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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Mehemmed
wird abgesetzet,
und Tschorlüli
Ali Pascha komtan seine Stelle.
8.

Diesem folgete am dritten April des 1705ten Jahres in dem Amte
Tschorlüli Ali Pascha 6, ein Mann von geringer Herkunft, aber von überaus
scharfsinnigem Verstande; der sich sehr bemühete, den Frieden beyzubehalten.
H. 1117.



J. C. 1705.Während seiner Verwaltung bekam das osmanische Reich solche Gäste, derglei-
[Spaltenumbruch]
der Jeng-itscheri zu sich zu nehmen und damit
des Weßirs Haus zu besetzen; hierauf hin-
ein zu gehen, das kaiserliche Siegel demselben
abzufordern, und es bis auf weitern Befehl
zu verwahren: ohne den mindesten Verzug
aber den Weßir nach Constantinopel zu sen-
den. Nachdem Jusüf Aga diesen Befehl
gelesen hatte: so stellet er die Jeng-itscheri
rings um das Haus herum; iedoch in solcher
ziemlichen Entfernung, daß es keinen Ver-
dacht erwecken konnte: hierauf gehet er selbst
in das Haus, und trifft den Weßir an, daß
er mit Efendi Omer im Schache spielet.
Der Weßir wendet sich gegen ihn, grüßet den-
selben, und ersuchet ihn zu verziehen, bis
das Spiel zu Ende sey; das aber so ver-
wirrt war, daß er gestehen mußte, es sey ihm
desgleichen in seinem Leben noch nicht vorge-
kommen. Als dasselbe zu Ende ist: so tritt
der Aga der Jeng-itscheri zu ihm, und nach
einigen vorhergängigen Entschuldigungen er-
öffnet er demselben des Sultans Befehl.
Der Weßir unterwirft sich demselben, und
bittet nur den Chassäkji Aga inständig, dem
Sultane verschiedene Sachen zu sagen, die
zu seiner Rechtfertigung dieneten. Solcher-
gestalt wurde der Weßir zum andernmale
seiner Würde entsetzet, und anfangs nach
Lemnos, und hierauf nach Rhodes verban-
net; da derselbe, der gemeinen Erzählung
nach, eines natürlichen Todes starb. Es
wollen aber doch viele behaupten, er sey auf
des Sultans Befehl ingeheim ums Leben
gebracht worden; die Nachricht aber, daß er
eines natürlichen Todes verstorben sey, habe
man aus dieser Ursache ausgesprenget, weil
[Spaltenumbruch]
er bey dem Volke sowol als bey den Soldaten
wegen seiner großen Leutseligkeit ungemein
beliebt gewesen sey.
6 Tschorlüli Ali Pascha] Er war
geboren zu Tschorlü, einer Stadt in Thracien,
die das Tyrilos der Alten ist, und hatte daher
den Beynamen Tschorlüli bekommen. Seine
Aeltern, die geringe und arme Leute waren,
hatten ihn in seiner Jugend die Barbierkunst
lernen lassen. Gerade um diese Zeit trug es
sich zu, daß Kara Bäjram Ogli, einer von den
Kapudschi Baschi, von Constantinopel nach
Adrianopel reisete (da Sultan Muhämmed
der IIII damals sein Hoflager hatte), und
in seines Vaters Hause die Einkehre nahm,
wie er ordentlich zu thun pflegte. Als dieser
die gute Gesichtsbildung des jungen Menschen
bemerket: so fraget er ihn; ob er mit ihm
ziehen und ein Osmanlü (das ist, ein Hof-
bedienter) werden wolle? Der Jüngling
nimmt dieses Anerbieten an; seine Aeltern
aber wollen es nicht gestatten, und zwar, wie
sie vorgaben, wegen ihrer Armuth. Dessen
ungeachtet gehet Ali auch gegen ihren Willen
mit dem Kapudschi Baschi nach Adrianopel.
Hier that ihn derselbe in die Schule: darin-
nen Ali in kurzer Zeit im Lernen so stark zu-
nahm, daß Kara Bäjram Ogli es für rath-
samer hielte, ihn in des Sultans Palast
zu bringen, da, als auf einem weitläuftigen
Schauplatze, seine guten Eigenschaften ihren
Glanz von sich werfen, und er, als sein Gön-
ner, sein künftiges Glück befördern könnte;
als ihn bey sich im Hause zu behalten und
zu knechtischen Diensten zu gebrauchen. Da

chen
Osmaniſche Geſchichte
Mehemmed
wird abgeſetzet,
und Tſchorluͤli
Ali Paſcha komtan ſeine Stelle.
8.

