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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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ren, unedleren Ausdruck zu geben, die Züge werden sich
dem Thierischen immer mehr zuneigen, ja die festesten Ge¬
bilde -- wie das Skeleton -- werden einen fremdartigen
Charakter erhalten.

Ich denke, man kann diesen Betrachtungen unmöglich
mit Aufmerksamkeit nachgehen ohne sich zu überzeugen, daß
der hier eingeschlagene Weg, d. h. die Art, stets den Be¬
ziehungen zwischen Bewußtem und Unbewußtem in der Ein¬
heit der Seele nachzugehen, allein uns zu einem tiefern
Verständniß des gesammten Seelenlebens bringen kann.
Vielfältige Erscheinungen, welche außerdem uns durchaus
unverständlich bleiben müßten, werden auf diese Weise uns
klar und vollkommen faßlich, besonders aber wird die Art,
wie auch Vorstellungen, d. h. Regungen des bewußten See¬
lenlebens auf Bildungsvorgänge, d. h. auf Umstimmungen
des bewußtlosen Seelenlebens, einwirken können, und
umgekehrt Bildungsverhältnisse auf Vorstellung stets wirken
werden, hieraus allein verständlich. Wir erläutern auch
dies sogleich durch einige Beispiele. So ist es eine be¬
kannte Erfahrung, daß nicht bloß die Empfindung, son¬
dern schon die lebhafte Vorstellung bekannter Flüssig¬
keiten, des Citronensaftes etwa, eine vermehrte Absonde¬
rung der Speichelflüssigkeit eben so bestimmt hervorruft,
wie andererseits irgend ein Gegenstand des Zorns fast
augenblicklich Gallenergießung bewirkt, dergestalt, daß
dann selbst andere milde Absonderungen, z. B. bei Stil¬
lenden die Milch, sofort auf diese Weise eine scharfe, selbst
giftige Eigenschaft annehmen können. In beiden Fällen er¬
folgen diese Umänderungen in der genannten Absonderung
allerdings ganz unbewußt, aber doch immer nur deßhalb
weil bewußtes und unbewußtes Seelenleben zuletzt immer
wesentlich eins bleiben, und weil eben jene, die Verände¬
rung der Absonderung bewirkende Umstimmung des unbe¬
wußten Bildungslebens, ganz das Gleichnamige ist
von dem was eben im Bewußtsein unter der Form jener

ren, unedleren Ausdruck zu geben, die Züge werden ſich
dem Thieriſchen immer mehr zuneigen, ja die feſteſten Ge¬
bilde — wie das Skeleton — werden einen fremdartigen
Charakter erhalten.

Ich denke, man kann dieſen Betrachtungen unmöglich
mit Aufmerkſamkeit nachgehen ohne ſich zu überzeugen, daß
der hier eingeſchlagene Weg, d. h. die Art, ſtets den Be¬
ziehungen zwiſchen Bewußtem und Unbewußtem in der Ein¬
heit der Seele nachzugehen, allein uns zu einem tiefern
Verſtändniß des geſammten Seelenlebens bringen kann.
Vielfältige Erſcheinungen, welche außerdem uns durchaus
unverſtändlich bleiben müßten, werden auf dieſe Weiſe uns
klar und vollkommen faßlich, beſonders aber wird die Art,
wie auch Vorſtellungen, d. h. Regungen des bewußten See¬
lenlebens auf Bildungsvorgänge, d. h. auf Umſtimmungen
des bewußtloſen Seelenlebens, einwirken können, und
umgekehrt Bildungsverhältniſſe auf Vorſtellung ſtets wirken
werden, hieraus allein verſtändlich. Wir erläutern auch
dies ſogleich durch einige Beiſpiele. So iſt es eine be¬
kannte Erfahrung, daß nicht bloß die Empfindung, ſon¬
dern ſchon die lebhafte Vorſtellung bekannter Flüſſig¬
keiten, des Citronenſaftes etwa, eine vermehrte Abſonde¬
rung der Speichelflüſſigkeit eben ſo beſtimmt hervorruft,
wie andererſeits irgend ein Gegenſtand des Zorns faſt
augenblicklich Gallenergießung bewirkt, dergeſtalt, daß
dann ſelbſt andere milde Abſonderungen, z. B. bei Stil¬
lenden die Milch, ſofort auf dieſe Weiſe eine ſcharfe, ſelbſt
giftige Eigenſchaft annehmen können. In beiden Fällen er¬
folgen dieſe Umänderungen in der genannten Abſonderung
allerdings ganz unbewußt, aber doch immer nur deßhalb
weil bewußtes und unbewußtes Seelenleben zuletzt immer
weſentlich eins bleiben, und weil eben jene, die Verände¬
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[78/0094] ren, unedleren Ausdruck zu geben, die Züge werden ſich dem Thieriſchen immer mehr zuneigen, ja die feſteſten Ge¬ bilde — wie das Skeleton — werden einen fremdartigen Charakter erhalten. Ich denke, man kann dieſen Betrachtungen unmöglich mit Aufmerkſamkeit nachgehen ohne ſich zu überzeugen, daß der hier eingeſchlagene Weg, d. h. die Art, ſtets den Be¬ ziehungen zwiſchen Bewußtem und Unbewußtem in der Ein¬ heit der Seele nachzugehen, allein uns zu einem tiefern Verſtändniß des geſammten Seelenlebens bringen kann. Vielfältige Erſcheinungen, welche außerdem uns durchaus unverſtändlich bleiben müßten, werden auf dieſe Weiſe uns klar und vollkommen faßlich, beſonders aber wird die Art, wie auch Vorſtellungen, d. h. Regungen des bewußten See¬ lenlebens auf Bildungsvorgänge, d. h. auf Umſtimmungen des bewußtloſen Seelenlebens, einwirken können, und umgekehrt Bildungsverhältniſſe auf Vorſtellung ſtets wirken werden, hieraus allein verſtändlich. Wir erläutern auch dies ſogleich durch einige Beiſpiele. So iſt es eine be¬ kannte Erfahrung, daß nicht bloß die Empfindung, ſon¬ dern ſchon die lebhafte Vorſtellung bekannter Flüſſig¬ keiten, des Citronenſaftes etwa, eine vermehrte Abſonde¬ rung der Speichelflüſſigkeit eben ſo beſtimmt hervorruft, wie andererſeits irgend ein Gegenſtand des Zorns faſt augenblicklich Gallenergießung bewirkt, dergeſtalt, daß dann ſelbſt andere milde Abſonderungen, z. B. bei Stil¬ lenden die Milch, ſofort auf dieſe Weiſe eine ſcharfe, ſelbſt giftige Eigenſchaft annehmen können. In beiden Fällen er¬ folgen dieſe Umänderungen in der genannten Abſonderung allerdings ganz unbewußt, aber doch immer nur deßhalb weil bewußtes und unbewußtes Seelenleben zuletzt immer weſentlich eins bleiben, und weil eben jene, die Verände¬ rung der Abſonderung bewirkende Umſtimmung des unbe¬ wußten Bildungslebens, ganz das Gleichnamige iſt von dem was eben im Bewußtſein unter der Form jener

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/94>, abgerufen am 23.11.2024.