Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

sten unterworfen zu seyn pflegt; übrigens kommt sie bey
Frauen und Jungfrauen vor, und obwohl vorzüglich nicht
verheirathete oder unglücklich verheirathete, kinderlose Frauen,
besonders aber junge Wittwen, daran zu leiden pflegen, so
bleiben doch selbst Schwangere, Wöchnerinnen und Stillende
von diesen Anfällen nicht ganz befreyt.

§. 298.

Bey den Aeußerungen der Krankheit haben wir zuvör-
derst der Periodicität ihrer Anfälle zu gedenken, durch welche
sie an andere ebenfalls in gewissen Zeiträumen wiederkehrende
Nervenkrankheiten, z. B. die Epilepsie und den Veitstanz
erinnert. Diese Periodicität aber ist in sofern zwiefach, als
in einem Falle die Wiederkehr der Anfälle durch äußere Veranlas-
sungen, Gemüthsbewegungen, starke Sinneseindrücke u. s. w.
herbeygeführt wird, ohne diese Einflüße aber die Anfälle auf
unbestimmte Zeit außen bleiben, und dieses Periodische ist
dann ganz Produkt der Reitzbarkeit des Nervensystems und
des äußern Moments; oder im andern Falle, wird die
Wiederkehr des Paroxysmus mehr nach regelmäßigen Zeiträu-
men (ohngefähr wie die Wiederkehr eines Wechselfieberan-
falls) bestimmt, und ist das Ursachliche davon mehr der an-
dere Faktor der Krankheit, d. i. das reproduktive System,
welches als ein Niederes dem wechselnden Gange des äußern
Naturlebens mehr hingegeben ist, und von seinen Perioden
mit afficirt wird, wohin denn ganz besonders die bey vielen
Hysterischen zur Zeit der Menstruation stärkern Anfälle ge-
hören. -- Uebrigens darf die Periodicität dieser Krankheit
nicht so verstanden werden, als ob außer den Anfällen ein
vollkommnes Wohlbefinden Statt habe, indem vorzüglich die
krankhafte Nervenreitzbarkeit, Gemüthsverstimmung, die Ver-
dauungsbeschwerden, die Kranken nie zu verlassen pflegen.

§. 299.

Wir gehen nun zur Schilderung der verschiedenen Krank-
heitssymptome nach den einzelnen organischen Systemen über,
und werden sodann von der Erscheinung des hysterischen Anfalls
insbesondre handeln: -- Animale Sphäre. 1) Symp-

ſten unterworfen zu ſeyn pflegt; uͤbrigens kommt ſie bey
Frauen und Jungfrauen vor, und obwohl vorzuͤglich nicht
verheirathete oder ungluͤcklich verheirathete, kinderloſe Frauen,
beſonders aber junge Wittwen, daran zu leiden pflegen, ſo
bleiben doch ſelbſt Schwangere, Woͤchnerinnen und Stillende
von dieſen Anfaͤllen nicht ganz befreyt.

§. 298.

Bey den Aeußerungen der Krankheit haben wir zuvoͤr-
derſt der Periodicitaͤt ihrer Anfaͤlle zu gedenken, durch welche
ſie an andere ebenfalls in gewiſſen Zeitraͤumen wiederkehrende
Nervenkrankheiten, z. B. die Epilepſie und den Veitstanz
erinnert. Dieſe Periodicitaͤt aber iſt in ſofern zwiefach, als
in einem Falle die Wiederkehr der Anfaͤlle durch aͤußere Veranlaſ-
ſungen, Gemuͤthsbewegungen, ſtarke Sinneseindruͤcke u. ſ. w.
herbeygefuͤhrt wird, ohne dieſe Einfluͤße aber die Anfaͤlle auf
unbeſtimmte Zeit außen bleiben, und dieſes Periodiſche iſt
dann ganz Produkt der Reitzbarkeit des Nervenſyſtems und
des aͤußern Moments; oder im andern Falle, wird die
Wiederkehr des Paroxysmus mehr nach regelmaͤßigen Zeitraͤu-
men (ohngefaͤhr wie die Wiederkehr eines Wechſelfieberan-
falls) beſtimmt, und iſt das Urſachliche davon mehr der an-
dere Faktor der Krankheit, d. i. das reproduktive Syſtem,
welches als ein Niederes dem wechſelnden Gange des aͤußern
Naturlebens mehr hingegeben iſt, und von ſeinen Perioden
mit afficirt wird, wohin denn ganz beſonders die bey vielen
Hyſteriſchen zur Zeit der Menſtruation ſtaͤrkern Anfaͤlle ge-
hoͤren. — Uebrigens darf die Periodicitaͤt dieſer Krankheit
nicht ſo verſtanden werden, als ob außer den Anfaͤllen ein
vollkommnes Wohlbefinden Statt habe, indem vorzuͤglich die
krankhafte Nervenreitzbarkeit, Gemuͤthsverſtimmung, die Ver-
dauungsbeſchwerden, die Kranken nie zu verlaſſen pflegen.

