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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Demetrie Kantemirs

Als im folgenden Jahre der Zar in fremde Länder reisete: so ergriff1715
Demetrie diese Gelegenheit, seine Ländereyen zu besuchen; da sich derselbe bis
1716 aufhielte. Damals brachte er seine Geschichte des osmanischen Reichs,
die er zu Constantinopel angefangen hatte, vollends zu Ende.

Im Jahre 1716 übte Demetrie diejenige Gewalt aus, die ihm der Zar1716
über die moldauischen Edelleute verliehen hatte, unter die die Dörfer in der
Ukraina ausgetheilet worden waren. Weil diese Herren fleißig zu Malzeiten
zusammen kamen: so geschahe es einsmals, daß sie bey dem Trunke mit einan-
der uneins wurden und die Säbel zogen; dabey ihrer zween unglücklicher
Weise ums Leben gebracht und verschiedene verwundet wurden. Es wurde
darüber bey dem Fürsten Klage erhoben. Dieser ließ die Verbrecher vorladen,
vor ihm zu erscheinen; da er dann nach geschehener Untersuchung ihrer drey
zum Tode, und einige andere zu den Galeen verdammete. Jedoch verwan-
delte er nachher das Todesurtheil in eine Leibesstrafe; die auch wirklich voll-
strecket und das ganze Verfahren von dem Zare gebilliget wurde. Dieses ist
vielleicht das einzige Beyspiel in der russischen Geschichte von einem Unterthane,
der die Gewalt über Leben und Tod in seinem eigenen Namen ausgeübet hat.

Da im Jahre 1717 der Zar durch die Unruhen, die in seinem Lande1717
erreget worden waren, nach Hause berufen wurde: so kehrete Demetrie gleich-
fals nach Moskow zurück, da derselbe öfters bey ihrer Majestät war, und auch
häufige Besuche von derselben empfing. Bey der Abreise des Zars nach Peters-1718
burg erhielte er Befehl, ihn dahin zu begleiten; die Seinigen aber blieben
zu Moskow zurück, weil seine zweyte Tochter Smaragda an der Schwindsucht
krank war.

Als derselbe nach Petersburg kam: so geschahe es, daß er in einer öffent-
lichen Gesellschaft des Adels, dergleichen ordentlich alle Winter hindurch gehal-
ten wurden, die dritte Tochter des Fürsten Trubezkoi, gegenwärtigen Feldmar-
schalls der russischen Völker, die größte Schönheit ihrer Zeit, zu sehen bekam,
sich in dieselbe verliebte, und wenige Tage hernach bey ihrem Vater um sie an-
hielte. Er erlangte auch sein Gesuch, und vermälete sich mit ihr im Anfange
des Winters. Kurz vor dem Beylager ließ derselbe seinen Bart abscheren,
und verwechselte seine moldauische Tracht mit der französischen. Der Zar geru-
hete, sich persönlich dabey einzufinden, und ihn zur Kirche zu führen, da die
Trauungsfeierlichkeiten vollzogen wurden. Als er ihn wieder zurück gebracht
hatte: so beschenkte er denselben bey dieser Gelegenheit mit einem köstlichen
Degen.

Nach
Demetrie Kantemirs

Als im folgenden Jahre der Zar in fremde Laͤnder reiſete: ſo ergriff1715
Demetrie dieſe Gelegenheit, ſeine Laͤndereyen zu beſuchen; da ſich derſelbe bis
1716 aufhielte. Damals brachte er ſeine Geſchichte des osmaniſchen Reichs,
die er zu Conſtantinopel angefangen hatte, vollends zu Ende.

Im Jahre 1716 uͤbte Demetrie diejenige Gewalt aus, die ihm der Zar1716
uͤber die moldauiſchen Edelleute verliehen hatte, unter die die Doͤrfer in der
Ukraina ausgetheilet worden waren. Weil dieſe Herren fleißig zu Malzeiten
zuſammen kamen: ſo geſchahe es einsmals, daß ſie bey dem Trunke mit einan-
der uneins wurden und die Saͤbel zogen; dabey ihrer zween ungluͤcklicher
Weiſe ums Leben gebracht und verſchiedene verwundet wurden. Es wurde
daruͤber bey dem Fuͤrſten Klage erhoben. Dieſer ließ die Verbrecher vorladen,
vor ihm zu erſcheinen; da er dann nach geſchehener Unterſuchung ihrer drey
zum Tode, und einige andere zu den Galeen verdammete. Jedoch verwan-
delte er nachher das Todesurtheil in eine Leibesſtrafe; die auch wirklich voll-
ſtrecket und das ganze Verfahren von dem Zare gebilliget wurde. Dieſes iſt
vielleicht das einzige Beyſpiel in der ruſſiſchen Geſchichte von einem Unterthane,
der die Gewalt uͤber Leben und Tod in ſeinem eigenen Namen ausgeuͤbet hat.

