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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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Naturgestaltung, so diese durch Kunstgestaltung und thätiges
Leben sich verwirklichen, ganz eben so unerläßlich ist für
das innere Wachsthum, als es jene Lebens-Innerung
war, bei welcher durch aufgenommene Vorstellungen und
vernommene fremde Ideen das Innerste der Seele wächst
und reift. Die Periode des Mannesalters ist es also, welche
der Lebensäußerung, wie die der ersten Jugend, welche der
Lebensinnerung vorwaltend bestimmt sind; und wer dies
Alles in solcher Folge bedenken will, dem kann das voll¬
ständige Bild des Wachsthums der Seele nicht fehlen. Natür¬
lich muß nun auch hier bedacht werden, wie solche Trennungen
nie absolut sind, wie immer alle Strahlungen der Seele
in allen Perioden wirken, nur bald eine weniger bald eine
mehr; und dann kann auch deutlich werden, welches eigent¬
lich die Aufgabe der letzten Lebensperioden für Wachsthum
der Seele sei, nämlich die der Ausgleichung, Beruhigung,
Läuterung und Vollendung in der Verbindung aller Strah¬
lungen der Seele zugleich.

In dieser Geschichte des Wachsthums der Seele in
verschiedenen Perioden des Lebens kann man zugleich den
Schlüssel finden um zu verstehen auf welche Weise je nach
den einzelnen Perioden insbesondere ein Sinken, ein Min¬
dern der Energie des An-sich-seins der Seele Statt haben
könne. Es muß nämlich ein solches Resultat besonders
dann hervortreten, wenn in irgend einer Lebensperiode gerade
die Strahlung der Seele unentwickelt bleibt, welche eben
in ihr sich besonders ausbilden sollte. Jetzt wird es also
verständlich werden, warum in der Seele, welcher in der
Kindheit die geistige Nahrung der Erkenntniß vorenthalten
blieb, in der, welche in höherer Jugend nicht auf die rechte
Weise von der Welt der Gefühle durchwärmt ward, und
in der, welche auf gereifter Höhe des Lebens nicht in kräf¬
tigem Thun, in der Lebendigkeit der That sich bewährte,
am meisten ein Zurückgehen und ein Sinken zur Selbst¬
nichtigkeit, Gottlosigkeit und Verweltlichung Statt finden

Naturgeſtaltung, ſo dieſe durch Kunſtgeſtaltung und thätiges
Leben ſich verwirklichen, ganz eben ſo unerläßlich iſt für
das innere Wachsthum, als es jene Lebens-Innerung
war, bei welcher durch aufgenommene Vorſtellungen und
vernommene fremde Ideen das Innerſte der Seele wächst
und reift. Die Periode des Mannesalters iſt es alſo, welche
der Lebensäußerung, wie die der erſten Jugend, welche der
Lebensinnerung vorwaltend beſtimmt ſind; und wer dies
Alles in ſolcher Folge bedenken will, dem kann das voll¬
ſtändige Bild des Wachsthums der Seele nicht fehlen. Natür¬
lich muß nun auch hier bedacht werden, wie ſolche Trennungen
nie abſolut ſind, wie immer alle Strahlungen der Seele
in allen Perioden wirken, nur bald eine weniger bald eine
mehr; und dann kann auch deutlich werden, welches eigent¬
lich die Aufgabe der letzten Lebensperioden für Wachsthum
der Seele ſei, nämlich die der Ausgleichung, Beruhigung,
Läuterung und Vollendung in der Verbindung aller Strah¬
lungen der Seele zugleich.

In dieſer Geſchichte des Wachsthums der Seele in
verſchiedenen Perioden des Lebens kann man zugleich den
Schlüſſel finden um zu verſtehen auf welche Weiſe je nach
den einzelnen Perioden insbeſondere ein Sinken, ein Min¬
dern der Energie des An-ſich-ſeins der Seele Statt haben
könne. Es muß nämlich ein ſolches Reſultat beſonders
dann hervortreten, wenn in irgend einer Lebensperiode gerade
die Strahlung der Seele unentwickelt bleibt, welche eben
in ihr ſich beſonders ausbilden ſollte. Jetzt wird es alſo
verſtändlich werden, warum in der Seele, welcher in der
Kindheit die geiſtige Nahrung der Erkenntniß vorenthalten
blieb, in der, welche in höherer Jugend nicht auf die rechte
Weiſe von der Welt der Gefühle durchwärmt ward, und
in der, welche auf gereifter Höhe des Lebens nicht in kräf¬
tigem Thun, in der Lebendigkeit der That ſich bewährte,
am meiſten ein Zurückgehen und ein Sinken zur Selbſt¬
nichtigkeit, Gottloſigkeit und Verweltlichung Statt finden

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[236/0252] Naturgeſtaltung, ſo dieſe durch Kunſtgeſtaltung und thätiges Leben ſich verwirklichen, ganz eben ſo unerläßlich iſt für das innere Wachsthum, als es jene Lebens-Innerung war, bei welcher durch aufgenommene Vorſtellungen und vernommene fremde Ideen das Innerſte der Seele wächst und reift. Die Periode des Mannesalters iſt es alſo, welche der Lebensäußerung, wie die der erſten Jugend, welche der Lebensinnerung vorwaltend beſtimmt ſind; und wer dies Alles in ſolcher Folge bedenken will, dem kann das voll¬ ſtändige Bild des Wachsthums der Seele nicht fehlen. Natür¬ lich muß nun auch hier bedacht werden, wie ſolche Trennungen nie abſolut ſind, wie immer alle Strahlungen der Seele in allen Perioden wirken, nur bald eine weniger bald eine mehr; und dann kann auch deutlich werden, welches eigent¬ lich die Aufgabe der letzten Lebensperioden für Wachsthum der Seele ſei, nämlich die der Ausgleichung, Beruhigung, Läuterung und Vollendung in der Verbindung aller Strah¬ lungen der Seele zugleich. In dieſer Geſchichte des Wachsthums der Seele in verſchiedenen Perioden des Lebens kann man zugleich den Schlüſſel finden um zu verſtehen auf welche Weiſe je nach den einzelnen Perioden insbeſondere ein Sinken, ein Min¬ dern der Energie des An-ſich-ſeins der Seele Statt haben könne. Es muß nämlich ein ſolches Reſultat beſonders dann hervortreten, wenn in irgend einer Lebensperiode gerade die Strahlung der Seele unentwickelt bleibt, welche eben in ihr ſich beſonders ausbilden ſollte. Jetzt wird es alſo verſtändlich werden, warum in der Seele, welcher in der Kindheit die geiſtige Nahrung der Erkenntniß vorenthalten blieb, in der, welche in höherer Jugend nicht auf die rechte Weiſe von der Welt der Gefühle durchwärmt ward, und in der, welche auf gereifter Höhe des Lebens nicht in kräf¬ tigem Thun, in der Lebendigkeit der That ſich bewährte, am meiſten ein Zurückgehen und ein Sinken zur Selbſt¬ nichtigkeit, Gottloſigkeit und Verweltlichung Statt finden

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/252>, abgerufen am 27.11.2024.