Dümdar zogen mit dem Antheile ihres Vermögens anfangs an einen Ort, Sirma- lißukur genennet, und schlugen daselbst ihre Gezelte auf. Hier endigte Dümdar in wenigen Tagen sein Leben. Erdogrul nahm also seine eigene und seines Bruders Macht zusammen, und bezwang, entweder durch Gewalt der Waffen oder durch Statslist, alle die Länder zwischen Aleppo und Cäsarea, samt ihren Schlössern und Städten. Allenthalben aber führete er 5 die muhämmedische Religion ein, als der er selbst zugethan war.
Erdogrul be- giebt sich zu Ae-laddin.
2.
Indem sein Ruhm solchergestalt zunahm: so achtete Aeladdin 6, Sul- tan von Ikonien, es für weit rathsamer, einen so beherzten und unermüdeten Kriegsmann an sich zu locken und ihn an das Haupt seines Heeres zu setzen; als mit demselben, wie mit einem Feinde, sich herum zu schlagen. Er ging eben mit diesen Gedanken um, als jener unverhoffter Weise ihm zuvor kam. Denn es langte eine Gesandschaft von Erdogrul bey ihm an, deren Haupt sein Sohn Sarujat war, der in seines Vaters Namen um ein Stück Landes in dessen Gebiete anhalten sollte, daselbst er und seine Leute in Friede und Freund- schaft mit ihm wohnen könnten. Als Aeladdin diese Gesandschaft erhielte, und sahe, wie das Sprichwort lautet, daß dasjenige, was er vom Himmel erwartet hatte, ihm auf Erden entgegen gekommen war: so war er bereit und willig, Erdogrul seine Bitte zu gewähren. Er schickte seine eigenen Gesandten mit den angekommenen zurück, und ließ Sarujat mit vielen Ehrenbezeigungen von sich: seinen Vater aber ließ er ersuchen, unverzüglich an seinen Hof zu kommen, da man ihn so empfangen würde, wie es ein so berühmter Feldherr verdienete. Durch diese Versprechungen wurde Erdogrul bewogen, sich schleunig zu Aelad- din zu verfügen, und reisete gleich mit dessen Gesandten ab. Er wurde auch von demselben mit vieler Hochachtung empfangen, und erhielte die Landschaft Ankyra zu seinem ersten Wohnplatze.
[Spaltenumbruch]
men oder Gerüchte begabet; Aelemdar, die Standarte haltend, oder ein Standartenträ- ger; u. s. w.
5 Allenthalben führete er] Die Türken schreiben den glücklichen Fortgang bey Errich- tung ihres Reiches nicht sowol menschlicher Klugheit, Statslist und Tapferkeit: als viel- mehr diesem zu, daß ihre ersten Kaiser nicht aus Ehrgeiz und Begierde zu herrschen; son- [Spaltenumbruch] dern aus Eifer, die muhämmedische Religion auszubreiten, Kriege geführet, und auf solche Weise sich den göttlichen Beystand bey ihren Unternehmungen zuwege gebracht hätten.
6 Aeladdin*] Herr oder Sultan von Ikonien. Er wird von den türkischen Ge- schichtschreibern allezeit der andere genennet. Ob nun gleich dieselben keines erstern geden- ken: so ist doch höchst wahrscheinlich, daß
3. Aeladdin
* Eigentlich Aela-üddin, oder Aela-eddin, die Erhöhung des Glaubens.
Osmaniſche Geſchichte
Duͤmdar zogen mit dem Antheile ihres Vermoͤgens anfangs an einen Ort, Sirma- lißukur genennet, und ſchlugen daſelbſt ihre Gezelte auf. Hier endigte Duͤmdar in wenigen Tagen ſein Leben. Erdogrul nahm alſo ſeine eigene und ſeines Bruders Macht zuſammen, und bezwang, entweder durch Gewalt der Waffen oder durch Statsliſt, alle die Laͤnder zwiſchen Aleppo und Caͤſarea, ſamt ihren Schloͤſſern und Staͤdten. Allenthalben aber fuͤhrete er 5 die muhaͤmmediſche Religion ein, als der er ſelbſt zugethan war.
