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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Der Weßir nimmt dieses für Geiz auf, und hält im Monate Schewwal* des
H. 1122.


J. C. 1710.
Jahres 1122 wegen des Kriegs gegen den Zar eine geheime Berathschlagung
mit dem Chane der krimischen Tatarey und den übrigen Kübbe Weßiren, dar-
innen beynahe einstimmig der Krieg beschlossen wird, wie es der Sultan haben
wollte. Es werden unverzüglich Befehle durch das ganze Reich gesendet, zu
dem bevorstehenden Feldzuge Mannschaft anzuwerben. Des Zars Abgesandter
wird in die sieben Thürme eingesperret, ihm alle seine Güter, so viel man deren
ausfündig machen konnte, abgenommen, und über ihn, als einen Betrieger,
das Todesurtheil gesprochen: welches auch der Sultan würde haben vollstrecken
lassen; wenn nicht der Weßir sich darzwischen geleget und demselben vorgestellet
hätte: wenn er das Völkerrecht auf solche Weise verletze; so werde er seiner
Regierung einen unauslöschlichen Schandflecken anhängen.

Erzeiget dem
Könige von
Schweden ganzbesondere Ehre.
28.

Hingegen werden so gleich fünf hundert Beutel dem Könige von
Schweden unter dem Vorwande eines Anlehns zugesendet; imgleichen demsel-
ben ein Geschenk von sechs und dreyßig Pferden, theils mit, und theils ohne
Sattel und Zeug, und noch andern kaiserlichen Gaben, gemacht: dabey man
ihn zugleich von dem Schutze des osmanischen Hofes versicherte.

Brankowan
wird von Ma-
seppa des Ver-
raths beschuldi-get.
29.

Mittlerweile wurde dem Sultane von Maseppa und andern die
Nachricht hinterbracht, daß der Fürst in der Walachey, Constantin Branko-
wan, einen geheimen Briefwechsel mit dem Zar unterhalte; daß derselbe mit
einem Abfalle von dem osmanischen Reiche umgehe, und dem Zare, wenn er
in Moldau eindringen könne, dreyßig tausend Mann und Lebensmittel auf viele
Jahre versprochen habe, auch bereits zur Bestätigung dieses Bündnisses von
demselben zum Ritter des St. Andreasordens gemacht worden sey. Weil
nun diese Nachricht durch verschiedene andere Paschen bestätiget wurde: so be-
schloß der Sultan, ehe er den Krieg erklärete, sich vorher dieses einheimi-
schen Feindes zu bemächtigen und das osmanische Reich an dieser Wunde
zu heilen.

Man hält eine
Berathschla-
gung, denselbenabzusetzen.
30.

Weil er aber merket, daß es wegen der großen Macht und Anse-
hens dieses Fürsten große Schwierigkeit haben werde, dieses ins Werk zu rich-
[Spaltenumbruch]

8 Osman Aga] Ehe Baltadschi Me-
hemmed Pascha zu der Weßirstelle gelangte,
war derselbe Gjümrükjtschi oder Aufseher
[Spaltenumbruch]
über die Zölle. Er stund bey iedermann in
großem Ansehen, weil man glaubte, daß der
Weßir besonders viel auf ihn hielte. Nach-

ten:
* November.

Osmaniſche Geſchichte
Der Weßir nimmt dieſes fuͤr Geiz auf, und haͤlt im Monate Schewwal* des
H. 1122.


J. C. 1710.
Jahres 1122 wegen des Kriegs gegen den Zar eine geheime Berathſchlagung
mit dem Chane der krimiſchen Tatarey und den uͤbrigen Kuͤbbe Weßiren, dar-
innen beynahe einſtimmig der Krieg beſchloſſen wird, wie es der Sultan haben
wollte. Es werden unverzuͤglich Befehle durch das ganze Reich geſendet, zu
dem bevorſtehenden Feldzuge Mannſchaft anzuwerben. Des Zars Abgeſandter
wird in die ſieben Thuͤrme eingeſperret, ihm alle ſeine Guͤter, ſo viel man deren
ausfuͤndig machen konnte, abgenommen, und uͤber ihn, als einen Betrieger,
das Todesurtheil geſprochen: welches auch der Sultan wuͤrde haben vollſtrecken
laſſen; wenn nicht der Weßir ſich darzwiſchen geleget und demſelben vorgeſtellet
haͤtte: wenn er das Voͤlkerrecht auf ſolche Weiſe verletze; ſo werde er ſeiner
Regierung einen unausloͤſchlichen Schandflecken anhaͤngen.

Erzeiget dem
Koͤnige von
Schweden ganzbeſondere Ehre.
28.

Hingegen werden ſo gleich fuͤnf hundert Beutel dem Koͤnige von
Schweden unter dem Vorwande eines Anlehns zugeſendet; imgleichen demſel-
ben ein Geſchenk von ſechs und dreyßig Pferden, theils mit, und theils ohne
Sattel und Zeug, und noch andern kaiſerlichen Gaben, gemacht: dabey man
ihn zugleich von dem Schutze des osmaniſchen Hofes verſicherte.

Brankowan
wird von Ma-
ſeppa des Ver-
raths beſchuldi-get.
29.

