müssen, so hört doch von jenem Zeitraum an die weitere Verbreitung in seiner ursprünglichen Form auf, um andern Darstellungen Platz zu machen.
Der Titel der Schrift schließt sich zunächst an den öfter wieder- kehrenden Gebrauch an, die Stellung oder den Beruf des bekannten oder unbekannten Verfassers, gewissermaßen die personificirte Aufgabe desselben als Bezeichnung des Buches zu geben. Nach der classischen Bedeutung des Wortes würde hier also eine Erklärung des Wesens der Natur überhaupt zu suchen gewesen sein. Es stimmt nun allerdings hiermit überein, daß sich in den Physiologen des Mittelalters häufig noch gewisse Steine, einzeln auch Bäume, aufgezählt finden. Doch tritt, wie sich bald zeigen wird, abgesehen von einer Beschränkung des Inhalts auf eine Anzahl Thiere, die rein naturhistorische Seite sehr bald mehr oder weniger in den Hintergrund. Selbst jene, der "Physio- logie" in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung gestellte Aufgabe schwand, nicht bloß die antiken Götter- und Heldengeschichten, sondern selbst biblische Wunder naturgemäß zu erklären. Noch Epi- phanius nannte seine sofort zu erwähnende, ihm aber nur mit Un- recht zugeschriebene Schrift in richtigerer Weise "ad physiologum"; spätere Bearbeitungen lassen aber das was hier ausdrücklich als Zu- that bezeichnet wird, mit dem eigentlichen und wahrscheinlich alten Text ganz verschmelzen und behalten den Titel für das nun aus zwei besonders zu betrachtenden Abschnitten bestehende Werk bei. Nun läßt sich zwar in Bezug auf die hiermit eintretende Erweiterung des Na- mens Physiologus im Allgemeinen etwa anführen, daß man, wie auch sonst in verschiedener Weise geschah, der Naturschilderung eine entspre- chende Betrachtung angehängt habe, welche als zum Gegenstand gehörig mit zur "Physiologie" zu rechnen gewesen sei. Für die Vereinigung der letztern und zwar einer besonderen religiösen Betrachtung mit einer naturhistorischen Darstellung zum Begriffe einer gewissermaßen christ- lichen Physiologie gibt es aber directe Zeugnisse. So sagt Clemens Alexandrinus ausdrücklich, daß die Physiologie, welche auf die Regeln der Wahrheit sich gründet, mit der Erzählung der ursprünglichen Er-
Die Zoologie des Mittelalters.
müſſen, ſo hört doch von jenem Zeitraum an die weitere Verbreitung in ſeiner urſprünglichen Form auf, um andern Darſtellungen Platz zu machen.
Der Titel der Schrift ſchließt ſich zunächſt an den öfter wieder- kehrenden Gebrauch an, die Stellung oder den Beruf des bekannten oder unbekannten Verfaſſers, gewiſſermaßen die perſonificirte Aufgabe deſſelben als Bezeichnung des Buches zu geben. Nach der claſſiſchen Bedeutung des Wortes würde hier alſo eine Erklärung des Weſens der Natur überhaupt zu ſuchen geweſen ſein. Es ſtimmt nun allerdings hiermit überein, daß ſich in den Phyſiologen des Mittelalters häufig noch gewiſſe Steine, einzeln auch Bäume, aufgezählt finden. Doch tritt, wie ſich bald zeigen wird, abgeſehen von einer Beſchränkung des Inhalts auf eine Anzahl Thiere, die rein naturhiſtoriſche Seite ſehr bald mehr oder weniger in den Hintergrund. Selbſt jene, der „Phyſio- logie“ in den erſten Jahrhunderten der chriſtlichen Zeitrechnung geſtellte Aufgabe ſchwand, nicht bloß die antiken Götter- und Heldengeſchichten, ſondern ſelbſt bibliſche Wunder naturgemäß zu erklären. Noch Epi- phanius nannte ſeine ſofort zu erwähnende, ihm aber nur mit