Vorstellungen gegenständlich wird. Die Gallenabsonderung, die Giftbildung nämlich, sind wirklich im Unbewußten das Gleichnamige, von dem was im Bewußten der Zorn ist, und wird die zornmüthige Vorstellung erregt, so ruft dies in dem Unbewußten auch unmittelbar jene Absonderungen hervor. Eben so ist es mit der Empfindung des pikanten Geschmacks, wodurch unmittelbar diejenigen Absonderungen aufgerufen werden, welche jene Schärfen allein zu neutrali¬ siren im Stande sind. Es geht dies dann nothwendig weiter; die wirkliche Geschmacksempfindung mag nämlich auch wohl noch gar nicht vorhanden sein, wir brauchen nur die Vorstellung davon aufzuregen, -- und sofort, eben weil diese Vorstellung ganz genau verbunden ist mit dem unbewußten Leben jener Absonderung, so ist auch so¬ fort die Function des Absonderns da, so bald die Vor¬ stellung erwacht. Eben so können nun auch umgekehrt diese Regungen im Bewußtlosen anheben und auf das Bewußt¬ sein reflectirend, in gewissen gleichnamigen Vorstellungen, gleichsam verklärt wieder erscheinen. So wirkt z. B. eine den Schlafenden afficirende, durch Kohlendunst verdorbene Atmosphäre, hemmend auf den Athmungsvorgang der Lun¬ gen, und unmittelbar steigen im träumenden Bewußtsein des Schlafenden ängstliche Vorstellungen auf, von Unge¬ heuern, die sich erstickend auf die Brust legen u. s. w. Eben so sind auch die sämmtlichen, gewöhnlich ausschließend psychisch genannten Wirkungen der Medicamente (d. h. solche, welche wie Opium, Hyoscyamus u. dergl. die be¬ wußte Sphäre des Seelenlebens afficiren) nur auf diese Weise verständlich; sie erregen nämlich im Bewußtlosen eine Umstimmung, welche der gleich ist, die durch gewisse be¬ wußte psychische Zustände ihrerseits wieder im Unbewußten hervorgerufen werden kann, und auf umgekehrtem Wege also ruft nun das Medicament durch primäre Affection des Bewußtlosen, secundär und polarisch die Aenderung im Be¬ wußtlosen hervor. Wir wissen nämlich, daß z. B. das
Vorſtellungen gegenſtändlich wird. Die Gallenabſonderung, die Giftbildung nämlich, ſind wirklich im Unbewußten das Gleichnamige, von dem was im Bewußten der Zorn iſt, und wird die zornmüthige Vorſtellung erregt, ſo ruft dies in dem Unbewußten auch unmittelbar jene Abſonderungen hervor. Eben ſo iſt es mit der Empfindung des pikanten Geſchmacks, wodurch unmittelbar diejenigen Abſonderungen aufgerufen werden, welche jene Schärfen allein zu neutrali¬ ſiren im Stande ſind. Es geht dies dann nothwendig weiter; die wirkliche Geſchmacksempfindung mag nämlich auch wohl noch gar nicht vorhanden ſein, wir brauchen nur die Vorſtellung davon aufzuregen, — und ſofort, eben weil dieſe Vorſtellung ganz genau verbunden iſt mit dem unbewußten Leben jener Abſonderung, ſo iſt auch ſo¬ fort die Function des Abſonderns da, ſo bald die Vor¬ ſtellung erwacht. Eben ſo können nun auch umgekehrt dieſe Regungen im Bewußtloſen anheben und auf das Bewußt¬ ſein reflectirend, in gewiſſen gleichnamigen Vorſtellungen, gleichſam verklärt wieder erſcheinen. So wirkt z. B. eine den Schlafenden afficirende, durch Kohlendunſt verdorbene Atmoſphäre, hemmend auf den Athmungsvorgang der Lun¬ gen, und unmittelbar ſteigen im träumenden Bewußtſein des Schlafenden ängſtliche Vorſtellungen auf, von Unge¬ heuern, die ſich erſtickend auf die Bruſt legen u. ſ. w. Eben ſo ſind auch die ſämmtlichen, gewöhnlich ausſchließend pſychiſch genannten Wirkungen der Medicamente (d. h. ſolche, welche wie Opium, Hyoscyamus u. dergl. die be¬ wußte Sphäre des Seelenlebens afficiren) nur auf dieſe Weiſe verſtändlich; ſie erregen nämlich im Bewußtloſen eine Umſtimmung, welche der gleich iſt, die durch gewiſſe be¬ wußte pſychiſche Zuſtände ihrerſeits wieder im Unbewußten hervorgerufen werden kann, und auf umgekehrtem Wege alſo ruft nun das Medicament durch primäre Affection des Bewußtloſen, ſecundär und polariſch die Aenderung im Be¬ wußtloſen hervor. Wir wiſſen nämlich, daß z. B. das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0095"n="79"/>
Vorſtellungen gegenſtändlich wird. Die Gallenabſonderung,<lb/>
die Giftbildung nämlich, ſind wirklich im Unbewußten das<lb/>