Dieſem folgete am dritten April des 1705ten Jahres in dem Amte
Tſchorluͤli Ali Paſcha 6, ein Mann von geringer Herkunft, aber von uͤberaus
ſcharfſinnigem Verſtande; der ſich ſehr bemuͤhete, den Frieden beyzubehalten.
H. 1117.



J. C. 1705.Waͤhrend ſeiner Verwaltung bekam das osmaniſche Reich ſolche Gaͤſte, derglei-
[Spaltenumbruch]
der Jeng-itſcheri zu ſich zu nehmen und damit
des Weßirs Haus zu beſetzen; hierauf hin-
ein zu gehen, das kaiſerliche Siegel demſelben
abzufordern, und es bis auf weitern Befehl
zu verwahren: ohne den mindeſten Verzug
aber den Weßir nach Conſtantinopel zu ſen-
den. Nachdem Juſuͤf Aga dieſen Befehl
geleſen hatte: ſo ſtellet er die Jeng-itſcheri
rings um das Haus herum; iedoch in ſolcher
ziemlichen Entfernung, daß es keinen Ver-
dacht erwecken konnte: hierauf gehet er ſelbſt
in das Haus, und trifft den Weßir an, daß
er mit Efendi Omer im Schache ſpielet.
Der Weßir wendet ſich gegen ihn, gruͤßet den-
ſelben, und erſuchet ihn zu verziehen, bis
das Spiel zu Ende ſey; das aber ſo ver-
wirrt war, daß er geſtehen mußte, es ſey ihm
desgleichen in ſeinem Leben noch nicht vorge-
kommen. Als daſſelbe zu Ende iſt: ſo tritt
der Aga der Jeng-itſcheri zu ihm, und nach
einigen vorhergaͤngigen Entſchuldigungen er-
oͤffnet er demſelben des Sultans Befehl.
Der Weßir unterwirft ſich demſelben, und
bittet nur den Chaſſaͤkji Aga inſtaͤndig, dem
Sultane verſchiedene Sachen zu ſagen, die
zu ſeiner Rechtfertigung dieneten. Solcher-
geſtalt wurde der Weßir zum andernmale
ſeiner Wuͤrde entſetzet, und anfangs nach
Lemnos, und hierauf nach Rhodes verban-
net; da derſelbe, der gemeinen Erzaͤhlung
nach, eines natuͤrlichen Todes ſtarb. Es
wollen aber doch viele behaupten, er ſey auf
des Sultans Befehl ingeheim ums Leben
gebracht worden; die Nachricht aber, daß er
eines natuͤrlichen Todes verſtorben ſey, habe
man aus dieſer Urſache ausgeſprenget, weil
[Spaltenumbruch]
er bey dem Volke ſowol als bey den Soldaten
wegen ſeiner großen Leutſeligkeit ungemein
beliebt geweſen ſey.
6 Tſchorluͤli Ali Paſcha] Er war
geboren zu Tſchorluͤ, einer Stadt in Thracien,
die das Tyrilos der Alten iſt, und hatte daher
den Beynamen Tſchorluͤli bekommen. Seine
Aeltern, die geringe und arme Leute waren,
hatten ihn in ſeiner Jugend die Barbierkunſt
lernen laſſen. Gerade um dieſe Zeit trug es
ſich zu, daß Kara Baͤjram Ogli, einer von den
Kapudſchi Baſchi, von Conſtantinopel nach
Adrianopel reiſete (da Sultan Muhaͤmmed
der IIII damals ſein Hoflager hatte), und
in ſeines Vaters Hauſe die Einkehre nahm,
wie er ordentlich zu thun pflegte. Als dieſer
die gute Geſichtsbildung des jungen Menſchen
bemerket: ſo fraget er ihn; ob er mit ihm
ziehen und ein Osmanluͤ (das iſt, ein Hof-
bedienter) werden wolle? Der Juͤngling
nimmt dieſes Anerbieten an; ſeine Aeltern
aber wollen es nicht geſtatten, und zwar, wie
ſie vorgaben, wegen ihrer Armuth. Deſſen
ungeachtet gehet Ali auch gegen ihren Willen
mit dem Kapudſchi Baſchi nach Adrianopel.
Hier that ihn derſelbe in die Schule: darin-
nen Ali in kurzer Zeit im Lernen ſo ſtark zu-
nahm, daß Kara Baͤjram Ogli es fuͤr rath-
ſamer hielte, ihn in des Sultans Palaſt
zu bringen, da, als auf einem weitlaͤuftigen
Schauplatze, ſeine guten Eigenſchaften ihren
Glanz von ſich werfen, und er, als ſein Goͤn-
ner, ſein kuͤnftiges Gluͤck befoͤrdern koͤnnte;
als ihn bey ſich im Hauſe zu behalten und