§. 299.

Wir gehen nun zur Schilderung der verſchiedenen Krank-
heitsſymptome nach den einzelnen organiſchen Syſtemen uͤber,
und werden ſodann von der Erſcheinung des hyſteriſchen Anfalls
insbeſondre handeln: — Animale Sphaͤre. 1) Symp-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0253" n="233"/>
&#x017F;ten unterworfen zu &#x017F;eyn pflegt; u&#x0364;brigens kommt &#x017F;ie bey<lb/>
Frauen und Jungfrauen vor, und obwohl vorzu&#x0364;glich nicht<lb/>
verheirathete oder unglu&#x0364;cklich verheirathete, kinderlo&#x017F;e Frauen,<lb/>
be&#x017F;onders aber junge Wittwen, daran zu leiden pflegen, &#x017F;o<lb/>
bleiben doch &#x017F;elb&#x017F;t Schwangere, Wo&#x0364;chnerinnen und Stillende<lb/>
von die&#x017F;en Anfa&#x0364;llen nicht ganz befreyt.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 298.</head><lb/>
                      <p>Bey den Aeußerungen der Krankheit haben wir zuvo&#x0364;r-<lb/>
der&#x017F;t der Periodicita&#x0364;t ihrer Anfa&#x0364;lle zu gedenken, durch welche<lb/>
&#x017F;ie an andere ebenfalls in gewi&#x017F;&#x017F;en Zeitra&#x0364;umen wiederkehrende<lb/>
Nervenkrankheiten, z. B. die Epilep&#x017F;ie und den Veitstanz<lb/>
erinnert. Die&#x017F;e Periodicita&#x0364;t aber i&#x017F;t in &#x017F;ofern zwiefach, als<lb/>
in einem Falle die Wiederkehr der Anfa&#x0364;lle durch a&#x0364;ußere Veranla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ungen, Gemu&#x0364;thsbewegungen, &#x017F;tarke Sinneseindru&#x0364;cke u. &#x017F;. w.<lb/>
herbeygefu&#x0364;hrt wird, ohne die&#x017F;e Einflu&#x0364;ße aber die Anfa&#x0364;lle auf<lb/>
unbe&#x017F;timmte Zeit außen bleiben, und die&#x017F;es Periodi&#x017F;che i&#x017F;t<lb/>
dann ganz Produkt der Reitzbarkeit des Nerven&#x017F;y&#x017F;tems und<lb/>
des a&#x0364;ußern Moments; oder im andern Falle, wird die<lb/>
Wiederkehr des Paroxysmus mehr nach regelma&#x0364;ßigen Zeitra&#x0364;u-<lb/>
men (ohngefa&#x0364;hr wie die Wiederkehr eines Wech&#x017F;elfieberan-<lb/>
falls) be&#x017F;timmt, und i&#x017F;t das Ur&#x017F;achliche davon mehr der an-<lb/>
dere Faktor der Krankheit, d. i. das reproduktive Sy&#x017F;tem,<lb/>
welches als ein Niederes dem wech&#x017F;elnden Gange des a&#x0364;ußern<lb/>
Naturlebens mehr hingegeben i&#x017F;t, und von &#x017F;einen Perioden<lb/>
mit afficirt wird, wohin denn ganz be&#x017F;onders die bey vielen<lb/>
Hy&#x017F;teri&#x017F;chen zur Zeit der Men&#x017F;truation &#x017F;ta&#x0364;rkern Anfa&#x0364;lle ge-<lb/>
ho&#x0364;ren. &#x2014; Uebrigens darf die Periodicita&#x0364;t die&#x017F;er Krankheit<lb/>
nicht &#x017F;o ver&#x017F;tanden werden, als ob außer den Anfa&#x0364;llen ein<lb/>
vollkommnes Wohlbefinden Statt habe, indem vorzu&#x0364;glich die<lb/>
krankhafte Nervenreitzbarkeit, Gemu&#x0364;thsver&#x017F;timmung, die Ver-<lb/>
