1661; Tetras epistolarum (de cere- bro, de lingua, de omento, de externo tactus organo), 1665; die Abhandlung de viscerum structura erschien 1666; de Bombyce, Londin. 1669; de forma- tione pulli in ovo, ebenda 1673. Das Meiste der auf Thiere bezüglichen Angaben ist mit den Abbildungen abgedruckt in Ger. Blasius, Anatome animalium. Amstelod. 1681.
und von Gehirn und Rückenmark nahe genug war; auch hier ſah er in der Rindenſubſtanz nur Drüſengewebe, eine Auffaſſung, welcher Ruyſch die andere extreme gegenüberſtellte, daß die Rindenſubſtanz nur aus Gefäßſchlingen beſtehe.
Von ſeiner Anatomie der Pflanzen abgeſehen beziehen ſich die Ar- beiten8)Malpighi's weniger auf allgemeine Structurverhältniſſe als auf den Bau beſonderer Organe und einzelner Thiere. In der Arbeit über die Structur der Eingeweide führt er ſeine Drüſenlehre conſequent in Bezug auf die Leber und die Milz durch, wobei er entſchieden die Abſonderung der Galle, nicht wie noch manche ſeiner Zeitgenoſſen in die Gallenblaſe, ſondern in die Leber ſelbſt verlegt. Die Abhandlungen über die Zunge und das Taſtorgan ſind deshalb von größerer Bedeu- tung, als ſie die Malpighi's Namen noch tragende ſogenannte Schleim- ſchicht, das Malpighiſche Netz, unter der Oberhaut kennen lehrten und zeigten, wie der Bau der äußeren Haut und der der Schleimhäute nahezu gleich ſind. Müſſen die hier erwähnten Schriften, denen noch ein paar ähnliche über die Netze und das Gehirn anzureihen ſind, als ſolche be- zeichnet werden, welche trotz mancher Fehler wegen des in ihnen ſich äußernden allgemeinen Blickes eine nachhaltige Wirkung gehabt haben, ſo fand doch ſeine Arbeit über den Seidenſchmetterling ſchon ſehr bald eine weitere Verbreitung. Dieſelbe ſtellt die erſte vollſtändige Anato- mie eines Arthropoden dar. Denn die in demſelben Jahre, 1669, er- ſchienene Geſchichte der Inſecten von Swammerdam enthält noch kaum etwas Anatomiſches, vielmehr nur eine eingehende Schilderung der Verwandlungen. Auch die nur drei Jahre ſpäter erſchienene Anatomie des Krebſes von Willis (in ſeiner Schrift über die Seele der Thiere,
8) Seine Schriften ſind zwar größtentheils einzeln erſchienen, wurden aber ſchon zu ſeinen Lebzeiten geſammelt und herausgegeben als Opera omnia, Lugd. Bat. 1687, 2 Ti, 4. Londini, 1686-88. Die einzeln oben erwähnten Arbeiten tragen die Titel, de pulmonibus, erſchien 1661; Tetras epistolarum (de cere- bro, de lingua, de omento, de externo tactus organo), 1665; die Abhandlung de viscerum structura erſchien 1666; de Bombyce, Londin. 1669; de forma- tione pulli in ovo, ebenda 1673. Das Meiſte der auf Thiere bezüglichen Angaben iſt mit den Abbildungen abgedruckt in Ger. Blasius, Anatome animalium. Amstelod. 1681.
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Marcello Malpighi.
und von Gehirn und Rückenmark nahe genug war; auch hier ſah er in
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Ruyſch die andere extreme gegenüberſtellte, daß die Rindenſubſtanz
nur aus Gefäßſchlingen beſtehe.
Von ſeiner Anatomie der Pflanzen abgeſehen beziehen ſich die Ar-
beiten 8) Malpighi's weniger auf allgemeine Structurverhältniſſe als
auf den Bau beſonderer Organe und einzelner Thiere. In der Arbeit
über die Structur der Eingeweide führt er ſeine Drüſenlehre conſequent
in Bezug auf die Leber und die Milz durch, wobei er entſchieden die
Abſonderung der Galle, nicht wie noch manche ſeiner Zeitgenoſſen in
die Gallenblaſe, ſondern in die Leber ſelbſt verlegt. Die Abhandlungen
über die Zunge und das Taſtorgan ſind deshalb von größerer Bedeu-
tung, als ſie die Malpighi's Namen noch tragende ſogenannte Schleim-
ſchicht, das Malpighiſche Netz, unter der Oberhaut kennen lehrten und
zeigten, wie der Bau der äußeren Haut und der der Schleimhäute nahezu
gleich ſind. Müſſen die hier erwähnten Schriften, denen noch ein paar
ähnliche über die Netze und das Gehirn anzureihen ſind, als ſolche be-
zeichnet werden, welche trotz mancher Fehler wegen des in ihnen ſich
äußernden allgemeinen Blickes eine nachhaltige Wirkung gehabt haben,
ſo fand doch ſeine Arbeit über den Seidenſchmetterling ſchon ſehr bald
eine weitere Verbreitung. Dieſelbe ſtellt die erſte vollſtändige Anato-
mie eines Arthropoden dar. Denn die in demſelben Jahre, 1669, er-
ſchienene Geſchichte der Inſecten von Swammerdam enthält noch
kaum etwas Anatomiſches, vielmehr nur eine eingehende Schilderung der
Verwandlungen. Auch die nur drei Jahre ſpäter erſchienene Anatomie
des Krebſes von Willis (in ſeiner Schrift über die Seele der Thiere,
8) Seine Schriften ſind zwar größtentheils einzeln erſchienen, wurden aber
ſchon zu ſeinen Lebzeiten geſammelt und herausgegeben als Opera omnia, Lugd.
Bat. 1687, 2 Ti, 4. Londini, 1686-88. Die einzeln oben erwähnten Arbeiten
tragen die Titel, de pulmonibus, erſchien 1661; Tetras epistolarum (de cere-
bro, de lingua, de omento, de externo tactus organo), 1665; die Abhandlung
de viscerum structura erſchien 1666; de Bombyce, Londin. 1669; de forma-
tione pulli in ovo, ebenda 1673. Das Meiſte der auf Thiere bezüglichen Angaben
iſt mit den Abbildungen abgedruckt in Ger. Blasius, Anatome animalium.
Amstelod. 1681.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/408>, abgerufen am 24.07.2024.
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