Gleichnamige, von <hirendition="#g">dem</hi> was im Bewußten der Zorn iſt,<lb/>
und wird die zornmüthige Vorſtellung erregt, ſo ruft dies<lb/>
in dem Unbewußten auch unmittelbar jene Abſonderungen<lb/>
hervor. Eben ſo iſt es mit der Empfindung des pikanten<lb/>
Geſchmacks, wodurch unmittelbar diejenigen Abſonderungen<lb/>
aufgerufen werden, welche jene Schärfen allein zu neutrali¬<lb/>ſiren im Stande ſind. Es geht dies dann nothwendig<lb/>
weiter; die wirkliche Geſchmacksempfindung mag nämlich<lb/>
auch wohl noch gar nicht vorhanden ſein, wir brauchen nur<lb/>
die Vorſtellung davon aufzuregen, — und ſofort, eben<lb/>
weil dieſe Vorſtellung ganz genau verbunden iſt mit dem<lb/>
unbewußten Leben jener Abſonderung, ſo iſt auch ſo¬<lb/>
fort die Function des Abſonderns da, ſo bald die Vor¬<lb/>ſtellung erwacht. Eben ſo können nun auch umgekehrt dieſe<lb/>
Regungen im Bewußtloſen anheben und auf das Bewußt¬<lb/>ſein reflectirend, in gewiſſen gleichnamigen Vorſtellungen,<lb/>
gleichſam verklärt wieder erſcheinen. So wirkt z. B. eine<lb/>
den Schlafenden afficirende, durch Kohlendunſt verdorbene<lb/>
Atmoſphäre, hemmend auf den Athmungsvorgang der Lun¬<lb/>
gen, und unmittelbar ſteigen im träumenden Bewußtſein<lb/>
des Schlafenden ängſtliche Vorſtellungen auf, von Unge¬<lb/>
heuern, die ſich erſtickend auf die Bruſt legen u. ſ. w.<lb/>
Eben ſo ſind auch die ſämmtlichen, gewöhnlich ausſchließend<lb/>
pſychiſch genannten Wirkungen der Medicamente (d. h.<lb/>ſolche, welche wie Opium, Hyoscyamus u. dergl. die be¬<lb/>
wußte Sphäre des Seelenlebens afficiren) nur auf dieſe<lb/>
Weiſe verſtändlich; ſie erregen nämlich im Bewußtloſen eine<lb/>
Umſtimmung, welche <hirendition="#g">der</hi> gleich iſt, die durch gewiſſe be¬<lb/>
wußte pſychiſche Zuſtände ihrerſeits wieder im Unbewußten<lb/>
hervorgerufen werden kann, und auf umgekehrtem Wege<lb/>
alſo ruft nun das Medicament durch primäre Affection des<lb/>
Bewußtloſen, ſecundär und polariſch die Aenderung im Be¬<lb/>
wußtloſen hervor. Wir wiſſen nämlich, daß z. B. das<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[79/0095]
Vorſtellungen gegenſtändlich wird. Die Gallenabſonderung,
die Giftbildung nämlich, ſind wirklich im Unbewußten das
Gleichnamige, von dem was im Bewußten der Zorn iſt,
und wird die zornmüthige Vorſtellung erregt, ſo ruft dies
in dem Unbewußten auch unmittelbar jene Abſonderungen
hervor. Eben ſo iſt es mit der Empfindung des pikanten
Geſchmacks, wodurch unmittelbar diejenigen Abſonderungen
aufgerufen werden, welche jene Schärfen allein zu neutrali¬
ſiren im Stande ſind. Es geht dies dann nothwendig
weiter; die wirkliche Geſchmacksempfindung mag nämlich
auch wohl noch gar nicht vorhanden ſein, wir brauchen nur
die Vorſtellung davon aufzuregen, — und ſofort, eben
weil dieſe Vorſtellung ganz genau verbunden iſt mit dem
unbewußten Leben jener Abſonderung, ſo iſt auch ſo¬
fort die Function des Abſonderns da, ſo bald die Vor¬
ſtellung erwacht. Eben ſo können nun auch umgekehrt dieſe
Regungen im Bewußtloſen anheben und auf das Bewußt¬
ſein reflectirend, in gewiſſen gleichnamigen Vorſtellungen,
gleichſam verklärt wieder erſcheinen. So wirkt z. B. eine
den Schlafenden afficirende, durch Kohlendunſt verdorbene
Atmoſphäre, hemmend auf den Athmungsvorgang der Lun¬
gen, und unmittelbar ſteigen im träumenden Bewußtſein
des Schlafenden ängſtliche Vorſtellungen auf, von Unge¬
heuern, die ſich erſtickend auf die Bruſt legen u. ſ. w.
Eben ſo ſind auch die ſämmtlichen, gewöhnlich ausſchließend
pſychiſch genannten Wirkungen der Medicamente (d. h.
ſolche, welche wie Opium, Hyoscyamus u. dergl. die be¬
wußte Sphäre des Seelenlebens afficiren) nur auf dieſe
Weiſe verſtändlich; ſie erregen nämlich im Bewußtloſen eine
Umſtimmung, welche der gleich iſt, die durch gewiſſe be¬
wußte pſychiſche Zuſtände ihrerſeits wieder im Unbewußten
hervorgerufen werden kann, und auf umgekehrtem Wege
alſo ruft nun das Medicament durch primäre Affection des
Bewußtloſen, ſecundär und polariſch die Aenderung im Be¬
wußtloſen hervor. Wir wiſſen nämlich, daß z. B. das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/95>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.