alexandrinischen Bibelübersetzung vor; z. B. Psalm 102, 7 (Luther: Rohrdommel)57).
Daß der Phönix tausend Jahre und länger lebe (weil er nicht vom Baume der Erkenntniß gegessen habe), führen schon alte Commen- tatoren zur Genesis an (s. Bochart) und bringen damit die Stelle Hiob 29, 18 in Verbindung. Die bekannte Sage von ihm findet sich bereits bei Herodot (2, 73), welcher indeß die Verbrennung nicht er- wähnt. Nach ihm erzählt sie Plinius (10, 2), welcher aber an einer andern Stelle (29, 29) seiner Asche gedenkt. Wichtig ist für die Ent- stehungsgeschichte des Physiologus, daß auch hier in allen älteren Bearbeitungen der Name des Monats, in welchem der Phönix in sein Nest kommt um sich zu verbrennen, der koptische ist, und zwar wie beim Onager Faminoth.
In Bezug auf das Rebhuhn gab Jeremias 17, 11 die Anknü- pfung. Die Erzählung, daß das Rebhuhn fremde Eier ausbrüte und dann von den Jungen verlassen wird, gründet sich wohl auf die Beob- achtung, daß manche Vögel fremde Eier brüten, besonders wenn das Nest, wie hier, am Boden liegt. Die etwas ausgeschmückte Verwen- dung solcher Erzählungen, wie sie Antigonus Carystius, Cap. 45, gibt, ist ziemlich deutlich.
Der Wiedehopf steht im Physiologus als erläuterndes Bei- spiel des vierten Gebotes (2. Mose 20, 12). Seine Liebe zu den Eltern wird von Aelian (hist. anim. 10, 16) und ausführlicher Horapollo (1, 55 ed. Leemans, p. 54) erzählt.
57) Im althochdeutschen Physiologus ist Pelikan mit Sisegoum übersetzt. Bei Psalm 102, 7 wird pelekan für qt gegeben, welches neuere hebräische Ueber- setzer oder Exegeten mit tnshmt erklären. Dies letztere Tinsemeth ist Ardea stella- ris, aber auch das Chamaeleon (Bochart). Es scheint also auch unter qt ein Vo- gel verstanden worden zu sein, der neben andern Eigenthümlichkeiten auch durch die Farbe Aufmerksamkeit erregte. Nun wird 2. Mose 26, 14 und 29, 34 vorge- schrieben, dem Tabernakel Hüllen von Widderfellen, über diese eine zweite zu geben, welche die LXX dermata uakintina, die syrische Peschito "pelles arietum sos- ganno" nennen. Ist es möglich den althochdeutschen Ausdruck mit diesem syrischen Worte historisch-traditionell zu verknüpfen? Die Etymologie des Sisegoum ist sehr unsicher.
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Phyſiologus.
alexandriniſchen Bibelüberſetzung vor; z. B. Pſalm 102, 7 (Luther: Rohrdommel)57).
Daß der Phönix tauſend Jahre und länger lebe (weil er nicht vom Baume der Erkenntniß gegeſſen habe), führen ſchon alte Commen- tatoren zur Geneſis an (ſ. Bochart) und bringen damit die Stelle Hiob 29, 18 in Verbindung. Die bekannte Sage von ihm findet ſich bereits bei Herodot (2, 73), welcher indeß die Verbrennung nicht er- wähnt. Nach ihm erzählt ſie Plinius (10, 2), welcher aber an einer andern Stelle (29, 29) ſeiner Aſche gedenkt. Wichtig iſt für die Ent- ſtehungsgeſchichte des Phyſiologus, daß auch hier in allen älteren Bearbeitungen der Name des Monats, in welchem der Phönix in ſein Neſt kommt um ſich zu verbrennen, der koptiſche iſt, und zwar wie beim Onager Faminoth.
In Bezug auf das Rebhuhn gab Jeremias 17, 11 die Anknü- pfung. Die Erzählung, daß das Rebhuhn fremde Eier ausbrüte und dann von den Jungen verlaſſen wird, gründet ſich wohl auf die Beob- achtung, daß manche Vögel fremde Eier brüten, beſonders wenn das Neſt, wie hier, am Boden liegt. Die etwas ausgeſchmückte Verwen- dung ſolcher Erzählungen, wie ſie Antigonus Caryſtius, Cap. 45, gibt, iſt ziemlich deutlich.
