gegenüber behaupten, sobald überhaupt die Entwicklung der Seele bis zur Entfaltung des bewußten Geistes und zur Erschaffung einer besondern Welt der Vorstellungen gediehen ist, so ist dies die Vergleichung von Schlaf und Wachen. Hier das Umfaßtsein alles Unbewußten vom Bewußtsein, welches alle Vorgänge der unbewußten Seite durchdringt und in sich aufzunehmen strebt, so wie unwillkürlich in ihr immerfort das Unbewußte in dunkeln Gefühlen sich kund gibt, dort das Eingehen alles Bewußten in die Sphäre des Unbewußten, so daß aber auch in ihm noch das Fort¬ ziehen einer Welt von Vorstellungen und Gefühlen, aber ohne Spontanetät der Erkenntniß und des Willens sich bethätigt. Dieses Wechselverhältniß ist sehr merkwürdig und wer es recht durchdenken kann, dem entziffern sich darin alle Geheimnisse des Schlaflebens. In ihm wiederholen sich nicht nur die stets zwischen Tag und Nacht wechselnden Zustände des Planeten, sondern auch ein in den wesent¬ lichsten Lebenssäften unsers Organismus, im Blut, stets wechselnder Zustand von Nacht- und Tagseite, von er¬ leuchtetem (durch Lungenathmung geröthetem) und von ver¬ dunkeltem (durch Wechselwirkung mit der Substanz des Körpers verkohltem) Blute.
Daß durch die, auch bei diesem Versunkensein im Un¬ bewußten fortziehenden und rhythmisch auftauchenden Vor¬ stellungen und Gefühle die Welt der Träume bedingt wird, ist aus dem Vorigen ohnehin klar; allein eben de߬ halb muß zunächst uns die Frage beschäftigen, gibt es einen Schlaf ohne Traum? Die gewöhnliche Meinung ist: ein tiefer, fester Schlaf schließe das Träumen aus, allein wir müssen hier zurückdenken an das was vom Ver¬ gessen gesagt wurde, nämlich daß wir noch so lange uns einer Vorstellung nicht erinnern können und daß sie doch vorhanden sein wird, so lange ihre organischen Bedingungen nicht aufgehoben sind. Eben so wird das rhythmische An¬ geregtwerden vorhandener Vorstellungen und Gefühle nicht
gegenüber behaupten, ſobald überhaupt die Entwicklung der Seele bis zur Entfaltung des bewußten Geiſtes und zur Erſchaffung einer beſondern Welt der Vorſtellungen gediehen iſt, ſo iſt dies die Vergleichung von Schlaf und Wachen. Hier das Umfaßtſein alles Unbewußten vom Bewußtſein, welches alle Vorgänge der unbewußten Seite durchdringt und in ſich aufzunehmen ſtrebt, ſo wie unwillkürlich in ihr immerfort das Unbewußte in dunkeln Gefühlen ſich kund gibt, dort das Eingehen alles Bewußten in die Sphäre des Unbewußten, ſo daß aber auch in ihm noch das Fort¬ ziehen einer Welt von Vorſtellungen und Gefühlen, aber ohne Spontanetät der Erkenntniß und des Willens ſich bethätigt. Dieſes Wechſelverhältniß iſt ſehr merkwürdig und wer es recht durchdenken kann, dem entziffern ſich darin alle Geheimniſſe des Schlaflebens. In ihm wiederholen ſich nicht nur die ſtets zwiſchen Tag und Nacht wechſelnden Zuſtände des Planeten, ſondern auch ein in den weſent¬ lichſten Lebensſäften unſers Organismus, im Blut, ſtets wechſelnder Zuſtand von Nacht- und Tagſeite, von er¬ leuchtetem (durch Lungenathmung geröthetem) und von ver¬ dunkeltem (durch Wechſelwirkung mit der Subſtanz des Körpers verkohltem) Blute.
Daß durch die, auch bei dieſem Verſunkenſein im Un¬ bewußten fortziehenden und rhythmiſch auftauchenden Vor¬ ſtellungen und Gefühle die Welt der Träume bedingt wird, iſt aus dem Vorigen ohnehin klar; allein eben de߬ halb muß zunächſt uns die Frage beſchäftigen, gibt es einen Schlaf ohne Traum? Die gewöhnliche Meinung iſt: ein tiefer, feſter Schlaf ſchließe das Träumen aus, allein wir müſſen hier zurückdenken an das was vom Ver¬ geſſen geſagt wurde, nämlich daß wir noch ſo lange uns einer Vorſtellung nicht erinnern können und daß ſie doch vorhanden ſein wird, ſo lange ihre organiſchen Bedingungen nicht aufgehoben ſind. Eben ſo wird das rhythmiſche An¬ geregtwerden vorhandener Vorſtellungen und Gefühle nicht
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gegenüber behaupten, ſobald überhaupt die Entwicklung der
Seele bis zur Entfaltung des bewußten Geiſtes und zur
Erſchaffung einer beſondern Welt der Vorſtellungen gediehen
iſt, ſo iſt dies die Vergleichung von Schlaf und Wachen.
Hier das Umfaßtſein alles Unbewußten vom Bewußtſein,
welches alle Vorgänge der unbewußten Seite durchdringt
und in ſich aufzunehmen ſtrebt, ſo wie unwillkürlich in ihr
immerfort das Unbewußte in dunkeln Gefühlen ſich kund
gibt, dort das Eingehen alles Bewußten in die Sphäre
des Unbewußten, ſo daß aber auch in ihm noch das Fort¬
ziehen einer Welt von Vorſtellungen und Gefühlen, aber
ohne Spontanetät der Erkenntniß und des Willens ſich
bethätigt. Dieſes Wechſelverhältniß iſt ſehr merkwürdig und
wer es recht durchdenken kann, dem entziffern ſich darin
alle Geheimniſſe des Schlaflebens. In ihm wiederholen
ſich nicht nur die ſtets zwiſchen Tag und Nacht wechſelnden
Zuſtände des Planeten, ſondern auch ein in den weſent¬
lichſten Lebensſäften unſers Organismus, im Blut, ſtets
wechſelnder Zuſtand von Nacht- und Tagſeite, von er¬
leuchtetem (durch Lungenathmung geröthetem) und von ver¬
dunkeltem (durch Wechſelwirkung mit der Subſtanz des
Körpers verkohltem) Blute.
Daß durch die, auch bei dieſem Verſunkenſein im Un¬
bewußten fortziehenden und rhythmiſch auftauchenden Vor¬
ſtellungen und Gefühle die Welt der Träume bedingt
wird, iſt aus dem Vorigen ohnehin klar; allein eben de߬
halb muß zunächſt uns die Frage beſchäftigen, gibt es
einen Schlaf ohne Traum? Die gewöhnliche Meinung
iſt: ein tiefer, feſter Schlaf ſchließe das Träumen aus,
allein wir müſſen hier zurückdenken an das was vom Ver¬
geſſen geſagt wurde, nämlich daß wir noch ſo lange uns
einer Vorſtellung nicht erinnern können und daß ſie doch
vorhanden ſein wird, ſo lange ihre organiſchen Bedingungen
nicht aufgehoben ſind. Eben ſo wird das rhythmiſche An¬
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/231>, abgerufen am 22.11.2024.
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