Die Dschebe- dschi fangen den Aufruhr am er-sten an.
111.
Auf dieses Geschrey laufen die Dschebedschi von allen Enden zu- sammen, befreyen ihre Mitbrüder von den Muhßir, treiben die Gerichtsdiener zurück, und kehren im Siege nach ihren Wohnungen. Hier erzählen sie den übrigen von ihrer Schar alles umständlich, was sie gethan, gehöret, gesaget und gelitten haben, und setzen hinzu: es sey vergebens, daß sie auf ihren Sold warteten, so lange die Austheilung desselben in den Händen eines jungen Menschen sey, dem seine hohe und unverdiente Würde das Gehirn ver- rücket habe.
Karakasch füh- ret die Aufrüh- rer an, und ge- het auf den Kaimmäkamlos.
112.
Diesen ihren Bericht bestärket Karakasch* Mehemmed, ein Mann von großer Kühnheit, der nach einer Veränderung in der Regierung begierig war, und hetzet die ganze Versammlung an, die empfangene Beleidigung an dem Kaimmäkam zu rächen. Die übrigen sind auch gleich dazu bereit und wil- lig, ergreifen unverzüglich die Waffen, und laufen auf des Kaimmäkams Pa- last zu. Der Kaimmäkam, der davon Nachricht bekommt, entwischet durch eine Hinterthüre, und rettet sich zwar solchergestalt für seine Person aus der Ge- fahr; aber nicht den Sultan, noch das Reich.
Die Dschebe- dschi vereinigen sich mit den Jeng-itscheriund Ulema.
113.
Denn nach seiner Entrinnung rennen die Dschebedschi allenthalben truppenweise in der Stadt herum, und wiegeln die Jeng-itscheri und Ulema auf, indem sie nämlich ihre vorigen Beschwerden gegen die übele Verwaltung der Sachen ihnen aufs neue vorsagen. Als nun die Stadt mit diesem Lär- men erfüllet ist: so kommen am folgenden Tage die Häupter des Aufruhrs auf dem Atmejdan 46 zusammen, und fassen den Entschluß: entweder zu sterben, [Spaltenumbruch]
46 Atmejdan] Dieses ist die Hippo- bromi*, die der Kaiser Justinian gebauet hat. Sie lieget nicht weit von der Sophienkirche, und gehet längst dem Hofe des Dschami des Sultan Aehmeds herunter. Heutiges Tages wird sie wieder zu ihrem ursprünglichen End- zwecke gebrauchet, nämlich dazu, daß des Sultans Pferde auf derselben frische Luft schöpfen und getummelt werden.
47 Kjaßibi Mehemmed Efendi] Er war aus dem Geschlechte der Emire entspros- [Spaltenumbruch] sen, und ehedem unter Sultan Muhämmed dem IIII zu der Würde des Müftis erhoben worden. Den Beynamen Kjaßib oder Lüg- ner bekam er daher, weil er in dem Gerüchte stund, daß er dem Lügen sehr ergeben sey: denn es ist bey den Gelehrten in der Türkey gewöhnlich (weil sie keine Geschlechtsnamen haben und oft ihrer viele einerley Namen füh- ren), daß sie verschiedene Personen durch solche Beynamen von einander unterschei- den2*. So lebte mit diesem zugleich ein anderer, Sadik Mehemmed Efendi, das ist,
oder
* Eigentlich Karakaschlü, Mehemmed mit den schwarzen Augenbrauen.
* die Reitbahn.
2* 358 S. 2 Anm.
Osmaniſche Geſchichte
Die Dſchebe- dſchi fangen den Aufruhr am er-ſten an.
111.
Auf dieſes Geſchrey laufen die Dſchebedſchi von allen Enden zu- ſammen, befreyen ihre Mitbruͤder von den Muhßir, treiben die Gerichtsdiener zuruͤck, und kehren im Siege nach ihren Wohnungen. Hier erzaͤhlen ſie den uͤbrigen von ihrer Schar alles umſtaͤndlich, was ſie gethan, gehoͤret, geſaget und gelitten haben, und ſetzen hinzu: es ſey vergebens, daß ſie auf ihren Sold warteten, ſo lange die Austheilung deſſelben in den Haͤnden eines jungen Menſchen ſey, dem ſeine hohe und unverdiente Wuͤrde das Gehirn ver- ruͤcket habe.
