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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Die Zoologie des Mittelalters.
len, durch Empfehlung ernster classischer Studien, gegen welche indeß
die heimatlichen Landessprachen nicht zurücktreten sollten, das nach
den Stürmen der Völkerwanderung und den Kämpfen im Reich selbst
gesunkene geistige Leben wieder zu heben versucht, so war er es doch
auch, welcher den Keim zur Entwickelung jenes, Jahrhunderte lang das
ganze europäische Abendland geistig und materiell erschütternden
Kampfes zwischen kirchlicher und weltlicher Macht gelegt hat. Die frei-
lich in älteren Ueberlieferungen wurzelnde Ueberzeugung, daß der
deutsche König durch Uebernahme der römischen Kaiserwürde das Haupt
der christlichen Welt werde, hatte zwar so lange nichts Beunruhigendes,
als seine Machtstellung dem Pabste und Klerus gegenüber noch Bürge
seiner unbedingten Selbständigkeit war. Aber schon die Erneuerung
des "heiligen römischen Reiches deutscher Nation" hundert und sechzig
Jahre später durch Otto den Großen, die seiner Krönung vorausgehen-
den und unmittelbar folgenden Ereignisse zeigen, daß die kirchliche
Macht sich nicht damit begnügt hatte, der gesammten Christenheit allein
Glaubenslehren vorzuschreiben, sondern daß sie die pseudoisidorischen
Ideen zu verwirklichen sich anschickte. Ein Jahrhundert später erschien
Heinrich IV büßend und reuig zu den Füßen Gregor VII; und gerade
wieder nach hundert Jahren erkannte Friedrich I, nicht in überwallen-
der Bußfertigkeit, sondern nach ruhiger Ueberlegung auf dem Congresse
in Venedig die Gewalt des Pabstes, damals Alexander III, an. Wie
schon dieser Aufschwung des päbstlichen Ansehens erkennen läßt, daß
gegenüber der weltlichen Macht der Fürsten und Herren die Kirche mit
ihrem Anhang einen entscheidenden Einfluß auf die Gemüther der großen
Masse zu äußern gelernt hatte, so begreift es sich auch leicht, daß Un-
terricht und Bildung nur soweit gedeihen konnten, als der vielfach ver-
weltliche Klerus nicht durch andere Interessen von dem abgezogen
wurde, was über die unmittelbare sogenannte Seelsorge hinaus in gei-
stiger Hinsicht für das Volk zu thun war. Die unter den Ottonen für
kurze Zeit aufflackernde Flamme eines regeren geistigen Lebens erstickte
bald wieder unter den beständigen Kämpfen, die das ganze Abendland
durchwühlten. Und als, wie im Gefühle der Nutzlosigkeit eines gegen-
seitigen Aufreibens, der Gottesfriede zu Stande kam, wurde durch das

Die Zoologie des Mittelalters.
len, durch Empfehlung ernſter claſſiſcher Studien, gegen welche indeß
die heimatlichen Landesſprachen nicht zurücktreten ſollten, das nach
den Stürmen der Völkerwanderung und den Kämpfen im Reich ſelbſt
geſunkene geiſtige Leben wieder zu heben verſucht, ſo war er es doch
auch, welcher den Keim zur Entwickelung jenes, Jahrhunderte lang das
ganze europäiſche Abendland geiſtig und materiell erſchütternden
Kampfes zwiſchen kirchlicher und weltlicher Macht gelegt hat. Die frei-
lich in älteren Ueberlieferungen wurzelnde Ueberzeugung, daß der
deutſche König durch Uebernahme der römiſchen Kaiſerwürde das Haupt
der chriſtlichen Welt werde, hatte zwar ſo lange nichts Beunruhigendes,
als ſeine Machtſtellung dem Pabſte und Klerus gegenüber noch Bürge
ſeiner unbedingten Selbſtändigkeit war. Aber ſchon die Erneuerung
des „heiligen römiſchen Reiches deutſcher Nation“ hundert und ſechzig
Jahre ſpäter durch Otto den Großen, die ſeiner Krönung vorausgehen-
den und unmittelbar folgenden Ereigniſſe zeigen, daß die kirchliche
Macht ſich nicht damit begnügt hatte, der geſammten Chriſtenheit allein
