der mehr wegen seiner Gerechtigkeit und Gelehrtheit, als wegen seiner kriegeri- schen Eigenschaften, im Ansehen stunde. Dieses waren bloß die Funken und Anzeigen derjenigen Flamme, die bald hernach aus verschiedenen andern Ur- sachen ausbrache.
21.
Nämlich der König von Schweden ließ nach Wegräumung undDer König von Schweden bewe- get den Sultan durch erstaunli- che Mittel, den Frieden mit den Russen zu bre- chen. Verweisung seines Feindes, Ali Paschas, durch seinen Abgesandten, Ponia- towski, dem osmanischen Hofe seine Absichten mit mehrerer Freymüthigkeit er- öffnen, und ihn zu einem Kriege mit Rußland bereden. Er stellete demselben vor: die Stände von Polen stünden mit ihm und Stanislaw in einem Bünd- nisse, und verlangten insgesammt den Wäjwod von Kiow zum Feldherrn ihres Kriegsheeres; in Pommern würden von seinen Kriegsbefehlhabern vierzig tau- send Mann auserlesener Leute angeworben, die ohne die geringste Schwierigkeit in Polen einrücken würden, so bald die türkischen oder tatarischen leichten Trup- pen sich an den Grenzen von Podolien sehen ließen; die Dänen, die mit den Rus- sen ein Bündniß hätten, wären von seinem Feldherrn geschlagen worden und hätten solchen Verlust gelitten, daß man glaube, sie würden in vielen Jahren nicht im Stande seyn, wieder mit einem Kriegesheere im Felde zu erscheinen. Dabey übersendete er dem Sultane ein Bildniß des Zars, das zu Amsterdam gestochen war, mit folgender Aufschrift: PETRVS PRIMVS RVSSO-GRAECORVM MONARCHA. Das ist: Peter der Erste, der russischen Griechen Monarch. [Spaltenumbruch]
terrichtet war: so behielte er beständig, auch mitten unter seinen öffentlichen Verrichtun- gen, eine Liebe zum Lesen und Nachforschen im Gesetze. Indem er aber, so lange er zu Constantinopel war, sich dem nächtlichen Studieren allzustark ergab: so zog er sich da- durch eine solche lächerliche Grille zu, daß er sich einbildete, es säße beständig eine Fliege auf seiner Nase, die zwar, wenn er sie scheuch- te, hinweg flöge, aber alsobald sich wieder an denselben Ort hinsetzte. Alle Aerzte, die zur selbigen Zeit in Constantinopel waren, wurden bey diesem Zustande zu Rathe gezo- [Spaltenumbruch] gen; und nachdem sie alle ihre Bemühungen lange vergebens angewendet hatten: so er- fand endlich ein französischer Arzt, Namens Le Düc, ein geschicktes Mittel, diese Krank- heit zu heilen. Denn er fing die Sache nicht so an, wie die andern, daß er ihn zu über- führen suchte, es sey alles bloße Einbildung und gar nichts daran; sondern, als man ihn zu dem Kranken führete, und dieser ihn fragte; ob er nicht die Fliege sehe, die auf seiner Nase sitze: so sagte er; Ja; und brachte dadurch die verwirrte Person dahin, daß sie das größte Vertrauen in ihn setzte. Hier-
Hiezu
5 D
23. Aehmed der III
der mehr wegen ſeiner Gerechtigkeit und Gelehrtheit, als wegen ſeiner kriegeri- ſchen Eigenſchaften, im Anſehen ſtunde. Dieſes waren bloß die Funken und Anzeigen derjenigen Flamme, die bald hernach aus verſchiedenen andern Ur- ſachen ausbrache.
21.
Naͤmlich der Koͤnig von Schweden ließ nach Wegraͤumung undDer Koͤnig von Schweden bewe- get den Sultan durch erſtaunli- che Mittel, den Frieden mit den Ruſſen zu bre- chen. Verweiſung ſeines Feindes, Ali Paſchas, durch ſeinen Abgeſandten, Ponia- towſki, dem osmaniſchen Hofe ſeine Abſichten mit mehrerer Freymuͤthigkeit er- oͤffnen, und ihn zu einem Kriege mit Rußland bereden. Er ſtellete demſelben vor: die Staͤnde von Polen ſtuͤnden mit ihm und Staniſlaw in einem Buͤnd- niſſe, und verlangten insgeſammt den Waͤjwod von Kiow zum Feldherrn ihres Kriegsheeres; in Pommern wuͤrden von ſeinen Kriegsbefehlhabern vierzig tau- ſend Mann auserleſener Leute angeworben, die ohne die geringſte Schwierigkeit in Polen einruͤcken wuͤrden, ſo bald die tuͤrkiſchen oder tatariſchen leichten Trup- pen ſich an den Grenzen von Podolien ſehen ließen; die Daͤnen, die mit den Ruſ- ſen ein Buͤndniß haͤtten, waͤren von ſeinem Feldherrn geſchlagen worden und haͤtten ſolchen Verluſt gelitten, daß man glaube, ſie wuͤrden in vielen Jahren nicht im Stande ſeyn, wieder mit einem Kriegesheere im Felde zu erſcheinen. Dabey uͤberſendete er dem Sultane ein Bildniß des Zars, das zu Amſterdam geſtochen war, mit folgender Aufſchrift: PETRVS PRIMVS RVSSO-GRAECORVM MONARCHA. Das iſt: Peter der Erſte, der ruſſiſchen Griechen Monarch. [Spaltenumbruch]
