Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Das dreizehnte Jahrhundert. von Vitry, später Bischof von Acco, entnommen203). Auch ein-zelne Ordensgenossen kommen als Gewährsmänner vor, so Jorda- nus und Hugo. Letzterer ist, wie aus Vergleichung der Stellen hervorgeht, Hugo de S. Charo (Cardinalis S. Sabinae)204). Von mittelalterlichen naturgeschichtlichen Büchern führt Verfasser den Phy- siologus, ein liber physicorum, einen Lapidarius, ein anonymes Buch, welches er als "Experimentator" zu citiren vorschlägt, und ein liber rerum, gleichfalls unbekannten Verfassers, an. Aerztliche Auto- ren sind ihm Galen, Aesculapius (in einer an Octavianus Au- gustus gerichteten Schrift), Platearius, Constantinus Afri- canus und die Kyraniden205). Bei Anführung der letzteren ist es ihm übrigens begegnet, daß er im Eifer des Niederschreibens die erste Person in einer Stelle der Kyraniden nicht durch Aenderung der Satzconstruction beseitigt hat; es scheint daher nun, als habe Thomas selbst den mit "ich" eingeführten Versuch gemacht206. Eine Frage von nicht geringer Bedeutung für die betreffenden 203) Abgedruckt in den Gesta Dei per Francos. Hanoviae, 1611. S. 1100 und flgde. 204) Dessen Opera. Tom. I. Venet. 1732. S. 112. 205) In Bezug auf die Kyraniden kann auf E. Meyer, Geschichte der Bo- tanik, 2. Bd. S. 348, verwiesen werden. Doch ist die von Meyer aufgestellte Be- hauptung, Raymundus Lullus habe das Buch übersetzt, dadurch ohne Weiteres wi- derlegt, daß Thomas Cantipratanus es citirt, und zwar wie ich mich überzeugt habe, wörtlich in der lateinischen Uebersetzung. Raymundus Lullus wurde 1235 geboren, während Thomas schon 1233 zu schreiben oder sammeln anfieng. Wunderbar ist es, daß Meyer, welcher behauptet, die Kyraniden würden zuerst von Simon Januen- sis citirt, und welcher sich die Bücher von den Pflanzen aus dem Gothaer Codex des Thomas abgeschrieben hat, nicht wenigstens in den weit umfänglicheren Thier- büchern geblättert hat, wo die Kyraniden an dreißigmale vorkommen. 206 Beim Ydrus serpens fluvialis soll ein heilkräftiger Stein im Kopfe
enthalten sein. Um dessen Kraft zu prüfen, sagt der Verfasser der Kyraniden: cir- cumcinxi lapidem mulieri hydropicae. Dieser Satz erscheint mit der ersten Person genau so bei Thomas. Das dreizehnte Jahrhundert. von Vitry, ſpäter Biſchof von Acco, entnommen203). Auch ein-zelne Ordensgenoſſen kommen als Gewährsmänner vor, ſo Jorda- nus und Hugo. Letzterer iſt, wie aus Vergleichung der Stellen hervorgeht, Hugo de S. Charo (Cardinalis S. Sabinae)204). Von mittelalterlichen naturgeſchichtlichen Büchern führt Verfaſſer den Phy- ſiologus, ein liber physicorum, einen Lapidarius, ein anonymes Buch, welches er als „Experimentator“ zu citiren vorſchlägt, und ein liber rerum, gleichfalls unbekannten Verfaſſers, an. Aerztliche Auto- ren ſind ihm Galen, Aeſculapius (in einer an Octavianus Au- guſtus gerichteten Schrift), Platearius, Conſtantinus Afri- canus und die Kyraniden205). Bei Anführung der letzteren iſt es ihm übrigens begegnet, daß er im Eifer des Niederſchreibens die erſte Perſon in einer Stelle der Kyraniden nicht durch Aenderung der Satzconſtruction beſeitigt hat; es ſcheint daher nun, als habe Thomas ſelbſt den mit „ich“ eingeführten Verſuch gemacht206. Eine Frage von nicht geringer Bedeutung für die betreffenden 203) Abgedruckt in den Gesta Dei per Francos. Hanoviae, 1611. S. 1100 und flgde. 204) Deſſen Opera. Tom. I. Venet. 1732. S. 112. 205) In Bezug auf die Kyraniden kann auf E. Meyer, Geſchichte der Bo- tanik, 2. Bd. S. 348, verwieſen werden. Doch iſt die von Meyer aufgeſtellte Be- hauptung, Raymundus Lullus habe das Buch überſetzt, dadurch ohne Weiteres wi- derlegt, daß Thomas Cantipratanus es citirt, und zwar wie ich mich überzeugt habe, wörtlich in der lateiniſchen Ueberſetzung. Raymundus Lullus wurde 1235 geboren, während Thomas ſchon 1233 zu ſchreiben oder ſammeln anfieng. Wunderbar iſt es, daß Meyer, welcher behauptet, die Kyraniden würden zuerſt von Simon Januen- ſis citirt, und welcher ſich die Bücher von den Pflanzen aus dem Gothaer Codex des Thomas abgeſchrieben hat, nicht wenigſtens in den weit umfänglicheren Thier- büchern geblättert hat, wo die Kyraniden an dreißigmale vorkommen. 206 Beim Ydrus serpens fluvialis ſoll ein heilkräftiger Stein im Kopfe
