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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
das Chutbe 10 zu haben, das ist, daß seiner in den öffentlichen Gebetern na-
mentlich sollte gedacht werden. Einige Geschichtschreiber haben von hier den
Anfang des osmanischen Reiches an gerechnet: sie haben sich aber, wie wir
hiernächst deutlich zeigen werden, in ihrer Rechnung geirret.

Osman dämpfet
die Aufrührer, u.
nimmt den Grie-
chen viele Städteab.

7.

Nachdem Osman sich mit so vielen hohen Ehrenstellen bekleidet sahe:
so schiene ihm nichts mehr zu der königlichen Würde zu fehlen, als der Titel
eines Sultans 11. Er hielte aber doch nicht für dienlich, denselben bey Aelad-
dins Lebzeiten 12 anzunehmen: sondern glaubte, daß es rathsamer sey, den Tod
dieses Fürsten zu erwarten, als durch unzeitige Begierde zu herrschen sowol
sein Reich, als seine eigene Person, in Gefahr zu setzen. Er fand sich auch bey
diesem seinem Entschlusse nicht betrogen. Denn dadurch, daß er seinen Eid
der Treue, den er Aeladdin geschworen hatte, unverbrüchlich hielte, führete er
die Waffen zugleich zu seiner eigenen Vertheidigung. Er zog daher mit seinen
sieghaften Truppen gegen diejenigen Fürsten aus, die von dem Reiche abgefal-
len waren, und brachte dieselben wieder zum Gehorsame. Hierauf kehrete er
H. 687.



J. C. 1289.seine Waffen gegen die Griechen, nahm im Jahre der Hidschret 687 die Stadt
Kulße ein, als die erste Frucht seiner künftigen Siege, und brachte sie zu Ae-
laddins Reiche. Noch in demselben Jahre hielte er ein Treffen mit dem Be-
fehlhaber von Karaschehri oder Schwarzburg, überwand denselben nach einem
hitzigen Gefechte, und bekam dessen Bruder Kalanos oder Kallinikus gefangen.
[Spaltenumbruch]
mit seinem Heere im Felde stehet: so führet
er eine Münze mit sich, die in der Aufschrift
die Worte hat: fi Ordui Hümajun; das ist,
in den Gezelten des Höchsten. Der Chan
der krimischen Tatarey hat aber doch die Ver-
günstigung, Geld zu schlagen und seinen eige-
nen Namen auf dasselbe prägen zu lassen.
10 Chutbe] Hierdurch wird verstanden
die Anrufung oder Bitte in dem öffentlichen
Gebete, für die Wohlfahrt und geheiligte
Majestät des Kaisers, und für den Sieg
über seine Feinde, sonderlich die Christen.
11 Der Titel eines Sultans] Es ist
bereits angemerket worden, daß das arabi-
sche Wort Sultan mit dem persischen [oder
[Spaltenumbruch]
vielmehr mogolischen] Chan überein komme.
Einige halten dafür, es habe seinen Ursprung
von Selatät, das einen Bezwinger oder Mäch-
tigen bedeutet. Wir müssen aber hiebey noch
anführen, daß dieses Wort in gemeinen Re-
den mit einem Fürworte (pronomen) bey
einer ieden Person kann gebrauchet werden:
als Sultanüm, mein Herr; gerade wie wir
das französische Wort Monsieur ohne den
mindesten Unterschied gebrauchen. Wenn
aber Sultan schlechterdings ohne ein Für-
wort, oder mit dem Vorsetzworte el (der)
stehet: so bedeutet es nur allein den Kaiser;
wiewol, wie wir schon erwähnet haben, der
Titel Padischah für höher geachtet wird.
Den Söhnen der Chane in der krimischen
Tatarey wird der Titel eines Sultans zuge-

Diesen

Osmaniſche Geſchichte
das Chutbe 10 zu haben, das iſt, daß ſeiner in den oͤffentlichen Gebetern na-
mentlich ſollte gedacht werden. Einige Geſchichtſchreiber haben von hier den
Anfang des osmaniſchen Reiches an gerechnet: ſie haben ſich aber, wie wir
hiernaͤchſt deutlich zeigen werden, in ihrer Rechnung geirret.

