widernatürliche Verbindung von Tag- und Nachtseite, ein Schlafwachen (schon der Widerspruch in diesem Worte be- zeichnet das Krankhafte) und es tritt hierbey nun ein dop- pelter Fall ein, nämlich entweder entspricht Traum und Wirksamkeit des Schlafenden den äußern Verhältnissen oder nicht. Das erstere zeigt sich in vorzüglich hohem Grade im Schlafwandeln (Somnambulismus), wo Schlafende be- kanntlich das leiseste Gefühl, ja mehr als dieses, einen ge- gewissen Instinkt verrathen, welcher sie in vielerley Dingen sich orientiren, und in den gefährlichsten Stellen sich erhal- ten und fortbewegen lehrt, und welcher eben aus dem weni- ger bewußten Versinken der Individualität in den großen Naturkreis verständlich wird (s. §. 231.). -- Dieses Schlaf- wandeln aber findet sich vorzüglich bey sehr sanguinischen Mädchen und vorzüglich wenn die Unterleibsorgane in nicht ganz naturgemäßem Zustande sind, bey aufgetriebenen Lymph- drüsen, Verschleimungen des Darmkanals, Würmern u. s. w. welches darthun kann, daß allerdings das Gangliensystem, wenn wir auch darin keineswegs den alleinigen Grund dieser Verstimmungen suchen mögen, doch wichtigen Antheil an den- selben nehmen müsse. -- Daß übrigens auch der Einfluß des Mondes auf Erregung dieser Zustände bedeutend sey, ist be- kannt, und daß dieser Einfluß gerade beym weiblichen Ge- schlecht wegen der Einwirkung desselben auf die Menstruation (§. 120 u. f.) bedeutender seyn könne, mir sehr wahrscheinlich.
§. 240.
Die Schlafrednerey betreffend, so ist dieselbe offen- bar schon mehr dem bloßen Traume genähert und deßhalb auch meistens den nächsten äußern Verhältnissen weniger ent- sprechend, somit die Tag- und Nachseite weniger unterein- andermengend, und folglich wieder unnatürlich, übrigens sind die Bedingungen, unter welchen sie entsteht, ziemlich diesel- ben. -- Dagegen haben wir noch diese Erscheinungen des Traumlebens in anderer Hinsicht zu betrachten, nämlich in wiefern sie selbst durch äußere Einwirkungen, oder durch be- sondere krankhafte Stimmungen des leiblichen Organismus (welche immer für die Phantasie ein Aeußerliches sind) be-
widernatuͤrliche Verbindung von Tag- und Nachtſeite, ein Schlafwachen (ſchon der Widerſpruch in dieſem Worte be- zeichnet das Krankhafte) und es tritt hierbey nun ein dop- pelter Fall ein, naͤmlich entweder entſpricht Traum und Wirkſamkeit des Schlafenden den aͤußern Verhaͤltniſſen oder nicht. Das erſtere zeigt ſich in vorzuͤglich hohem Grade im Schlafwandeln (Somnambulismus), wo Schlafende be- kanntlich das leiſeſte Gefuͤhl, ja mehr als dieſes, einen ge- gewiſſen Inſtinkt verrathen, welcher ſie in vielerley Dingen ſich orientiren, und in den gefaͤhrlichſten Stellen ſich erhal- ten und fortbewegen lehrt, und welcher eben aus dem weni- ger bewußten Verſinken der Individualitaͤt in den großen Naturkreis verſtaͤndlich wird (ſ. §. 231.). — Dieſes Schlaf- wandeln aber findet ſich vorzuͤglich bey ſehr ſanguiniſchen Maͤdchen und vorzuͤglich wenn die Unterleibsorgane in nicht ganz naturgemaͤßem Zuſtande ſind, bey aufgetriebenen Lymph- druͤſen, Verſchleimungen des Darmkanals, Wuͤrmern u. ſ. w. welches darthun kann, daß allerdings das Ganglienſyſtem, wenn wir auch darin keineswegs den alleinigen Grund dieſer Verſtimmungen ſuchen moͤgen, doch wichtigen Antheil an den- ſelben nehmen muͤſſe. — Daß uͤbrigens auch der Einfluß des Mondes auf Erregung dieſer Zuſtaͤnde bedeutend ſey, iſt be- kannt, und daß dieſer Einfluß gerade beym weiblichen Ge- ſchlecht wegen der Einwirkung deſſelben auf die Menſtruation (§. 120 u. f.) bedeutender ſeyn koͤnne, mir ſehr wahrſcheinlich.