dauungsbe&#x017F;chwerden, die Kranken nie zu verla&#x017F;&#x017F;en pflegen.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 299.</head><lb/>
                      <p>Wir gehen nun zur Schilderung der ver&#x017F;chiedenen Krank-<lb/>
heits&#x017F;ymptome nach den einzelnen organi&#x017F;chen Sy&#x017F;temen u&#x0364;ber,<lb/>
und werden &#x017F;odann von der Er&#x017F;cheinung des hy&#x017F;teri&#x017F;chen Anfalls<lb/>
insbe&#x017F;ondre handeln: &#x2014; <hi rendition="#g">Animale Spha&#x0364;re</hi>. 1) <hi rendition="#g">Symp-<lb/></hi></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0253] ſten unterworfen zu ſeyn pflegt; uͤbrigens kommt ſie bey Frauen und Jungfrauen vor, und obwohl vorzuͤglich nicht verheirathete oder ungluͤcklich verheirathete, kinderloſe Frauen, beſonders aber junge Wittwen, daran zu leiden pflegen, ſo bleiben doch ſelbſt Schwangere, Woͤchnerinnen und Stillende von dieſen Anfaͤllen nicht ganz befreyt. §. 298. Bey den Aeußerungen der Krankheit haben wir zuvoͤr- derſt der Periodicitaͤt ihrer Anfaͤlle zu gedenken, durch welche ſie an andere ebenfalls in gewiſſen Zeitraͤumen wiederkehrende Nervenkrankheiten, z. B. die Epilepſie und den Veitstanz erinnert. Dieſe Periodicitaͤt aber iſt in ſofern zwiefach, als in einem Falle die Wiederkehr der Anfaͤlle durch aͤußere Veranlaſ- ſungen, Gemuͤthsbewegungen, ſtarke Sinneseindruͤcke u. ſ. w. herbeygefuͤhrt wird, ohne dieſe Einfluͤße aber die Anfaͤlle auf unbeſtimmte Zeit außen bleiben, und dieſes Periodiſche iſt dann ganz Produkt der Reitzbarkeit des Nervenſyſtems und des aͤußern Moments; oder im andern Falle, wird die Wiederkehr des Paroxysmus mehr nach regelmaͤßigen Zeitraͤu- men (ohngefaͤhr wie die Wiederkehr eines Wechſelfieberan- falls) beſtimmt, und iſt das Urſachliche davon mehr der an- dere Faktor der Krankheit, d. i. das reproduktive Syſtem, welches als ein Niederes dem wechſelnden Gange des aͤußern Naturlebens mehr hingegeben iſt, und von ſeinen Perioden mit afficirt wird, wohin denn ganz beſonders die bey vielen Hyſteriſchen zur Zeit der Menſtruation ſtaͤrkern Anfaͤlle ge- hoͤren. — Uebrigens darf die Periodicitaͤt dieſer Krankheit nicht ſo verſtanden werden, als ob außer den Anfaͤllen ein vollkommnes Wohlbefinden Statt habe, indem vorzuͤglich die krankhafte Nervenreitzbarkeit, Gemuͤthsverſtimmung, die Ver- dauungsbeſchwerden, die Kranken nie zu verlaſſen pflegen. §. 299. Wir gehen nun zur Schilderung der verſchiedenen Krank- heitsſymptome nach den einzelnen organiſchen Syſtemen uͤber, und werden ſodann von der Erſcheinung des hyſteriſchen Anfalls insbeſondre handeln: — Animale Sphaͤre. 1) Symp-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/253
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/253>, abgerufen am 23.11.2024.