Osman daͤmpfet
die Aufruͤhrer, u.
nimmt den Grie-
chen viele Staͤdteab.

7.

Nachdem Osman ſich mit ſo vielen hohen Ehrenſtellen bekleidet ſahe:
ſo ſchiene ihm nichts mehr zu der koͤniglichen Wuͤrde zu fehlen, als der Titel
eines Sultans 11. Er hielte aber doch nicht fuͤr dienlich, denſelben bey Aelad-
dins Lebzeiten 12 anzunehmen: ſondern glaubte, daß es rathſamer ſey, den Tod
dieſes Fuͤrſten zu erwarten, als durch unzeitige Begierde zu herrſchen ſowol
ſein Reich, als ſeine eigene Perſon, in Gefahr zu ſetzen. Er fand ſich auch bey
dieſem ſeinem Entſchluſſe nicht betrogen. Denn dadurch, daß er ſeinen Eid
der Treue, den er Aeladdin geſchworen hatte, unverbruͤchlich hielte, fuͤhrete er
die Waffen zugleich zu ſeiner eigenen Vertheidigung. Er zog daher mit ſeinen
ſieghaften Truppen gegen diejenigen Fuͤrſten aus, die von dem Reiche abgefal-
len waren, und brachte dieſelben wieder zum Gehorſame. Hierauf kehrete er
H. 687.



J. C. 1289.ſeine Waffen gegen die Griechen, nahm im Jahre der Hidſchret 687 die Stadt
Kulße ein, als die erſte Frucht ſeiner kuͤnftigen Siege, und brachte ſie zu Ae-
laddins Reiche. Noch in demſelben Jahre hielte er ein Treffen mit dem Be-
fehlhaber von Karaſchehri oder Schwarzburg, uͤberwand denſelben nach einem
hitzigen Gefechte, und bekam deſſen Bruder Kalanos oder Kallinikus gefangen.
[Spaltenumbruch]
mit ſeinem Heere im Felde ſtehet: ſo fuͤhret
er eine Muͤnze mit ſich, die in der Aufſchrift
die Worte hat: fi Ordui Huͤmajun; das iſt,
in den Gezelten des Hoͤchſten. Der Chan
der krimiſchen Tatarey hat aber doch die Ver-
guͤnſtigung, Geld zu ſchlagen und ſeinen eige-
nen Namen auf daſſelbe praͤgen zu laſſen.
10 Chutbe] Hierdurch wird verſtanden
die Anrufung oder Bitte in dem oͤffentlichen
Gebete, fuͤr die Wohlfahrt und geheiligte
Majeſtaͤt des Kaiſers, und fuͤr den Sieg
uͤber ſeine Feinde, ſonderlich die Chriſten.
11 Der Titel eines Sultans] Es iſt
bereits angemerket worden, daß das arabi-
ſche Wort Sultan mit dem perſiſchen [oder
[Spaltenumbruch]
vielmehr mogoliſchen] Chan uͤberein komme.
Einige halten dafuͤr, es habe ſeinen Urſprung
von Selataͤt, das einen Bezwinger oder Maͤch-
tigen bedeutet. Wir muͤſſen aber hiebey noch
anfuͤhren, daß dieſes Wort in gemeinen Re-
den mit einem Fuͤrworte (pronomen) bey
einer ieden Perſon kann gebrauchet werden:
als Sultanuͤm, mein Herr; gerade wie wir
das franzoͤſiſche Wort Monſieur ohne den
mindeſten Unterſchied gebrauchen. Wenn
aber Sultan ſchlechterdings ohne ein Fuͤr-
wort, oder mit dem Vorſetzworte el (der)
ſtehet: ſo bedeutet es nur allein den Kaiſer;
wiewol, wie wir ſchon erwaͤhnet haben, der
Titel Padiſchah fuͤr hoͤher geachtet wird.
Den Soͤhnen der Chane in der krimiſchen
Tatarey wird der Titel eines Sultans zuge-