terrichtet war: ſo behielte er beſtaͤndig, auch mitten unter ſeinen oͤffentlichen Verrichtun- gen, eine Liebe zum Leſen und Nachforſchen im Geſetze. Indem er aber, ſo lange er zu Conſtantinopel war, ſich dem naͤchtlichen Studieren allzuſtark ergab: ſo zog er ſich da- durch eine ſolche laͤcherliche Grille zu, daß er ſich einbildete, es ſaͤße beſtaͤndig eine Fliege auf ſeiner Naſe, die zwar, wenn er ſie ſcheuch- te, hinweg floͤge, aber alſobald ſich wieder an denſelben Ort hinſetzte. Alle Aerzte, die zur ſelbigen Zeit in Conſtantinopel waren, wurden bey dieſem Zuſtande zu Rathe gezo- [Spaltenumbruch] gen; und nachdem ſie alle ihre Bemuͤhungen lange vergebens angewendet hatten: ſo er- fand endlich ein franzoͤſiſcher Arzt, Namens Le Duͤc, ein geſchicktes Mittel, dieſe Krank- heit zu heilen. Denn er fing die Sache nicht ſo an, wie die andern, daß er ihn zu uͤber- fuͤhren ſuchte, es ſey alles bloße Einbildung und gar nichts daran; ſondern, als man ihn zu dem Kranken fuͤhrete, und dieſer ihn fragte; ob er nicht die Fliege ſehe, die auf ſeiner Naſe ſitze: ſo ſagte er; Ja; und brachte dadurch die verwirrte Perſon dahin, daß ſie das groͤßte Vertrauen in ihn ſetzte. Hier-
Hiezu
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[761/0875]
23. Aehmed der III
der mehr wegen ſeiner Gerechtigkeit und Gelehrtheit, als wegen ſeiner kriegeri-
ſchen Eigenſchaften, im Anſehen ſtunde. Dieſes waren bloß die Funken und
Anzeigen derjenigen Flamme, die bald hernach aus verſchiedenen andern Ur-
ſachen ausbrache.
21. Naͤmlich der Koͤnig von Schweden ließ nach Wegraͤumung und
Verweiſung ſeines Feindes, Ali Paſchas, durch ſeinen Abgeſandten, Ponia-
towſki, dem osmaniſchen Hofe ſeine Abſichten mit mehrerer Freymuͤthigkeit er-
oͤffnen, und ihn zu einem Kriege mit Rußland bereden. Er ſtellete demſelben
vor: die Staͤnde von Polen ſtuͤnden mit ihm und Staniſlaw in einem Buͤnd-
niſſe, und verlangten insgeſammt den Waͤjwod von Kiow zum Feldherrn ihres
Kriegsheeres; in Pommern wuͤrden von ſeinen Kriegsbefehlhabern vierzig tau-
ſend Mann auserleſener Leute angeworben, die ohne die geringſte Schwierigkeit
in Polen einruͤcken wuͤrden, ſo bald die tuͤrkiſchen oder tatariſchen leichten Trup-
pen ſich an den Grenzen von Podolien ſehen ließen; die Daͤnen, die mit den Ruſ-
ſen ein Buͤndniß haͤtten, waͤren von ſeinem Feldherrn geſchlagen worden und
haͤtten ſolchen Verluſt gelitten, daß man glaube, ſie wuͤrden in vielen Jahren
nicht im Stande ſeyn, wieder mit einem Kriegesheere im Felde zu erſcheinen.
Dabey uͤberſendete er dem Sultane ein Bildniß des Zars, das zu Amſterdam
geſtochen war, mit folgender Aufſchrift:
PETRVS PRIMVS RVSSO-GRAECORVM MONARCHA.
Das iſt:
Peter der Erſte, der ruſſiſchen Griechen Monarch.
Hiezu
terrichtet war: ſo behielte er beſtaͤndig, auch
mitten unter ſeinen oͤffentlichen Verrichtun-
gen, eine Liebe zum Leſen und Nachforſchen
im Geſetze. Indem er aber, ſo lange er zu
Conſtantinopel war, ſich dem naͤchtlichen
Studieren allzuſtark ergab: ſo zog er ſich da-
durch eine ſolche laͤcherliche Grille zu, daß
er ſich einbildete, es ſaͤße beſtaͤndig eine Fliege
auf ſeiner Naſe, die zwar, wenn er ſie ſcheuch-
te, hinweg floͤge, aber alſobald ſich wieder
an denſelben Ort hinſetzte. Alle Aerzte, die
zur ſelbigen Zeit in Conſtantinopel waren,
wurden bey dieſem Zuſtande zu Rathe gezo-
gen; und nachdem ſie alle ihre Bemuͤhungen
lange vergebens angewendet hatten: ſo er-
fand endlich ein franzoͤſiſcher Arzt, Namens
Le Duͤc, ein geſchicktes Mittel, dieſe Krank-
heit zu heilen. Denn er fing die Sache nicht
ſo an, wie die andern, daß er ihn zu uͤber-
fuͤhren ſuchte, es ſey alles bloße Einbildung
und gar nichts daran; ſondern, als man
ihn zu dem Kranken fuͤhrete, und dieſer ihn
fragte; ob er nicht die Fliege ſehe, die auf
ſeiner Naſe ſitze: ſo ſagte er; Ja; und brachte
dadurch die verwirrte Perſon dahin, daß ſie
das groͤßte Vertrauen in ihn ſetzte. Hier-
auf
Der Koͤnig von
Schweden bewe-
get den Sultan
durch erſtaunli-
che Mittel, den
Frieden mit den
Ruſſen zu bre-
chen.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 761. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/875>, abgerufen am 22.11.2024.
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