Erdogrul be- giebt ſich zu Ae-laddin.
2.
Indem ſein Ruhm ſolchergeſtalt zunahm: ſo achtete Aeladdin 6, Sul- tan von Ikonien, es fuͤr weit rathſamer, einen ſo beherzten und unermuͤdeten Kriegsmann an ſich zu locken und ihn an das Haupt ſeines Heeres zu ſetzen; als mit demſelben, wie mit einem Feinde, ſich herum zu ſchlagen. Er ging eben mit dieſen Gedanken um, als jener unverhoffter Weiſe ihm zuvor kam. Denn es langte eine Geſandſchaft von Erdogrul bey ihm an, deren Haupt ſein Sohn Sarujat war, der in ſeines Vaters Namen um ein Stuͤck Landes in deſſen Gebiete anhalten ſollte, daſelbſt er und ſeine Leute in Friede und Freund- ſchaft mit ihm wohnen koͤnnten. Als Aeladdin dieſe Geſandſchaft erhielte, und ſahe, wie das Sprichwort lautet, daß dasjenige, was er vom Himmel erwartet hatte, ihm auf Erden entgegen gekommen war: ſo war er bereit und willig, Erdogrul ſeine Bitte zu gewaͤhren. Er ſchickte ſeine eigenen Geſandten mit den angekommenen zuruͤck, und ließ Sarujat mit vielen Ehrenbezeigungen von ſich: ſeinen Vater aber ließ er erſuchen, unverzuͤglich an ſeinen Hof zu kommen, da man ihn ſo empfangen wuͤrde, wie es ein ſo beruͤhmter Feldherr verdienete. Durch dieſe Verſprechungen wurde Erdogrul bewogen, ſich ſchleunig zu Aelad- din zu verfuͤgen, und reiſete gleich mit deſſen Geſandten ab. Er wurde auch von demſelben mit vieler Hochachtung empfangen, und erhielte die Landſchaft Ankyra zu ſeinem erſten Wohnplatze.
[Spaltenumbruch]
men oder Geruͤchte begabet; Aelemdar, die Standarte haltend, oder ein Standartentraͤ- ger; u. ſ. w.
5 Allenthalben fuͤhrete er] Die Tuͤrken ſchreiben den gluͤcklichen Fortgang bey Errich- tung ihres Reiches nicht ſowol menſchlicher Klugheit, Statsliſt und Tapferkeit: als viel- mehr dieſem zu, daß ihre erſten Kaiſer nicht aus Ehrgeiz und Begierde zu herrſchen; ſon- [Spaltenumbruch] dern aus Eifer, die muhaͤmmediſche Religion auszubreiten, Kriege gefuͤhret, und auf ſolche Weiſe ſich den goͤttlichen Beyſtand bey ihren Unternehmungen zuwege gebracht haͤtten.
6 Aeladdin*] Herr oder Sultan von Ikonien. Er wird von den tuͤrkiſchen Ge- ſchichtſchreibern allezeit der andere genennet. Ob nun gleich dieſelben keines erſtern geden- ken: ſo iſt doch hoͤchſt wahrſcheinlich, daß
3. Aeladdin
* Eigentlich Aela-uͤddin, oder Aela-eddin, die Erhoͤhung des Glaubens.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0086"n="14"/><fwplace="top"type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/>
Duͤmdar zogen mit dem Antheile ihres Vermoͤgens anfangs an einen Ort, Sirma-<lb/>
lißukur genennet, und ſchlugen daſelbſt ihre Gezelte auf. Hier endigte Duͤmdar<lb/>
in wenigen Tagen ſein Leben. Erdogrul nahm alſo ſeine eigene und ſeines<lb/>
Bruders Macht zuſammen, und bezwang, entweder durch Gewalt der Waffen<lb/>
oder durch Statsliſt, alle die Laͤnder zwiſchen Aleppo und Caͤſarea, ſamt ihren<lb/>
Schloͤſſern und Staͤdten. Allenthalben aber fuͤhrete er <noteplace="end"n="5"/> die muhaͤmmediſche<lb/>
Religion ein, als der er ſelbſt zugethan war.</p><lb/><noteplace="left">Erdogrul be-<lb/>
giebt ſich zu Ae-laddin.</note></div><lb/><divn="3"><head>2.</head><p>Indem ſein Ruhm ſolchergeſtalt zunahm: ſo achtete Aeladdin <noteplace="end"n="6"/>, Sul-<lb/>
