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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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wenn wir auch weder in uns noch in andern Geschöpfen
von diesem Anfangspunkte selbst die Erfahrung gewin¬
nen können, so ist doch -- daß er sein müsse und wie
er es sein müsse, der gereiften Erkenntniß allerdings voll¬
kommen zugänglich.

Streng genommen könnte man demnach sagen: die
Fortschreitung in der Heranbildung des Seelenlebens beruhe
auf verändertem Zahlen-Verhältniß; denn wenn die
Idee an sich die Eins, die Monas ist, so wird ihre erste
Offenbarung in der Wirklichkeit, aber immer noch als ein
Bewußtloses, als eine Zweiheit erscheinen, welche durch
Empfänglichkeit und Gegenwirkung sich darstellt, während
dagegen erst ihre höhere Offenbarung im bewußten Indi¬
viduum, zur Dreiheit wird, welche zwar auch der Auf¬
nahme einer Einwirkung und der Ausführung einer Gegen¬
wirkung sich eignet, welche aber zwischen beiden noch ein
Drittes enthält, nämlich ein besondres dunkleres oder hel¬
leres Wissen vom eignen Zustande, ein Gefühl vom eignen
Dasein, und zwar als ein, Einwirkung und Gegenwirkung
allmählig immer entschiedner Beherrschendes.

Es muß nun aber gleich hier, wo diese Gliederung
uns zum ersten Male deutlich wird, noch ein höchst merk¬
würdiges Moment in der Eigenthümlichkeit dieses Dritten
hervorgehoben werden, nämlich daß dieses Dritte und
eigentlich Höchste
, dies worin die Idee sich am
unmittelbarsten und zum ersten Male als ein
der Freiheit Fähiges kund gibt
, doch niemals
ganz an und für sich
, sondern immerfort nur
an den beiden andern Momenten
, nur an dem
die Einwirkung Aufnehmenden und Erkennen¬
den
, und an dem die Gegenwirkung Ausfüh¬
renden und Wollenden
, wirklich sich kund gibt
und klar werden kann
. Jede Art des Selbstgefühls
nämlich, jedes dunkle Wissen vom eignen Zustande, ja
jedes klarere Selbstbewußtsein wird immer bedingt, theils

wenn wir auch weder in uns noch in andern Geſchöpfen
von dieſem Anfangspunkte ſelbſt die Erfahrung gewin¬
nen können, ſo iſt doch — daß er ſein müſſe und wie
er es ſein müſſe, der gereiften Erkenntniß allerdings voll¬
kommen zugänglich.

Streng genommen könnte man demnach ſagen: die
Fortſchreitung in der Heranbildung des Seelenlebens beruhe
auf verändertem Zahlen-Verhältniß; denn wenn die
Idee an ſich die Eins, die Monas iſt, ſo wird ihre erſte
Offenbarung in der Wirklichkeit, aber immer noch als ein
Bewußtloſes, als eine Zweiheit erſcheinen, welche durch
Empfänglichkeit und Gegenwirkung ſich darſtellt, während
dagegen erſt ihre höhere Offenbarung im bewußten Indi¬
viduum, zur Dreiheit wird, welche zwar auch der Auf¬
nahme einer Einwirkung und der Ausführung einer Gegen¬
wirkung ſich eignet, welche aber zwiſchen beiden noch ein
Drittes enthält, nämlich ein beſondres dunkleres oder hel¬
leres Wiſſen vom eignen Zuſtande, ein Gefühl vom eignen
Daſein, und zwar als ein, Einwirkung und Gegenwirkung
allmählig immer entſchiedner Beherrſchendes.

Es muß nun aber gleich hier, wo dieſe Gliederung
uns zum erſten Male deutlich wird, noch ein höchſt merk¬
würdiges Moment in der Eigenthümlichkeit dieſes Dritten
hervorgehoben werden, nämlich daß dieſes Dritte und
eigentlich Höchſte
, dies worin die Idee ſich am
unmittelbarſten und zum erſten Male als ein
der Freiheit Fähiges kund gibt
, doch niemals
ganz an und für ſich
, ſondern immerfort nur
an den beiden andern Momenten
, nur an dem
die Einwirkung Aufnehmenden und Erkennen¬
den
, und an dem die Gegenwirkung Ausfüh¬
renden und Wollenden
, wirklich ſich kund gibt
und klar werden kann
. Jede Art des Selbſtgefühls
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[118/0134] wenn wir auch weder in uns noch in andern Geſchöpfen von dieſem Anfangspunkte ſelbſt die Erfahrung gewin¬ nen können, ſo iſt doch — daß er ſein müſſe und wie er es ſein müſſe, der gereiften Erkenntniß allerdings voll¬ kommen zugänglich. Streng genommen könnte man demnach ſagen: die Fortſchreitung in der Heranbildung des Seelenlebens beruhe auf verändertem Zahlen-Verhältniß; denn wenn die Idee an ſich die Eins, die Monas iſt, ſo wird ihre erſte Offenbarung in der Wirklichkeit, aber immer noch als ein Bewußtloſes, als eine Zweiheit erſcheinen, welche durch Empfänglichkeit und Gegenwirkung ſich darſtellt, während dagegen erſt ihre höhere Offenbarung im bewußten Indi¬ viduum, zur Dreiheit wird, welche zwar auch der Auf¬ nahme einer Einwirkung und der Ausführung einer Gegen¬ wirkung ſich eignet, welche aber zwiſchen beiden noch ein Drittes enthält, nämlich ein beſondres dunkleres oder hel¬ leres Wiſſen vom eignen Zuſtande, ein Gefühl vom eignen Daſein, und zwar als ein, Einwirkung und Gegenwirkung allmählig immer entſchiedner Beherrſchendes. Es muß nun aber gleich hier, wo dieſe Gliederung uns zum erſten Male deutlich wird, noch ein höchſt merk¬ würdiges Moment in der Eigenthümlichkeit dieſes Dritten hervorgehoben werden, nämlich daß dieſes Dritte und eigentlich Höchſte, dies worin die Idee ſich am unmittelbarſten und zum erſten Male als ein der Freiheit Fähiges kund gibt, doch niemals ganz an und für ſich, ſondern immerfort nur an den beiden andern Momenten, nur an dem die Einwirkung Aufnehmenden und Erkennen¬ den, und an dem die Gegenwirkung Ausfüh¬ renden und Wollenden, wirklich ſich kund gibt und klar werden kann. Jede Art des Selbſtgefühls nämlich, jedes dunkle Wiſſen vom eignen Zuſtande, ja jedes klarere Selbſtbewußtſein wird immer bedingt, theils

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/134>, abgerufen am 22.11.2024.