Glaubenslehren vorzuſchreiben, ſondern daß ſie die pſeudoiſidoriſchen
Ideen zu verwirklichen ſich anſchickte. Ein Jahrhundert ſpäter erſchien
Heinrich IV büßend und reuig zu den Füßen Gregor VII; und gerade
wieder nach hundert Jahren erkannte Friedrich I, nicht in überwallen-
der Bußfertigkeit, ſondern nach ruhiger Ueberlegung auf dem Congreſſe
in Venedig die Gewalt des Pabſtes, damals Alexander III, an. Wie
ſchon dieſer Aufſchwung des päbſtlichen Anſehens erkennen läßt, daß
gegenüber der weltlichen Macht der Fürſten und Herren die Kirche mit
ihrem Anhang einen entſcheidenden Einfluß auf die Gemüther der großen
Maſſe zu äußern gelernt hatte, ſo begreift es ſich auch leicht, daß Un-
terricht und Bildung nur ſoweit gedeihen konnten, als der vielfach ver-
weltliche Klerus nicht durch andere Intereſſen von dem abgezogen
wurde, was über die unmittelbare ſogenannte Seelſorge hinaus in gei-
ſtiger Hinſicht für das Volk zu thun war. Die unter den Ottonen für
kurze Zeit aufflackernde Flamme eines regeren geiſtigen Lebens erſtickte
bald wieder unter den beſtändigen Kämpfen, die das ganze Abendland
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[146/0157] Die Zoologie des Mittelalters. len, durch Empfehlung ernſter claſſiſcher Studien, gegen welche indeß die heimatlichen Landesſprachen nicht zurücktreten ſollten, das nach den Stürmen der Völkerwanderung und den Kämpfen im Reich ſelbſt geſunkene geiſtige Leben wieder zu heben verſucht, ſo war er es doch auch, welcher den Keim zur Entwickelung jenes, Jahrhunderte lang das ganze europäiſche Abendland geiſtig und materiell erſchütternden Kampfes zwiſchen kirchlicher und weltlicher Macht gelegt hat. Die frei- lich in älteren Ueberlieferungen wurzelnde Ueberzeugung, daß der deutſche König durch Uebernahme der römiſchen Kaiſerwürde das Haupt der chriſtlichen Welt werde, hatte zwar ſo lange nichts Beunruhigendes, als ſeine Machtſtellung dem Pabſte und Klerus gegenüber noch Bürge ſeiner unbedingten Selbſtändigkeit war. Aber ſchon die Erneuerung des „heiligen römiſchen Reiches deutſcher Nation“ hundert und ſechzig Jahre ſpäter durch Otto den Großen, die ſeiner Krönung vorausgehen- den und unmittelbar folgenden Ereigniſſe zeigen, daß die kirchliche Macht ſich nicht damit begnügt hatte, der geſammten Chriſtenheit allein Glaubenslehren vorzuſchreiben, ſondern daß ſie die pſeudoiſidoriſchen Ideen zu verwirklichen ſich anſchickte. Ein Jahrhundert ſpäter erſchien Heinrich IV büßend und reuig zu den Füßen Gregor VII; und gerade wieder nach hundert Jahren erkannte Friedrich I, nicht in überwallen- der Bußfertigkeit, ſondern nach ruhiger Ueberlegung auf dem Congreſſe in Venedig die Gewalt des Pabſtes, damals Alexander III, an. Wie ſchon dieſer Aufſchwung des päbſtlichen Anſehens erkennen läßt, daß gegenüber der weltlichen Macht der Fürſten und Herren die Kirche mit ihrem Anhang einen entſcheidenden Einfluß auf die Gemüther der großen Maſſe zu äußern gelernt hatte, ſo begreift es ſich auch leicht, daß Un- terricht und Bildung nur ſoweit gedeihen konnten, als der vielfach ver- weltliche Klerus nicht durch andere Intereſſen von dem abgezogen wurde, was über die unmittelbare ſogenannte Seelſorge hinaus in gei- ſtiger Hinſicht für das Volk zu thun war. Die unter den Ottonen für kurze Zeit aufflackernde Flamme eines regeren geiſtigen Lebens erſtickte bald wieder unter den beſtändigen Kämpfen, die das ganze Abendland durchwühlten. Und als, wie im Gefühle der Nutzloſigkeit eines gegen- ſeitigen Aufreibens, der Gottesfriede zu Stande kam, wurde durch das

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/157>, abgerufen am 03.12.2024.