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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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was ich oben die bewußtlose Erinnerung des Or¬
ganismus von seiner Vergangenheit
, und die
eben so bewußtlose Voraussicht seiner Zukunft
nannte, kein bestimmtes Wort besitzen, und ein solches um
so mehr uns zu bilden suchen müssen, damit späterhin es
leichter werde darzulegen, wie im bewußten Dasein aus
diesen Vermögen so vieles Andere sich entwickelt und aus
dem Bewußtlosen
allmählig sich weiter als Bewußtes
hervorbildet. Es ist nun ganz interessant wahrzunehmen, daß
von diesen prometheischen und epimetheischen Gefühlen, deren
Wesentlichkeit für den ganzen Bildungsproceß eines Organis¬
mus ich oben bereits erörtert habe, auch allein für das erstere,
weil es überhaupt im Menschen nie vollständig zum Bewußtsein
kommt, sondern stets in seiner eigenthümlichen Dunkelheit
besteht, sich eine einigermaßen bestimmte Bezeichnung, näm¬
lich das Wort: "Ahnung", "Vorahnen" allerdings
längst vorgefunden hat (obwohl auch dies immer noch ein
gewisses Bewußtsein vom Künftigen bezeichnet), dahingegen
das letztere, welches wir deutlicher in seiner bewußten
Form (der Erinnerung) kennen, welches aber in seiner
bewußtlosen Form früher nie beachtet worden ist, einer
besondern Benennung ganz entbehrt. Soll daher auch hier
eine eigene Wortbildung eintreten, so würde die Sprach¬
form "Innerung" für das bewußtlose Erfühlen des
Vergangenen, so wie "Ahnung" für das bewußtlose
Vor-Erfühlen des Kommenden, gewiß die zweckmäßigste
sein, und ich bemerke daher hier ein für alle mal, daß Er¬
fühlung
, Innerung, Ahnung in diesem Maße und
zum Unterschiede von Empfindung, Erinnerung und
Voraussehen oder Vorahnen, in gegenwärtigen Be¬
trachtungen immer wo es die Gelegenheit ergibt, so ge¬
braucht werden sollen.

Weitergehend in der Erwägung der Gliederung des
Organismus in seine besonderen Systeme und deren be¬
sondere Erfühlungen, stellt sich uns jetzt das System der

was ich oben die bewußtloſe Erinnerung des Or¬
ganismus von ſeiner Vergangenheit
, und die
eben ſo bewußtloſe Vorausſicht ſeiner Zukunft
nannte, kein beſtimmtes Wort beſitzen, und ein ſolches um
ſo mehr uns zu bilden ſuchen müſſen, damit ſpäterhin es
leichter werde darzulegen, wie im bewußten Daſein aus
dieſen Vermögen ſo vieles Andere ſich entwickelt und aus
dem Bewußtloſen
allmählig ſich weiter als Bewußtes
hervorbildet. Es iſt nun ganz intereſſant wahrzunehmen, daß
von dieſen prometheïſchen und epimetheïſchen Gefühlen, deren
Weſentlichkeit für den ganzen Bildungsproceß eines Organis¬
mus ich oben bereits erörtert habe, auch allein für das erſtere,
weil es überhaupt im Menſchen nie vollſtändig zum Bewußtſein
kommt, ſondern ſtets in ſeiner eigenthümlichen Dunkelheit
beſteht, ſich eine einigermaßen beſtimmte Bezeichnung, näm¬
lich das Wort: „Ahnung”, „Vorahnen” allerdings
längſt vorgefunden hat (obwohl auch dies immer noch ein
gewiſſes Bewußtſein vom Künftigen bezeichnet), dahingegen
das letztere, welches wir deutlicher in ſeiner bewußten
Form (der Erinnerung) kennen, welches aber in ſeiner
bewußtloſen Form früher nie beachtet worden iſt, einer
beſondern Benennung ganz entbehrt. Soll daher auch hier
eine eigene Wortbildung eintreten, ſo würde die Sprach¬
form „Innerung” für das bewußtloſe Erfühlen des
Vergangenen, ſo wie „Ahnung” für das bewußtloſe
Vor-Erfühlen des Kommenden, gewiß die zweckmäßigſte
ſein, und ich bemerke daher hier ein für alle mal, daß Er¬
fühlung
, Innerung, Ahnung in dieſem Maße und
zum Unterſchiede von Empfindung, Erinnerung und
Vorausſehen oder Vorahnen, in gegenwärtigen Be¬
trachtungen immer wo es die Gelegenheit ergibt, ſo ge¬
braucht werden ſollen.

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[48/0064] was ich oben die bewußtloſe Erinnerung des Or¬ ganismus von ſeiner Vergangenheit, und die eben ſo bewußtloſe Vorausſicht ſeiner Zukunft nannte, kein beſtimmtes Wort beſitzen, und ein ſolches um ſo mehr uns zu bilden ſuchen müſſen, damit ſpäterhin es leichter werde darzulegen, wie im bewußten Daſein aus dieſen Vermögen ſo vieles Andere ſich entwickelt und aus dem Bewußtloſen allmählig ſich weiter als Bewußtes hervorbildet. Es iſt nun ganz intereſſant wahrzunehmen, daß von dieſen prometheïſchen und epimetheïſchen Gefühlen, deren Weſentlichkeit für den ganzen Bildungsproceß eines Organis¬ mus ich oben bereits erörtert habe, auch allein für das erſtere, weil es überhaupt im Menſchen nie vollſtändig zum Bewußtſein kommt, ſondern ſtets in ſeiner eigenthümlichen Dunkelheit beſteht, ſich eine einigermaßen beſtimmte Bezeichnung, näm¬ lich das Wort: „Ahnung”, „Vorahnen” allerdings längſt vorgefunden hat (obwohl auch dies immer noch ein gewiſſes Bewußtſein vom Künftigen bezeichnet), dahingegen das letztere, welches wir deutlicher in ſeiner bewußten Form (der Erinnerung) kennen, welches aber in ſeiner bewußtloſen Form früher nie beachtet worden iſt, einer beſondern Benennung ganz entbehrt. Soll daher auch hier eine eigene Wortbildung eintreten, ſo würde die Sprach¬ form „Innerung” für das bewußtloſe Erfühlen des Vergangenen, ſo wie „Ahnung” für das bewußtloſe Vor-Erfühlen des Kommenden, gewiß die zweckmäßigſte ſein, und ich bemerke daher hier ein für alle mal, daß Er¬ fühlung, Innerung, Ahnung in dieſem Maße und zum Unterſchiede von Empfindung, Erinnerung und Vorausſehen oder Vorahnen, in gegenwärtigen Be¬ trachtungen immer wo es die Gelegenheit ergibt, ſo ge¬ braucht werden ſollen. Weitergehend in der Erwägung der Gliederung des Organismus in ſeine beſonderen Syſteme und deren be¬ ſondere Erfühlungen, ſtellt ſich uns jetzt das Syſtem der

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/64>, abgerufen am 24.11.2024.