Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der encyklopädischen Darstellungen. im Volksmunde, erhalten, theils durch einige neuerlich bekannt gewor-dene Thatsachen Bestätigung gefunden haben. Die erste betrifft den fälschlich sogenannten Vielfraß. Ueber dieses Thier haben Olaus Mag- nus und Matthias Michovius62) wohl zuerst die abenteuerlichen Geschichten in Umlauf gesetzt, welche sich lange Zeit hindurch in Folge einer volksetymologischen Auslegung seines von Deutschen unverstan- denen Namens lebendig erhalten haben. Das zweite Thier, welches Olaus Magnus wohl auch zuerst in die Fabelkreise der modernen Völker eingeführt haben dürfte, ist die große Seeschlange, welche er als bis anderthalb Meilen lang werdend schildert. Nicht so mythisch, wie die beiden ersten, und nicht so vollständig der thatsächlichen Belege entbehrend ist die Geschichte von den Kraken, welche bekanntlich im Stande sein sollen, mit ihren ungeheuren Armen ganze Boote zu um- fassen und in die Tiefe hinabzuziehen. In einer gewissen Weise klingt hier bei Olaus Magnus eine Erinnerung an die Aspidochelone durch. Er erzählt, die Kraken würden zuweilen so groß, daß die Schiffer sie für eine Insel hielten, Anker auf sie würfen und auf ihnen zu landen versuchten. Zieht man aber diesen Zusatz als vielleicht nur eine Art von poetischer Ausschmückung der Erzählung ab, so bleibt doch in der- selben ein Hinweis auf riesenhafte Tintenfische übrig, wie solche nach einzelnen neuerdings sowohl in Museen als in Meeren gemachten Fun- den, wie nach directen Beobachtungen allerdings doch vorkommen. Den hauptsächlichsten Anstoß zu den oben erwähnten Entdeckungs- 62) in seinem Werke De Sarmatia asiana et europaea. Cracov. 1532. Fol.
Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. im Volksmunde, erhalten, theils durch einige neuerlich bekannt gewor-dene Thatſachen Beſtätigung gefunden haben. Die erſte betrifft den fälſchlich ſogenannten Vielfraß. Ueber dieſes Thier haben Olaus Mag- nus und Matthias Michovius62) wohl zuerſt die abenteuerlichen Geſchichten in Umlauf geſetzt, welche ſich lange Zeit hindurch in Folge einer volksetymologiſchen Auslegung ſeines von Deutſchen unverſtan- denen Namens lebendig erhalten haben. Das zweite Thier, welches Olaus Magnus wohl auch zuerſt in die Fabelkreiſe der modernen Völker eingeführt haben dürfte, iſt die große Seeſchlange, welche er als bis anderthalb Meilen lang werdend ſchildert. Nicht ſo mythiſch, wie die beiden erſten, und nicht ſo vollſtändig der thatſächlichen Belege entbehrend iſt die Geſchichte von den Kraken, welche bekanntlich im Stande ſein ſollen, mit ihren ungeheuren Armen ganze Boote zu um- faſſen und in die Tiefe hinabzuziehen. In einer gewiſſen Weiſe klingt hier bei Olaus Magnus eine Erinnerung an die Aspidochelone durch. Er erzählt, die Kraken würden zuweilen ſo groß, daß die Schiffer ſie für eine Inſel hielten, Anker auf ſie würfen und auf ihnen zu landen verſuchten. Zieht man aber dieſen Zuſatz als vielleicht nur eine Art von poetiſcher Ausſchmückung der Erzählung ab, ſo bleibt doch in der- ſelben ein Hinweis auf rieſenhafte Tintenfiſche übrig, wie ſolche nach einzelnen neuerdings ſowohl in Muſeen als in Meeren gemachten Fun- den, wie nach directen Beobachtungen allerdings doch vorkommen. Den hauptſächlichſten Anſtoß zu den oben erwähnten Entdeckungs- 62) in ſeinem Werke De Sarmatia asiana et europaea. Cracov. 1532. Fol.
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Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
im Volksmunde, erhalten, theils durch einige neuerlich bekannt gewor-
dene Thatſachen Beſtätigung gefunden haben. Die erſte betrifft den
fälſchlich ſogenannten Vielfraß. Ueber dieſes Thier haben Olaus Mag-
nus und Matthias Michovius 62) wohl zuerſt die abenteuerlichen
Geſchichten in Umlauf geſetzt, welche ſich lange Zeit hindurch in Folge
einer volksetymologiſchen Auslegung ſeines von Deutſchen unverſtan-
denen Namens lebendig erhalten haben. Das zweite Thier, welches
Olaus Magnus wohl auch zuerſt in die Fabelkreiſe der modernen
Völker eingeführt haben dürfte, iſt die große Seeſchlange, welche er
als bis anderthalb Meilen lang werdend ſchildert. Nicht ſo mythiſch,
wie die beiden erſten, und nicht ſo vollſtändig der thatſächlichen Belege
entbehrend iſt die Geſchichte von den Kraken, welche bekanntlich im
Stande ſein ſollen, mit ihren ungeheuren Armen ganze Boote zu um-
faſſen und in die Tiefe hinabzuziehen. In einer gewiſſen Weiſe klingt
hier bei Olaus Magnus eine Erinnerung an die Aspidochelone durch.
Er erzählt, die Kraken würden zuweilen ſo groß, daß die Schiffer ſie
für eine Inſel hielten, Anker auf ſie würfen und auf ihnen zu landen
verſuchten. Zieht man aber dieſen Zuſatz als vielleicht nur eine Art
von poetiſcher Ausſchmückung der Erzählung ab, ſo bleibt doch in der-
ſelben ein Hinweis auf rieſenhafte Tintenfiſche übrig, wie ſolche nach
einzelnen neuerdings ſowohl in Muſeen als in Meeren gemachten Fun-
den, wie nach directen Beobachtungen allerdings doch vorkommen.
Den hauptſächlichſten Anſtoß zu den oben erwähnten Entdeckungs-
fahrten nach dem Nordoſten Europa's, mit der Aufgabe eine öſtliche
Durchfahrt nach China und Südoſt-Aſien zu finden, hatte eine Schil-
derung des ruſſiſchen Reiches gegeben, welches damals zu den faſt gar
nicht gekannten Ländergebieten gehörte. Wie es auch noch in neuerer
Zeit Deutſche waren, welche dieſes Reich durchforſchten, ſo gab auch
ein Deutſcher den erſten Aufſchluß über daſſelbe. Der Freiherr Si-
gismund von Herberſtein (geboren 1486, geſt. 1556) war vom
Kaiſer Maximilian I an den Hof des Czaren Baſil IV geſandt worden
und hatte dann nach einem zweimaligen Aufenthalt in Rußland (1517
62) in ſeinem Werke De Sarmatia asiana et europaea. Cracov. 1532. Fol.
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