§. 240.
Die Schlafrednerey betreffend, ſo iſt dieſelbe offen- bar ſchon mehr dem bloßen Traume genaͤhert und deßhalb auch meiſtens den naͤchſten aͤußern Verhaͤltniſſen weniger ent- ſprechend, ſomit die Tag- und Nachſeite weniger unterein- andermengend, und folglich wieder unnatuͤrlich, uͤbrigens ſind die Bedingungen, unter welchen ſie entſteht, ziemlich dieſel- ben. — Dagegen haben wir noch dieſe Erſcheinungen des Traumlebens in anderer Hinſicht zu betrachten, naͤmlich in wiefern ſie ſelbſt durch aͤußere Einwirkungen, oder durch be- ſondere krankhafte Stimmungen des leiblichen Organismus (welche immer fuͤr die Phantaſie ein Aeußerliches ſind) be-
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widernatuͤrliche Verbindung von Tag- und Nachtſeite, ein
Schlafwachen (ſchon der Widerſpruch in dieſem Worte be-
zeichnet das Krankhafte) und es tritt hierbey nun ein dop-
pelter Fall ein, naͤmlich entweder entſpricht Traum und
Wirkſamkeit des Schlafenden den aͤußern Verhaͤltniſſen oder
nicht. Das erſtere zeigt ſich in vorzuͤglich hohem Grade im
Schlafwandeln (Somnambulismus), wo Schlafende be-
kanntlich das leiſeſte Gefuͤhl, ja mehr als dieſes, einen ge-
gewiſſen Inſtinkt verrathen, welcher ſie in vielerley Dingen
ſich orientiren, und in den gefaͤhrlichſten Stellen ſich erhal-
ten und fortbewegen lehrt, und welcher eben aus dem weni-
ger bewußten Verſinken der Individualitaͤt in den großen
Naturkreis verſtaͤndlich wird (ſ. §. 231.). — Dieſes Schlaf-
wandeln aber findet ſich vorzuͤglich bey ſehr ſanguiniſchen
Maͤdchen und vorzuͤglich wenn die Unterleibsorgane in nicht
ganz naturgemaͤßem Zuſtande ſind, bey aufgetriebenen Lymph-
druͤſen, Verſchleimungen des Darmkanals, Wuͤrmern u. ſ. w.
welches darthun kann, daß allerdings das Ganglienſyſtem,
wenn wir auch darin keineswegs den alleinigen Grund dieſer
Verſtimmungen ſuchen moͤgen, doch wichtigen Antheil an den-
ſelben nehmen muͤſſe. — Daß uͤbrigens auch der Einfluß des
Mondes auf Erregung dieſer Zuſtaͤnde bedeutend ſey, iſt be-
kannt, und daß dieſer Einfluß gerade beym weiblichen Ge-
ſchlecht wegen der Einwirkung deſſelben auf die Menſtruation
(§. 120 u. f.) bedeutender ſeyn koͤnne, mir ſehr wahrſcheinlich.
§. 240.
Die Schlafrednerey betreffend, ſo iſt dieſelbe offen-
bar ſchon mehr dem bloßen Traume genaͤhert und deßhalb
auch meiſtens den naͤchſten aͤußern Verhaͤltniſſen weniger ent-
ſprechend, ſomit die Tag- und Nachſeite weniger unterein-
andermengend, und folglich wieder unnatuͤrlich, uͤbrigens ſind
die Bedingungen, unter welchen ſie entſteht, ziemlich dieſel-
ben. — Dagegen haben wir noch dieſe Erſcheinungen des
Traumlebens in anderer Hinſicht zu betrachten, naͤmlich in
wiefern ſie ſelbſt durch aͤußere Einwirkungen, oder durch be-
ſondere krankhafte Stimmungen des leiblichen Organismus
(welche immer fuͤr die Phantaſie ein Aeußerliches ſind) be-
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/201>, abgerufen am 04.12.2024.
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