enthalten ſein. Um deſſen Kraft zu prüfen, ſagt der Verfaſſer der Kyraniden: cir- cumcinxi lapidem mulieri hydropicae. Dieſer Satz erſcheint mit der erſten Perſon genau ſo bei Thomas. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0232" n="221"/><fw place="top" type="header">Das dreizehnte Jahrhundert.</fw><lb/><hi rendition="#g">von Vitry</hi>, ſpäter Biſchof von Acco, entnommen<note place="foot" n="203)"> Abgedruckt in den <hi rendition="#aq">Gesta Dei per Francos. Hanoviae, </hi> 1611. S. 1100<lb/> und flgde.</note>. Auch ein-<lb/> zelne Ordensgenoſſen kommen als Gewährsmänner vor, ſo <hi rendition="#g">Jorda-<lb/> nus</hi> und <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11855461">Hugo</persName></hi>. Letzterer iſt, wie aus Vergleichung der Stellen<lb/> hervorgeht, Hugo de S. Charo (Cardinalis S. Sabinae)<note place="foot" n="204)">Deſſen <hi rendition="#aq">Opera. Tom. I. Venet.</hi> 1732. S. 112.</note>. Von<lb/> mittelalterlichen naturgeſchichtlichen Büchern führt Verfaſſer den Phy-<lb/> ſiologus, ein <hi rendition="#aq">liber physicorum,</hi> einen Lapidarius, ein anonymes<lb/> Buch, welches er als „Experimentator“ zu citiren vorſchlägt, und ein<lb/><hi rendition="#aq">liber rerum,</hi> gleichfalls unbekannten Verfaſſers, an. Aerztliche Auto-<lb/> ren ſind ihm <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118537202">Galen</persName></hi>, <hi rendition="#g"><persName ref="nognd">Aeſculapius</persName></hi> (in einer an <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505122">Octavianus Au-<lb/> guſtus</persName> gerichteten Schrift), <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/188283315">Platearius</persName></hi>, <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118828274">Conſtantinus Afri-<lb/> canus</persName></hi> und die <hi rendition="#g">Kyraniden</hi><note place="foot" n="205)"> In Bezug auf die Kyraniden kann auf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/104226773">E. <hi rendition="#g">Meyer</hi></persName>, Geſchichte der Bo-<lb/> tanik, 2. Bd. S. 348, verwieſen werden. Doch iſt die von <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/104226773">Meyer</persName></hi> aufgeſtellte Be-<lb/> hauptung, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575279">Raymundus Lullus</persName> habe das Buch überſetzt, dadurch ohne Weiteres wi-<lb/> derlegt, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName> Cantipratanus es citirt, und zwar wie ich mich überzeugt habe,<lb/> wörtlich in der lateiniſchen Ueberſetzung. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575279">Raymundus Lullus</persName> wurde 1235 geboren,<lb/> während <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName> ſchon 1233 zu ſchreiben oder ſammeln anfieng. Wunderbar iſt es,<lb/> daß <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/104226773">Meyer</persName></hi>, welcher behauptet, die Kyraniden würden zuerſt von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100960928">Simon Januen-<lb/> ſis</persName> citirt, und welcher ſich die Bücher von den Pflanzen aus dem Gothaer Codex<lb/> des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName> abgeſchrieben hat, nicht wenigſtens in den weit umfänglicheren Thier-<lb/> büchern geblättert hat, wo die Kyraniden an dreißigmale vorkommen.</note>. Bei Anführung der letzteren iſt<lb/> es ihm übrigens begegnet, daß er im Eifer des Niederſchreibens die<lb/> erſte Perſon in einer Stelle der Kyraniden nicht durch Aenderung der<lb/> Satzconſtruction beſeitigt hat; es ſcheint daher nun, als habe <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName><lb/> ſelbſt den mit „ich“ eingeführten Verſuch gemacht<note place="foot" n="206"> Beim <hi rendition="#aq">Ydrus serpens fluvialis</hi> ſoll ein heilkräftiger Stein im Kopfe<lb/> enthalten ſein. Um deſſen Kraft zu prüfen, ſagt der Verfaſſer der Kyraniden: <hi rendition="#aq">cir-<lb/> cumcinxi lapidem mulieri hydropicae</hi>. Dieſer Satz erſcheint mit der erſten<lb/> Perſon genau ſo bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName>.</note>.</p><lb/> <p>Eine Frage von nicht geringer Bedeutung für die betreffenden<lb/> Autoren iſt die, ob <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName> von Cantimpré</hi>, welcher gewöhnlich<lb/> als Schüler und in Bezug auf ſeine zoologiſche Schrift als Nachfolger<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Albert</persName>'s des Großen</hi> bezeichnet wird, bei Abfaſſung dieſer Schrift<lb/> die betreffenden Abſchnitte aus dem großen Werke des letzteren nicht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0232]
Das dreizehnte Jahrhundert.