Der Wiedehopf ſteht im Phyſiologus als erläuterndes Bei- ſpiel des vierten Gebotes (2. Moſe 20, 12). Seine Liebe zu den Eltern wird von Aelian (hist. anim. 10, 16) und ausführlicher Horapollo (1, 55 ed. Leemans, p. 54) erzählt.
57) Im althochdeutſchen Phyſiologus iſt Pelikan mit Siſegoum überſetzt. Bei Pſalm 102, 7 wird πελεκάν für קאת gegeben, welches neuere hebräiſche Ueber- ſetzer oder Exegeten mit תנשמת erklären. Dies letztere Tinſemeth iſt Ardea stella- ris, aber auch das Chamaeleon (Bochart). Es ſcheint alſo auch unter קאת ein Vo- gel verſtanden worden zu ſein, der neben andern Eigenthümlichkeiten auch durch die Farbe Aufmerkſamkeit erregte. Nun wird 2. Moſe 26, 14 und 29, 34 vorge- ſchrieben, dem Tabernakel Hüllen von Widderfellen, über dieſe eine zweite zu geben, welche die LXX δέρματα ὑακίντινα, die ſyriſche Peſchito „pelles arietum sos- ganno“ nennen. Iſt es möglich den althochdeutſchen Ausdruck mit dieſem ſyriſchen Worte hiſtoriſch-traditionell zu verknüpfen? Die Etymologie des Siſegoum iſt ſehr unſicher.
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Phyſiologus.
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Rohrdommel) 57).
Daß der Phönix tauſend Jahre und länger lebe (weil er nicht
vom Baume der Erkenntniß gegeſſen habe), führen ſchon alte Commen-
tatoren zur Geneſis an (ſ. Bochart) und bringen damit die Stelle
Hiob 29, 18 in Verbindung. Die bekannte Sage von ihm findet ſich
bereits bei Herodot (2, 73), welcher indeß die Verbrennung nicht er-
wähnt. Nach ihm erzählt ſie Plinius (10, 2), welcher aber an einer
andern Stelle (29, 29) ſeiner Aſche gedenkt. Wichtig iſt für die Ent-
ſtehungsgeſchichte des Phyſiologus, daß auch hier in allen älteren
Bearbeitungen der Name des Monats, in welchem der Phönix in ſein
Neſt kommt um ſich zu verbrennen, der koptiſche iſt, und zwar wie
beim Onager Faminoth.
In Bezug auf das Rebhuhn gab Jeremias 17, 11 die Anknü-
pfung. Die Erzählung, daß das Rebhuhn fremde Eier ausbrüte und
dann von den Jungen verlaſſen wird, gründet ſich wohl auf die Beob-
achtung, daß manche Vögel fremde Eier brüten, beſonders wenn das
Neſt, wie hier, am Boden liegt. Die etwas ausgeſchmückte Verwen-
dung ſolcher Erzählungen, wie ſie Antigonus Caryſtius, Cap. 45, gibt,
iſt ziemlich deutlich.
Der Wiedehopf ſteht im Phyſiologus als erläuterndes Bei-
ſpiel des vierten Gebotes (2. Moſe 20, 12). Seine Liebe zu den Eltern
wird von Aelian (hist. anim. 10, 16) und ausführlicher Horapollo
(1, 55 ed. Leemans, p. 54) erzählt.
57) Im althochdeutſchen Phyſiologus iſt Pelikan mit Siſegoum überſetzt. Bei
Pſalm 102, 7 wird πελεκάν für קאת gegeben, welches neuere hebräiſche Ueber-
ſetzer oder Exegeten mit תנשמת erklären. Dies letztere Tinſemeth iſt Ardea stella-
ris, aber auch das Chamaeleon (Bochart). Es ſcheint alſo auch unter קאת ein Vo-
gel verſtanden worden zu ſein, der neben andern Eigenthümlichkeiten auch durch
die Farbe Aufmerkſamkeit erregte. Nun wird 2. Moſe 26, 14 und 29, 34 vorge-
ſchrieben, dem Tabernakel Hüllen von Widderfellen, über dieſe eine zweite zu geben,
welche die LXX δέρματα ὑακίντινα, die ſyriſche Peſchito „pelles arietum sos-
ganno“ nennen. Iſt es möglich den althochdeutſchen Ausdruck mit dieſem ſyriſchen
Worte hiſtoriſch-traditionell zu verknüpfen? Die Etymologie des Siſegoum iſt
ſehr unſicher.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/142>, abgerufen am 01.07.2024.
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