tan von Ikonien, es fuͤr weit rathſamer, einen ſo beherzten und unermuͤdeten<lb/>
Kriegsmann an ſich zu locken und ihn an das Haupt ſeines Heeres zu ſetzen;<lb/>
als mit demſelben, wie mit einem Feinde, ſich herum zu ſchlagen. Er ging<lb/>
eben mit dieſen Gedanken um, als jener unverhoffter Weiſe ihm zuvor kam.<lb/>
Denn es langte eine Geſandſchaft von Erdogrul bey ihm an, deren Haupt ſein<lb/>
Sohn Sarujat war, der in ſeines Vaters Namen um ein Stuͤck Landes in<lb/>
deſſen Gebiete anhalten ſollte, daſelbſt er und ſeine Leute in Friede und Freund-<lb/>ſchaft mit ihm wohnen koͤnnten. Als Aeladdin dieſe Geſandſchaft erhielte, und<lb/>ſahe, wie das Sprichwort lautet, daß dasjenige, was er vom Himmel erwartet<lb/>
hatte, ihm auf Erden entgegen gekommen war: ſo war er bereit und willig,<lb/>
Erdogrul ſeine Bitte zu gewaͤhren. Er ſchickte ſeine eigenen Geſandten mit<lb/>
den angekommenen zuruͤck, und ließ Sarujat mit vielen Ehrenbezeigungen von<lb/>ſich: ſeinen Vater aber ließ er erſuchen, unverzuͤglich an ſeinen Hof zu kommen,<lb/>
da man ihn ſo empfangen wuͤrde, wie es ein ſo beruͤhmter Feldherr verdienete.<lb/>
Durch dieſe Verſprechungen wurde Erdogrul bewogen, ſich ſchleunig zu Aelad-<lb/>
din zu verfuͤgen, und reiſete gleich mit deſſen Geſandten ab. Er wurde auch<lb/>
von demſelben mit vieler Hochachtung empfangen, und erhielte die Landſchaft<lb/>
Ankyra zu ſeinem erſten Wohnplatze.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">3. Aeladdin</fw><lb/><cbn="1"/><lb/><notexml:id="L86"prev="#L85"place="end">men oder Geruͤchte begabet; Aelemdar, die<lb/>
Standarte haltend, oder ein Standartentraͤ-<lb/>
ger; u. ſ. w.</note><lb/><noteplace="end"n="5">Allenthalben fuͤhrete er] Die Tuͤrken<lb/>ſchreiben den gluͤcklichen Fortgang bey Errich-<lb/>
tung ihres Reiches nicht ſowol menſchlicher<lb/>
Klugheit, Statsliſt und Tapferkeit: als viel-<lb/>
mehr dieſem zu, daß ihre erſten Kaiſer nicht<lb/>
aus Ehrgeiz und Begierde zu herrſchen; ſon-<lb/><cbn="2"/><lb/>
dern aus Eifer, die muhaͤmmediſche Religion<lb/>
auszubreiten, Kriege gefuͤhret, und auf ſolche<lb/>
Weiſe ſich den goͤttlichen Beyſtand bey ihren<lb/>
Unternehmungen zuwege gebracht haͤtten.</note><lb/><notexml:id="M86"next="#M87"place="end"n="6">Aeladdin<noteplace="foot"n="*">Eigentlich Aela-uͤddin, oder Aela-eddin, die Erhoͤhung des Glaubens.</note>] Herr oder Sultan von<lb/>
Ikonien. Er wird von den tuͤrkiſchen Ge-<lb/>ſchichtſchreibern allezeit der andere genennet.<lb/>
Ob nun gleich dieſelben keines erſtern geden-<lb/>
ken: ſo iſt doch hoͤchſt wahrſcheinlich, daß<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw></note></div><lb/></div></div></body></text></TEI>
[14/0086]
Osmaniſche Geſchichte
Duͤmdar zogen mit dem Antheile ihres Vermoͤgens anfangs an einen Ort, Sirma-
lißukur genennet, und ſchlugen daſelbſt ihre Gezelte auf. Hier endigte Duͤmdar
in wenigen Tagen ſein Leben. Erdogrul nahm alſo ſeine eigene und ſeines
Bruders Macht zuſammen, und bezwang, entweder durch Gewalt der Waffen
oder durch Statsliſt, alle die Laͤnder zwiſchen Aleppo und Caͤſarea, ſamt ihren
Schloͤſſern und Staͤdten. Allenthalben aber fuͤhrete er
⁵
die muhaͤmmediſche
Religion ein, als der er ſelbſt zugethan war.