von Vitry, ſpäter Biſchof von Acco, entnommen 203). Auch ein-
zelne Ordensgenoſſen kommen als Gewährsmänner vor, ſo Jorda-
nus und Hugo. Letzterer iſt, wie aus Vergleichung der Stellen
hervorgeht, Hugo de S. Charo (Cardinalis S. Sabinae) 204). Von
mittelalterlichen naturgeſchichtlichen Büchern führt Verfaſſer den Phy-
ſiologus, ein liber physicorum, einen Lapidarius, ein anonymes
Buch, welches er als „Experimentator“ zu citiren vorſchlägt, und ein
liber rerum, gleichfalls unbekannten Verfaſſers, an. Aerztliche Auto-
ren ſind ihm Galen, Aeſculapius (in einer an Octavianus Au-
guſtus gerichteten Schrift), Platearius, Conſtantinus Afri-
canus und die Kyraniden 205). Bei Anführung der letzteren iſt
es ihm übrigens begegnet, daß er im Eifer des Niederſchreibens die
erſte Perſon in einer Stelle der Kyraniden nicht durch Aenderung der
Satzconſtruction beſeitigt hat; es ſcheint daher nun, als habe Thomas
ſelbſt den mit „ich“ eingeführten Verſuch gemacht 206.
Eine Frage von nicht geringer Bedeutung für die betreffenden
Autoren iſt die, ob Thomas von Cantimpré, welcher gewöhnlich
als Schüler und in Bezug auf ſeine zoologiſche Schrift als Nachfolger
Albert's des Großen bezeichnet wird, bei Abfaſſung dieſer Schrift
die betreffenden Abſchnitte aus dem großen Werke des letzteren nicht
203) Abgedruckt in den Gesta Dei per Francos. Hanoviae, 1611. S. 1100
und flgde.
204) Deſſen Opera. Tom. I. Venet. 1732. S. 112.
205) In Bezug auf die Kyraniden kann auf E. Meyer, Geſchichte der Bo-
tanik, 2. Bd. S. 348, verwieſen werden. Doch iſt die von Meyer aufgeſtellte Be-
hauptung, Raymundus Lullus habe das Buch überſetzt, dadurch ohne Weiteres wi-
derlegt, daß Thomas Cantipratanus es citirt, und zwar wie ich mich überzeugt habe,
wörtlich in der lateiniſchen Ueberſetzung. Raymundus Lullus wurde 1235 geboren,
während Thomas ſchon 1233 zu ſchreiben oder ſammeln anfieng. Wunderbar iſt es,
daß Meyer, welcher behauptet, die Kyraniden würden zuerſt von Simon Januen-
ſis citirt, und welcher ſich die Bücher von den Pflanzen aus dem Gothaer Codex
des Thomas abgeſchrieben hat, nicht wenigſtens in den weit umfänglicheren Thier-
büchern geblättert hat, wo die Kyraniden an dreißigmale vorkommen.
206 Beim Ydrus serpens fluvialis ſoll ein heilkräftiger Stein im Kopfe
enthalten ſein. Um deſſen Kraft zu prüfen, ſagt der Verfaſſer der Kyraniden: cir-
cumcinxi lapidem mulieri hydropicae. Dieſer Satz erſcheint mit der erſten
Perſon genau ſo bei Thomas.
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