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[752/0866] Osmaniſche Geſchichte 8. Dieſem folgete am dritten April des 1705ten Jahres in dem Amte Tſchorluͤli Ali Paſcha ⁶ , ein Mann von geringer Herkunft, aber von uͤberaus ſcharfſinnigem Verſtande; der ſich ſehr bemuͤhete, den Frieden beyzubehalten. Waͤhrend ſeiner Verwaltung bekam das osmaniſche Reich ſolche Gaͤſte, derglei- chen der Jeng-itſcheri zu ſich zu nehmen und damit des Weßirs Haus zu beſetzen; hierauf hin- ein zu gehen, das kaiſerliche Siegel demſelben abzufordern, und es bis auf weitern Befehl zu verwahren: ohne den mindeſten Verzug aber den Weßir nach Conſtantinopel zu ſen- den. Nachdem Juſuͤf Aga dieſen Befehl geleſen hatte: ſo ſtellet er die Jeng-itſcheri rings um das Haus herum; iedoch in ſolcher ziemlichen Entfernung, daß es keinen Ver- dacht erwecken konnte: hierauf gehet er ſelbſt in das Haus, und trifft den Weßir an, daß er mit Efendi Omer im Schache ſpielet. Der Weßir wendet ſich gegen ihn, gruͤßet den- ſelben, und erſuchet ihn zu verziehen, bis das Spiel zu Ende ſey; das aber ſo ver- wirrt war, daß er geſtehen mußte, es ſey ihm desgleichen in ſeinem Leben noch nicht vorge- kommen. Als daſſelbe zu Ende iſt: ſo tritt der Aga der Jeng-itſcheri zu ihm, und nach einigen vorhergaͤngigen Entſchuldigungen er- oͤffnet er demſelben des Sultans Befehl. Der Weßir unterwirft ſich demſelben, und bittet nur den Chaſſaͤkji Aga inſtaͤndig, dem Sultane verſchiedene Sachen zu ſagen, die zu ſeiner Rechtfertigung dieneten. Solcher- geſtalt wurde der Weßir zum andernmale ſeiner Wuͤrde entſetzet, und anfangs nach Lemnos, und hierauf nach Rhodes verban- net; da derſelbe, der gemeinen Erzaͤhlung nach, eines natuͤrlichen Todes ſtarb. Es wollen aber doch viele behaupten, er ſey auf des Sultans Befehl ingeheim ums Leben gebracht worden; die Nachricht aber, daß er eines natuͤrlichen Todes verſtorben ſey, habe man aus dieſer Urſache ausgeſprenget, weil er bey dem Volke ſowol als bey den Soldaten wegen ſeiner großen Leutſeligkeit ungemein beliebt geweſen ſey. ⁶ Tſchorluͤli Ali Paſcha] Er war geboren zu Tſchorluͤ, einer Stadt in Thracien, die das Tyrilos der Alten iſt, und hatte daher den Beynamen Tſchorluͤli bekommen. Seine Aeltern, die geringe und arme Leute waren, hatten ihn in ſeiner Jugend die Barbierkunſt lernen laſſen. Gerade um dieſe Zeit trug es ſich zu, daß Kara Baͤjram Ogli, einer von den Kapudſchi Baſchi, von Conſtantinopel nach Adrianopel reiſete (da Sultan Muhaͤmmed der IIII damals ſein Hoflager hatte), und in ſeines Vaters Hauſe die Einkehre nahm, wie er ordentlich zu thun pflegte. Als dieſer die gute Geſichtsbildung des jungen Menſchen bemerket: ſo fraget er ihn; ob er mit ihm ziehen und ein Osmanluͤ (das iſt, ein Hof- bedienter) werden wolle? Der Juͤngling nimmt dieſes Anerbieten an; ſeine Aeltern aber wollen es nicht geſtatten, und zwar, wie ſie vorgaben, wegen ihrer Armuth. Deſſen ungeachtet gehet Ali auch gegen ihren Willen mit dem Kapudſchi Baſchi nach Adrianopel. Hier that ihn derſelbe in die Schule: darin- nen Ali in kurzer Zeit im Lernen ſo ſtark zu- nahm, daß Kara Baͤjram Ogli es fuͤr rath- ſamer hielte, ihn in des Sultans Palaſt zu bringen, da, als auf einem weitlaͤuftigen Schauplatze, ſeine guten Eigenſchaften ihren Glanz von ſich werfen, und er, als ſein Goͤn- ner, ſein kuͤnftiges Gluͤck befoͤrdern koͤnnte; als ihn bey ſich im Hauſe zu behalten und zu knechtiſchen Dienſten zu gebrauchen. Da er H. 1117. J. C. 1705.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/866>, abgerufen am 25.11.2024.