Polypen von der unvollkommnen Umstülpung der Gebärmutter. Hier sind vorzüglich die vorausgegangenen Zustände zu be- rücksichtigen, der Polyp entsteht nur allmählig und ohne daß nothwendigerweise eine Geburt vorausgegangen seyn müßte, die Umstülpung ist immer die Folge einer regelwidrigen oder vernachlässigten Geburt, sonst kann die unvollkommne Um- stülpung den Polypen oft äußerst täuschend nachbilden, *) so daß nur theils der doch gewöhnlich bey Polypen verdünnte Stiel, theils und hauptsächlich aber die Empfindlichkeit des umgestülpten Uterus gegen Druck, Kneipen oder gar gegen die umgelegte Ligatur, Gelegenheit geben, diesen Zustand vom Polypen, welcher sich an und für sich stets unempfindlich zeigt, zu unterscheiden. Uebrigens läßt sich allerdings auch der Polyp nicht reponiren, was aber von einer langdauern- den Inversion ebenfalls gilt.
§. 427.
Nimmt nun der Gebärmutterpolyp noch mehr zu, so drängt er sich in die Mutterscheide herein, ja tritt wohl selbst vor dieselbe hervor, erregt heftige Spannung und Schmerzen im Becken, zieht den Grund des Uterus herab, bewirkt Vor- fall oder theilweise Umstülpung, es entstehen die hartnäckig- sten Obstructionen und Harnverhaltungen, durch den Druck auf Blut- und Lymphgefäße bilden sich Wassersuchten aus, und so kann, verbunden mit Zehrfieber, äußerster Entkräf- tung und öftern Blutungen, der Tod eintreten. Höchst selten ist es, daß, nachdem der Polyp eine bedeutende Größe er- reicht hat, er sich selbst ablöst und ausgestoßen wird, und wenigstens gereicht diese Naturhülfe nicht leicht zum Vortheil der Kranken, da, wie auch Hr. v. Siebold erwähnt, hier- bey stets das Uebel schon auf eine zu hohe Stufe gediehen ist, und auch die Ablösung selbst gewöhnlich mit starken Blu-
*) S. d. interessanten Aufsatz von Hauk über die bisherigen Ausrot- tungsmethoden der Gebärmutterpolypen in Rust Magaz. f. d. ges. Heilk. Bd. IV. Heft 3.
Polypen von der unvollkommnen Umſtuͤlpung der Gebaͤrmutter. Hier ſind vorzuͤglich die vorausgegangenen Zuſtaͤnde zu be- ruͤckſichtigen, der Polyp entſteht nur allmaͤhlig und ohne daß nothwendigerweiſe eine Geburt vorausgegangen ſeyn muͤßte, die Umſtuͤlpung iſt immer die Folge einer regelwidrigen oder vernachlaͤſſigten Geburt, ſonſt kann die unvollkommne Um- ſtuͤlpung den Polypen oft aͤußerſt taͤuſchend nachbilden, *) ſo daß nur theils der doch gewoͤhnlich bey Polypen verduͤnnte Stiel, theils und hauptſaͤchlich aber die Empfindlichkeit des umgeſtuͤlpten Uterus gegen Druck, Kneipen oder gar gegen die umgelegte Ligatur, Gelegenheit geben, dieſen Zuſtand vom Polypen, welcher ſich an und fuͤr ſich ſtets unempfindlich zeigt, zu unterſcheiden. Uebrigens laͤßt ſich allerdings auch der Polyp nicht reponiren, was aber von einer langdauern- den Inverſion ebenfalls gilt.
§. 427.