Un- recht zugeſchriebene Schrift in richtigerer Weiſe „ad physiologum“; ſpätere Bearbeitungen laſſen aber das was hier ausdrücklich als Zu- that bezeichnet wird, mit dem eigentlichen und wahrſcheinlich alten Text ganz verſchmelzen und behalten den Titel für das nun aus zwei beſonders zu betrachtenden Abſchnitten beſtehende Werk bei. Nun läßt ſich zwar in Bezug auf die hiermit eintretende Erweiterung des Na- mens Phyſiologus im Allgemeinen etwa anführen, daß man, wie auch ſonſt in verſchiedener Weiſe geſchah, der Naturſchilderung eine entſpre- chende Betrachtung angehängt habe, welche als zum Gegenſtand gehörig mit zur „Phyſiologie“ zu rechnen geweſen ſei. Für die Vereinigung der letztern und zwar einer beſonderen religiöſen Betrachtung mit einer naturhiſtoriſchen Darſtellung zum Begriffe einer gewiſſermaßen chriſt- lichen Phyſiologie gibt es aber directe Zeugniſſe. So ſagt Clemens Alexandrinus ausdrücklich, daß die Phyſiologie, welche auf die Regeln der Wahrheit ſich gründet, mit der Erzählung der urſprünglichen Er-
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[110/0121]
Die Zoologie des Mittelalters.
müſſen, ſo hört doch von jenem Zeitraum an die weitere Verbreitung
in ſeiner urſprünglichen Form auf, um andern Darſtellungen Platz zu
machen.
Der Titel der Schrift ſchließt ſich zunächſt an den öfter wieder-
kehrenden Gebrauch an, die Stellung oder den Beruf des bekannten
oder unbekannten Verfaſſers, gewiſſermaßen die perſonificirte Aufgabe
deſſelben als Bezeichnung des Buches zu geben. Nach der claſſiſchen
Bedeutung des Wortes würde hier alſo eine Erklärung des Weſens der
Natur überhaupt zu ſuchen geweſen ſein. Es ſtimmt nun allerdings
hiermit überein, daß ſich in den Phyſiologen des Mittelalters häufig
noch gewiſſe Steine, einzeln auch Bäume, aufgezählt finden. Doch
tritt, wie ſich bald zeigen wird, abgeſehen von einer Beſchränkung des
Inhalts auf eine Anzahl Thiere, die rein naturhiſtoriſche Seite ſehr
bald mehr oder weniger in den Hintergrund. Selbſt jene, der „Phyſio-
logie“ in den erſten Jahrhunderten der chriſtlichen Zeitrechnung geſtellte
Aufgabe ſchwand, nicht bloß die antiken Götter- und Heldengeſchichten,
ſondern ſelbſt bibliſche Wunder naturgemäß zu erklären. Noch Epi-
phanius nannte ſeine ſofort zu erwähnende, ihm aber nur mit Un-
recht zugeſchriebene Schrift in richtigerer Weiſe „ad physiologum“;
ſpätere Bearbeitungen laſſen aber das was hier ausdrücklich als Zu-
that bezeichnet wird, mit dem eigentlichen und wahrſcheinlich alten
Text ganz verſchmelzen und behalten den Titel für das nun aus zwei
beſonders zu betrachtenden Abſchnitten beſtehende Werk bei. Nun läßt
ſich zwar in Bezug auf die hiermit eintretende Erweiterung des Na-
mens Phyſiologus im Allgemeinen etwa anführen, daß man, wie auch
ſonſt in verſchiedener Weiſe geſchah, der Naturſchilderung eine entſpre-
chende Betrachtung angehängt habe, welche als zum Gegenſtand gehörig
mit zur „Phyſiologie“ zu rechnen geweſen ſei. Für die Vereinigung
der letztern und zwar einer beſonderen religiöſen Betrachtung mit einer
naturhiſtoriſchen Darſtellung zum Begriffe einer gewiſſermaßen chriſt-
lichen Phyſiologie gibt es aber directe Zeugniſſe. So ſagt Clemens
Alexandrinus ausdrücklich, daß die Phyſiologie, welche auf die Regeln
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/121>, abgerufen am 22.11.2024.
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