Mittlerweile wurde dem Sultane von Maſeppa und andern die
Nachricht hinterbracht, daß der Fuͤrſt in der Walachey, Conſtantin Branko-
wan, einen geheimen Briefwechſel mit dem Zar unterhalte; daß derſelbe mit
einem Abfalle von dem osmaniſchen Reiche umgehe, und dem Zare, wenn er
in Moldau eindringen koͤnne, dreyßig tauſend Mann und Lebensmittel auf viele
Jahre verſprochen habe, auch bereits zur Beſtaͤtigung dieſes Buͤndniſſes von
demſelben zum Ritter des St. Andreasordens gemacht worden ſey. Weil
nun dieſe Nachricht durch verſchiedene andere Paſchen beſtaͤtiget wurde: ſo be-
ſchloß der Sultan, ehe er den Krieg erklaͤrete, ſich vorher dieſes einheimi-
ſchen Feindes zu bemaͤchtigen und das osmaniſche Reich an dieſer Wunde
zu heilen.

Man haͤlt eine
Berathſchla-
gung, denſelbenabzuſetzen.
30.

Weil er aber merket, daß es wegen der großen Macht und Anſe-
hens dieſes Fuͤrſten große Schwierigkeit haben werde, dieſes ins Werk zu rich-
[Spaltenumbruch]

8 Osman Aga] Ehe Baltadſchi Me-
hemmed Paſcha zu der Weßirſtelle gelangte,
war derſelbe Gjuͤmruͤkjtſchi oder Aufſeher
[Spaltenumbruch]
uͤber die Zoͤlle. Er ſtund bey iedermann in
großem Anſehen, weil man glaubte, daß der
Weßir beſonders viel auf ihn hielte. Nach-

ten:
* November.
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[764/0878] Osmaniſche Geſchichte Der Weßir nimmt dieſes fuͤr Geiz auf, und haͤlt im Monate Schewwal * des Jahres 1122 wegen des Kriegs gegen den Zar eine geheime Berathſchlagung mit dem Chane der krimiſchen Tatarey und den uͤbrigen Kuͤbbe Weßiren, dar- innen beynahe einſtimmig der Krieg beſchloſſen wird, wie es der Sultan haben wollte. Es werden unverzuͤglich Befehle durch das ganze Reich geſendet, zu dem bevorſtehenden Feldzuge Mannſchaft anzuwerben. Des Zars Abgeſandter wird in die ſieben Thuͤrme eingeſperret, ihm alle ſeine Guͤter, ſo viel man deren ausfuͤndig machen konnte, abgenommen, und uͤber ihn, als einen Betrieger, das Todesurtheil geſprochen: welches auch der Sultan wuͤrde haben vollſtrecken laſſen; wenn nicht der Weßir ſich darzwiſchen geleget und demſelben vorgeſtellet haͤtte: wenn er das Voͤlkerrecht auf ſolche Weiſe verletze; ſo werde er ſeiner Regierung einen unausloͤſchlichen Schandflecken anhaͤngen. H. 1122. J. C. 1710. 28. Hingegen werden ſo gleich fuͤnf hundert Beutel dem Koͤnige von Schweden unter dem Vorwande eines Anlehns zugeſendet; imgleichen demſel- ben ein Geſchenk von ſechs und dreyßig Pferden, theils mit, und theils ohne Sattel und Zeug, und noch andern kaiſerlichen Gaben, gemacht: dabey man ihn zugleich von dem Schutze des osmaniſchen Hofes verſicherte. 29. Mittlerweile wurde dem Sultane von Maſeppa und andern die Nachricht hinterbracht, daß der Fuͤrſt in der Walachey, Conſtantin Branko- wan, einen geheimen Briefwechſel mit dem Zar unterhalte; daß derſelbe mit einem Abfalle von dem osmaniſchen Reiche umgehe, und dem Zare, wenn er in Moldau eindringen koͤnne, dreyßig tauſend Mann und Lebensmittel auf viele Jahre verſprochen habe, auch bereits zur Beſtaͤtigung dieſes Buͤndniſſes von demſelben zum Ritter des St. Andreasordens gemacht worden ſey. Weil nun dieſe Nachricht durch verſchiedene andere Paſchen beſtaͤtiget wurde: ſo be- ſchloß der Sultan, ehe er den Krieg erklaͤrete, ſich vorher dieſes einheimi- ſchen Feindes zu bemaͤchtigen und das osmaniſche Reich an dieſer Wunde zu heilen. 30. Weil er aber merket, daß es wegen der großen Macht und Anſe- hens dieſes Fuͤrſten große Schwierigkeit haben werde, dieſes ins Werk zu rich- ten: ⁸ Osman Aga] Ehe Baltadſchi Me- hemmed Paſcha zu der Weßirſtelle gelangte, war derſelbe Gjuͤmruͤkjtſchi oder Aufſeher uͤber die Zoͤlle. Er ſtund bey iedermann in großem Anſehen, weil man glaubte, daß der Weßir beſonders viel auf ihn hielte. Nach- dem * November.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 764. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/878>, abgerufen am 20.05.2024.