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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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derholende Cyclus von strengerem In-sich-gekehrt-sein bei
winterlichen Zuständen, durch die belebend aufregende Wir¬
kung des Frühlings, zu der gewissen schön gesättigten Fülle
des Sommers, und zu den, halb ersterbenden, halb Künf¬
tiges vorbereitenden Ergebnissen des Herbstes, auf Gemüth
und Geist hervorbringt, ist kaum zu berechnen. -- Eine
schwächere ähnliche Einwirkung ist von dem Wechsel der
Tageszeiten durchaus nicht zu verkennen. Die erfrischende
Kühle und Helligkeit des Morgens wirkt mit eigenthüm¬
licher Elasticität auf die Thätigkeit des Geistes, und manche
früher ihm unbewußte Idee tritt neu und scharf hervor
unter dem Einfluß der neu aufgegangenen Sonne. Einen
entschiedenen Gegensatz hiezu bildet dann die mehr poetisch
schwärmerische Einwirkung des sinkenden Abends, während
das Dunkel der Nacht dem Unbewußten eine momentane
Herrschaft über das Bewußte zu leihen bestimmt ist, wenn
dagegen die Höhe des Tages den bewußten Verkehr von
Menschen zu Menschen namentlich und vielfältigst begünstigt.

Aehnliche Verhältnisse geben sich kund zwischen den
verschiedenen Stimmungen der Witterung und dem Geiste
des Menschen. Personen von schwächerer geistiger Indivi¬
dualität können dadurch sogar mit einer Gewalt angespro¬
chen werden, welche ihnen theilweise die freie Selbstbestim¬
mung ihrer Thätigkeit zu rauben im Stande ist, während
stärkere Naturen, indem sie überhaupt mehr und mehr die
äußere Welt nur als das Element betrachten, in welchem
sie ihre eigenthümlichen und besondern Lebenszwecke auszu¬
führen und darzubilden haben, auch den Werth und den
erheiternden oder niederschlagenden Einfluß dieser Himmels¬
läufte, nur je nachdem sie diesen Zwecken förderlich sind
oder nicht, zu bemessen gewohnt sind.

Eine andere Seite, von welcher zwischen menschlicher
Seele und Natur ein besonderes Verhältniß sich erschließt,
ist das der Erkenntniß, und in dieser Beziehung ist der
Einfluß ganz unberechenbar, den das Schauen der Natur

derholende Cyclus von ſtrengerem In-ſich-gekehrt-ſein bei
winterlichen Zuſtänden, durch die belebend aufregende Wir¬
kung des Frühlings, zu der gewiſſen ſchön geſättigten Fülle
des Sommers, und zu den, halb erſterbenden, halb Künf¬
tiges vorbereitenden Ergebniſſen des Herbſtes, auf Gemüth
und Geiſt hervorbringt, iſt kaum zu berechnen. — Eine
ſchwächere ähnliche Einwirkung iſt von dem Wechſel der
Tageszeiten durchaus nicht zu verkennen. Die erfriſchende
Kühle und Helligkeit des Morgens wirkt mit eigenthüm¬
licher Elaſticität auf die Thätigkeit des Geiſtes, und manche
früher ihm unbewußte Idee tritt neu und ſcharf hervor
unter dem Einfluß der neu aufgegangenen Sonne. Einen
entſchiedenen Gegenſatz hiezu bildet dann die mehr poetiſch
ſchwärmeriſche Einwirkung des ſinkenden Abends, während
das Dunkel der Nacht dem Unbewußten eine momentane
Herrſchaft über das Bewußte zu leihen beſtimmt iſt, wenn
dagegen die Höhe des Tages den bewußten Verkehr von
Menſchen zu Menſchen namentlich und vielfältigſt begünſtigt.

Aehnliche Verhältniſſe geben ſich kund zwiſchen den
verſchiedenen Stimmungen der Witterung und dem Geiſte
des Menſchen. Perſonen von ſchwächerer geiſtiger Indivi¬
dualität können dadurch ſogar mit einer Gewalt angeſpro¬
chen werden, welche ihnen theilweiſe die freie Selbſtbeſtim¬
mung ihrer Thätigkeit zu rauben im Stande iſt, während
ſtärkere Naturen, indem ſie überhaupt mehr und mehr die
äußere Welt nur als das Element betrachten, in welchem
ſie ihre eigenthümlichen und beſondern Lebenszwecke auszu¬
führen und darzubilden haben, auch den Werth und den
erheiternden oder niederſchlagenden Einfluß dieſer Himmels¬
läufte, nur je nachdem ſie dieſen Zwecken förderlich ſind
oder nicht, zu bemeſſen gewohnt ſind.

Eine andere Seite, von welcher zwiſchen menſchlicher
Seele und Natur ein beſonderes Verhältniß ſich erſchließt,
iſt das der Erkenntniß, und in dieſer Beziehung iſt der
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[395/0411] derholende Cyclus von ſtrengerem In-ſich-gekehrt-ſein bei winterlichen Zuſtänden, durch die belebend aufregende Wir¬ kung des Frühlings, zu der gewiſſen ſchön geſättigten Fülle des Sommers, und zu den, halb erſterbenden, halb Künf¬ tiges vorbereitenden Ergebniſſen des Herbſtes, auf Gemüth und Geiſt hervorbringt, iſt kaum zu berechnen. — Eine ſchwächere ähnliche Einwirkung iſt von dem Wechſel der Tageszeiten durchaus nicht zu verkennen. Die erfriſchende Kühle und Helligkeit des Morgens wirkt mit eigenthüm¬ licher Elaſticität auf die Thätigkeit des Geiſtes, und manche früher ihm unbewußte Idee tritt neu und ſcharf hervor unter dem Einfluß der neu aufgegangenen Sonne. Einen entſchiedenen Gegenſatz hiezu bildet dann die mehr poetiſch ſchwärmeriſche Einwirkung des ſinkenden Abends, während das Dunkel der Nacht dem Unbewußten eine momentane Herrſchaft über das Bewußte zu leihen beſtimmt iſt, wenn dagegen die Höhe des Tages den bewußten Verkehr von Menſchen zu Menſchen namentlich und vielfältigſt begünſtigt. Aehnliche Verhältniſſe geben ſich kund zwiſchen den verſchiedenen Stimmungen der Witterung und dem Geiſte des Menſchen. Perſonen von ſchwächerer geiſtiger Indivi¬ dualität können dadurch ſogar mit einer Gewalt angeſpro¬ chen werden, welche ihnen theilweiſe die freie Selbſtbeſtim¬ mung ihrer Thätigkeit zu rauben im Stande iſt, während ſtärkere Naturen, indem ſie überhaupt mehr und mehr die äußere Welt nur als das Element betrachten, in welchem ſie ihre eigenthümlichen und beſondern Lebenszwecke auszu¬ führen und darzubilden haben, auch den Werth und den erheiternden oder niederſchlagenden Einfluß dieſer Himmels¬ läufte, nur je nachdem ſie dieſen Zwecken förderlich ſind oder nicht, zu bemeſſen gewohnt ſind. Eine andere Seite, von welcher zwiſchen menſchlicher Seele und Natur ein beſonderes Verhältniß ſich erſchließt, iſt das der Erkenntniß, und in dieſer Beziehung iſt der Einfluß ganz unberechenbar, den das Schauen der Natur

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/411>, abgerufen am 22.11.2024.