Nimmt nun der Gebaͤrmutterpolyp noch mehr zu, ſo draͤngt er ſich in die Mutterſcheide herein, ja tritt wohl ſelbſt vor dieſelbe hervor, erregt heftige Spannung und Schmerzen im Becken, zieht den Grund des Uterus herab, bewirkt Vor- fall oder theilweiſe Umſtuͤlpung, es entſtehen die hartnaͤckig- ſten Obſtructionen und Harnverhaltungen, durch den Druck auf Blut- und Lymphgefaͤße bilden ſich Waſſerſuchten aus, und ſo kann, verbunden mit Zehrfieber, aͤußerſter Entkraͤf- tung und oͤftern Blutungen, der Tod eintreten. Hoͤchſt ſelten iſt es, daß, nachdem der Polyp eine bedeutende Groͤße er- reicht hat, er ſich ſelbſt abloͤſt und ausgeſtoßen wird, und wenigſtens gereicht dieſe Naturhuͤlfe nicht leicht zum Vortheil der Kranken, da, wie auch Hr. v. Siebold erwaͤhnt, hier- bey ſtets das Uebel ſchon auf eine zu hohe Stufe gediehen iſt, und auch die Abloͤſung ſelbſt gewoͤhnlich mit ſtarken Blu-
*) S. d. intereſſanten Aufſatz von Hauk uͤber die bisherigen Ausrot- tungsmethoden der Gebaͤrmutterpolypen in Ruſt Magaz. f. d. geſ. Heilk. Bd. IV. Heft 3.
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Polypen von der unvollkommnen Umſtuͤlpung der Gebaͤrmutter.
Hier ſind vorzuͤglich die vorausgegangenen Zuſtaͤnde zu be-
ruͤckſichtigen, der Polyp entſteht nur allmaͤhlig und ohne daß
nothwendigerweiſe eine Geburt vorausgegangen ſeyn muͤßte,
die Umſtuͤlpung iſt immer die Folge einer regelwidrigen oder
vernachlaͤſſigten Geburt, ſonſt kann die unvollkommne Um-
ſtuͤlpung den Polypen oft aͤußerſt taͤuſchend nachbilden, *) ſo
daß nur theils der doch gewoͤhnlich bey Polypen verduͤnnte
Stiel, theils und hauptſaͤchlich aber die Empfindlichkeit des
umgeſtuͤlpten Uterus gegen Druck, Kneipen oder gar gegen
die umgelegte Ligatur, Gelegenheit geben, dieſen Zuſtand vom
Polypen, welcher ſich an und fuͤr ſich ſtets unempfindlich
zeigt, zu unterſcheiden. Uebrigens laͤßt ſich allerdings auch
der Polyp nicht reponiren, was aber von einer langdauern-
den Inverſion ebenfalls gilt.
§. 427.
Nimmt nun der Gebaͤrmutterpolyp noch mehr zu, ſo
draͤngt er ſich in die Mutterſcheide herein, ja tritt wohl ſelbſt
vor dieſelbe hervor, erregt heftige Spannung und Schmerzen
im Becken, zieht den Grund des Uterus herab, bewirkt Vor-
fall oder theilweiſe Umſtuͤlpung, es entſtehen die hartnaͤckig-
ſten Obſtructionen und Harnverhaltungen, durch den Druck
auf Blut- und Lymphgefaͤße bilden ſich Waſſerſuchten aus,
und ſo kann, verbunden mit Zehrfieber, aͤußerſter Entkraͤf-
tung und oͤftern Blutungen, der Tod eintreten. Hoͤchſt ſelten
iſt es, daß, nachdem der Polyp eine bedeutende Groͤße er-
reicht hat, er ſich ſelbſt abloͤſt und ausgeſtoßen wird, und
wenigſtens gereicht dieſe Naturhuͤlfe nicht leicht zum Vortheil
der Kranken, da, wie auch Hr. v. Siebold erwaͤhnt, hier-
bey ſtets das Uebel ſchon auf eine zu hohe Stufe gediehen
iſt, und auch die Abloͤſung ſelbſt gewoͤhnlich mit ſtarken Blu-
*) S. d. intereſſanten Aufſatz von Hauk uͤber die bisherigen Ausrot-
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/350>, abgerufen am 21.11.2024.
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