Da im Jahre 1717 der Zar durch die Unruhen, die in ſeinem Lande1717
erreget worden waren, nach Hauſe berufen wurde: ſo kehrete Demetrie gleich-
fals nach Moskow zuruͤck, da derſelbe oͤfters bey ihrer Majeſtaͤt war, und auch
haͤufige Beſuche von derſelben empfing. Bey der Abreiſe des Zars nach Peters-1718
burg erhielte er Befehl, ihn dahin zu begleiten; die Seinigen aber blieben
zu Moskow zuruͤck, weil ſeine zweyte Tochter Smaragda an der Schwindſucht
krank war.

Als derſelbe nach Petersburg kam: ſo geſchahe es, daß er in einer oͤffent-
lichen Geſellſchaft des Adels, dergleichen ordentlich alle Winter hindurch gehal-
ten wurden, die dritte Tochter des Fuͤrſten Trubezkoi, gegenwaͤrtigen Feldmar-
ſchalls der ruſſiſchen Voͤlker, die groͤßte Schoͤnheit ihrer Zeit, zu ſehen bekam,
ſich in dieſelbe verliebte, und wenige Tage hernach bey ihrem Vater um ſie an-
hielte. Er erlangte auch ſein Geſuch, und vermaͤlete ſich mit ihr im Anfange
des Winters. Kurz vor dem Beylager ließ derſelbe ſeinen Bart abſcheren,
und verwechſelte ſeine moldauiſche Tracht mit der franzoͤſiſchen. Der Zar geru-
hete, ſich perſoͤnlich dabey einzufinden, und ihn zur Kirche zu fuͤhren, da die
Trauungsfeierlichkeiten vollzogen wurden. Als er ihn wieder zuruͤck gebracht
hatte: ſo beſchenkte er denſelben bey dieſer Gelegenheit mit einem koͤſtlichen
Degen.

Nach
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[847/0965] Demetrie Kantemirs Als im folgenden Jahre der Zar in fremde Laͤnder reiſete: ſo ergriff Demetrie dieſe Gelegenheit, ſeine Laͤndereyen zu beſuchen; da ſich derſelbe bis 1716 aufhielte. Damals brachte er ſeine Geſchichte des osmaniſchen Reichs, die er zu Conſtantinopel angefangen hatte, vollends zu Ende. 1715 Im Jahre 1716 uͤbte Demetrie diejenige Gewalt aus, die ihm der Zar uͤber die moldauiſchen Edelleute verliehen hatte, unter die die Doͤrfer in der Ukraina ausgetheilet worden waren. Weil dieſe Herren fleißig zu Malzeiten zuſammen kamen: ſo geſchahe es einsmals, daß ſie bey dem Trunke mit einan- der uneins wurden und die Saͤbel zogen; dabey ihrer zween ungluͤcklicher Weiſe ums Leben gebracht und verſchiedene verwundet wurden. Es wurde daruͤber bey dem Fuͤrſten Klage erhoben. Dieſer ließ die Verbrecher vorladen, vor ihm zu erſcheinen; da er dann nach geſchehener Unterſuchung ihrer drey zum Tode, und einige andere zu den Galeen verdammete. Jedoch verwan- delte er nachher das Todesurtheil in eine Leibesſtrafe; die auch wirklich voll- ſtrecket und das ganze Verfahren von dem Zare gebilliget wurde. Dieſes iſt vielleicht das einzige Beyſpiel in der ruſſiſchen Geſchichte von einem Unterthane, der die Gewalt uͤber Leben und Tod in ſeinem eigenen Namen ausgeuͤbet hat. 1716 Da im Jahre 1717 der Zar durch die Unruhen, die in ſeinem Lande erreget worden waren, nach Hauſe berufen wurde: ſo kehrete Demetrie gleich- fals nach Moskow zuruͤck, da derſelbe oͤfters bey ihrer Majeſtaͤt war, und auch haͤufige Beſuche von derſelben empfing. Bey der Abreiſe des Zars nach Peters- burg erhielte er Befehl, ihn dahin zu begleiten; die Seinigen aber blieben zu Moskow zuruͤck, weil ſeine zweyte Tochter Smaragda an der Schwindſucht krank war. 1717 1718 Als derſelbe nach Petersburg kam: ſo geſchahe es, daß er in einer oͤffent- lichen Geſellſchaft des Adels, dergleichen ordentlich alle Winter hindurch gehal- ten wurden, die dritte Tochter des Fuͤrſten Trubezkoi, gegenwaͤrtigen Feldmar- ſchalls der ruſſiſchen Voͤlker, die groͤßte Schoͤnheit ihrer Zeit, zu ſehen bekam, ſich in dieſelbe verliebte, und wenige Tage hernach bey ihrem Vater um ſie an- hielte. Er erlangte auch ſein Geſuch, und vermaͤlete ſich mit ihr im Anfange des Winters. Kurz vor dem Beylager ließ derſelbe ſeinen Bart abſcheren, und verwechſelte ſeine moldauiſche Tracht mit der franzoͤſiſchen. Der Zar geru- hete, ſich perſoͤnlich dabey einzufinden, und ihn zur Kirche zu fuͤhren, da die Trauungsfeierlichkeiten vollzogen wurden. Als er ihn wieder zuruͤck gebracht hatte: ſo beſchenkte er denſelben bey dieſer Gelegenheit mit einem koͤſtlichen Degen. Nach

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 847. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/965>, abgerufen am 22.11.2024.