Dieſen
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[18/0090] Osmaniſche Geſchichte das Chutbe ¹⁰ zu haben, das iſt, daß ſeiner in den oͤffentlichen Gebetern na- mentlich ſollte gedacht werden. Einige Geſchichtſchreiber haben von hier den Anfang des osmaniſchen Reiches an gerechnet: ſie haben ſich aber, wie wir hiernaͤchſt deutlich zeigen werden, in ihrer Rechnung geirret. 7. Nachdem Osman ſich mit ſo vielen hohen Ehrenſtellen bekleidet ſahe: ſo ſchiene ihm nichts mehr zu der koͤniglichen Wuͤrde zu fehlen, als der Titel eines Sultans ¹¹ . Er hielte aber doch nicht fuͤr dienlich, denſelben bey Aelad- dins Lebzeiten ¹² anzunehmen: ſondern glaubte, daß es rathſamer ſey, den Tod dieſes Fuͤrſten zu erwarten, als durch unzeitige Begierde zu herrſchen ſowol ſein Reich, als ſeine eigene Perſon, in Gefahr zu ſetzen. Er fand ſich auch bey dieſem ſeinem Entſchluſſe nicht betrogen. Denn dadurch, daß er ſeinen Eid der Treue, den er Aeladdin geſchworen hatte, unverbruͤchlich hielte, fuͤhrete er die Waffen zugleich zu ſeiner eigenen Vertheidigung. Er zog daher mit ſeinen ſieghaften Truppen gegen diejenigen Fuͤrſten aus, die von dem Reiche abgefal- len waren, und brachte dieſelben wieder zum Gehorſame. Hierauf kehrete er ſeine Waffen gegen die Griechen, nahm im Jahre der Hidſchret 687 die Stadt Kulße ein, als die erſte Frucht ſeiner kuͤnftigen Siege, und brachte ſie zu Ae- laddins Reiche. Noch in demſelben Jahre hielte er ein Treffen mit dem Be- fehlhaber von Karaſchehri oder Schwarzburg, uͤberwand denſelben nach einem hitzigen Gefechte, und bekam deſſen Bruder Kalanos oder Kallinikus gefangen. Dieſen mit ſeinem Heere im Felde ſtehet: ſo fuͤhret er eine Muͤnze mit ſich, die in der Aufſchrift die Worte hat: fi Ordui Huͤmajun; das iſt, in den Gezelten des Hoͤchſten. Der Chan der krimiſchen Tatarey hat aber doch die Ver- guͤnſtigung, Geld zu ſchlagen und ſeinen eige- nen Namen auf daſſelbe praͤgen zu laſſen. ¹⁰ Chutbe] Hierdurch wird verſtanden die Anrufung oder Bitte in dem oͤffentlichen Gebete, fuͤr die Wohlfahrt und geheiligte Majeſtaͤt des Kaiſers, und fuͤr den Sieg uͤber ſeine Feinde, ſonderlich die Chriſten. ¹¹ Der Titel eines Sultans] Es iſt bereits angemerket worden, daß das arabi- ſche Wort Sultan mit dem perſiſchen [oder vielmehr mogoliſchen] Chan uͤberein komme. Einige halten dafuͤr, es habe ſeinen Urſprung von Selataͤt, das einen Bezwinger oder Maͤch- tigen bedeutet. Wir muͤſſen aber hiebey noch anfuͤhren, daß dieſes Wort in gemeinen Re- den mit einem Fuͤrworte (pronomen) bey einer ieden Perſon kann gebrauchet werden: als Sultanuͤm, mein Herr; gerade wie wir das franzoͤſiſche Wort Monſieur ohne den mindeſten Unterſchied gebrauchen. Wenn aber Sultan ſchlechterdings ohne ein Fuͤr- wort, oder mit dem Vorſetzworte el (der) ſtehet: ſo bedeutet es nur allein den Kaiſer; wiewol, wie wir ſchon erwaͤhnet haben, der Titel Padiſchah fuͤr hoͤher geachtet wird. Den Soͤhnen der Chane in der krimiſchen Tatarey wird der Titel eines Sultans zuge- ſtanden: H. 687. J. C. 1289.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/90>, abgerufen am 23.11.2024.