2. Indem ſein Ruhm ſolchergeſtalt zunahm: ſo achtete Aeladdin
⁶
, Sul-
tan von Ikonien, es fuͤr weit rathſamer, einen ſo beherzten und unermuͤdeten
Kriegsmann an ſich zu locken und ihn an das Haupt ſeines Heeres zu ſetzen;
als mit demſelben, wie mit einem Feinde, ſich herum zu ſchlagen. Er ging
eben mit dieſen Gedanken um, als jener unverhoffter Weiſe ihm zuvor kam.
Denn es langte eine Geſandſchaft von Erdogrul bey ihm an, deren Haupt ſein
Sohn Sarujat war, der in ſeines Vaters Namen um ein Stuͤck Landes in
deſſen Gebiete anhalten ſollte, daſelbſt er und ſeine Leute in Friede und Freund-
ſchaft mit ihm wohnen koͤnnten. Als Aeladdin dieſe Geſandſchaft erhielte, und
ſahe, wie das Sprichwort lautet, daß dasjenige, was er vom Himmel erwartet
hatte, ihm auf Erden entgegen gekommen war: ſo war er bereit und willig,
Erdogrul ſeine Bitte zu gewaͤhren. Er ſchickte ſeine eigenen Geſandten mit
den angekommenen zuruͤck, und ließ Sarujat mit vielen Ehrenbezeigungen von
ſich: ſeinen Vater aber ließ er erſuchen, unverzuͤglich an ſeinen Hof zu kommen,
da man ihn ſo empfangen wuͤrde, wie es ein ſo beruͤhmter Feldherr verdienete.
Durch dieſe Verſprechungen wurde Erdogrul bewogen, ſich ſchleunig zu Aelad-
din zu verfuͤgen, und reiſete gleich mit deſſen Geſandten ab. Er wurde auch
von demſelben mit vieler Hochachtung empfangen, und erhielte die Landſchaft
Ankyra zu ſeinem erſten Wohnplatze.
3. Aeladdin
men oder Geruͤchte begabet; Aelemdar, die
Standarte haltend, oder ein Standartentraͤ-
ger; u. ſ. w.
⁵ Allenthalben fuͤhrete er] Die Tuͤrken
ſchreiben den gluͤcklichen Fortgang bey Errich-
tung ihres Reiches nicht ſowol menſchlicher
Klugheit, Statsliſt und Tapferkeit: als viel-
mehr dieſem zu, daß ihre erſten Kaiſer nicht
aus Ehrgeiz und Begierde zu herrſchen; ſon-
dern aus Eifer, die muhaͤmmediſche Religion
auszubreiten, Kriege gefuͤhret, und auf ſolche
Weiſe ſich den goͤttlichen Beyſtand bey ihren
Unternehmungen zuwege gebracht haͤtten.
⁶ Aeladdin *] Herr oder Sultan von
Ikonien. Er wird von den tuͤrkiſchen Ge-
ſchichtſchreibern allezeit der andere genennet.
Ob nun gleich dieſelben keines erſtern geden-
ken: ſo iſt doch hoͤchſt wahrſcheinlich, daß
der
* Eigentlich Aela-uͤddin, oder Aela-eddin, die Erhoͤhung des Glaubens.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/86>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.