Karakaſch fuͤh- ret die Aufruͤh- rer an, und ge- het auf den Kaimmaͤkamlos.
112.
Dieſen ihren Bericht beſtaͤrket Karakaſch* Mehemmed, ein Mann von großer Kuͤhnheit, der nach einer Veraͤnderung in der Regierung begierig war, und hetzet die ganze Verſammlung an, die empfangene Beleidigung an dem Kaimmaͤkam zu raͤchen. Die uͤbrigen ſind auch gleich dazu bereit und wil- lig, ergreifen unverzuͤglich die Waffen, und laufen auf des Kaimmaͤkams Pa- laſt zu. Der Kaimmaͤkam, der davon Nachricht bekommt, entwiſchet durch eine Hinterthuͤre, und rettet ſich zwar ſolchergeſtalt fuͤr ſeine Perſon aus der Ge- fahr; aber nicht den Sultan, noch das Reich.
Die Dſchebe- dſchi vereinigen ſich mit den Jeng-itſcheriund Ulema.
113.
Denn nach ſeiner Entrinnung rennen die Dſchebedſchi allenthalben truppenweiſe in der Stadt herum, und wiegeln die Jeng-itſcheri und Ulema auf, indem ſie naͤmlich ihre vorigen Beſchwerden gegen die uͤbele Verwaltung der Sachen ihnen aufs neue vorſagen. Als nun die Stadt mit dieſem Laͤr- men erfuͤllet iſt: ſo kommen am folgenden Tage die Haͤupter des Aufruhrs auf dem Atmejdan 46 zuſammen, und faſſen den Entſchluß: entweder zu ſterben, [Spaltenumbruch]
46 Atmejdan] Dieſes iſt die Hippo- bromi*, die der Kaiſer Juſtinian gebauet hat. Sie lieget nicht weit von der Sophienkirche, und gehet laͤngſt dem Hofe des Dſchami des Sultan Aehmeds herunter. Heutiges Tages wird ſie wieder zu ihrem urſpruͤnglichen End- zwecke gebrauchet, naͤmlich dazu, daß des Sultans Pferde auf derſelben friſche Luft ſchoͤpfen und getummelt werden.
47 Kjaßibi Mehemmed Efendi] Er war aus dem Geſchlechte der Emire entſproſ- [Spaltenumbruch] ſen, und ehedem unter Sultan Muhaͤmmed dem IIII zu der Wuͤrde des Muͤftis erhoben worden. Den Beynamen Kjaßib oder Luͤg- ner bekam er daher, weil er in dem Geruͤchte ſtund, daß er dem Luͤgen ſehr ergeben ſey: denn es iſt bey den Gelehrten in der Tuͤrkey gewoͤhnlich (weil ſie keine Geſchlechtsnamen haben und oft ihrer viele einerley Namen fuͤh- ren), daß ſie verſchiedene Perſonen durch ſolche Beynamen von einander unterſchei- den2*. So lebte mit dieſem zugleich ein anderer, Sadik Mehemmed Efendi, das iſt,
oder
* Eigentlich Karakaſchluͤ, Mehemmed mit den ſchwarzen Augenbrauen.
* die Reitbahn.
2* 358 S. 2 Anm.
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Osmaniſche Geſchichte
111. Auf dieſes Geſchrey laufen die Dſchebedſchi von allen Enden zu-
ſammen, befreyen ihre Mitbruͤder von den Muhßir, treiben die Gerichtsdiener
zuruͤck, und kehren im Siege nach ihren Wohnungen. Hier erzaͤhlen ſie den
uͤbrigen von ihrer Schar alles umſtaͤndlich, was ſie gethan, gehoͤret, geſaget
und gelitten haben, und ſetzen hinzu: es ſey vergebens, daß ſie auf ihren Sold
warteten, ſo lange die Austheilung deſſelben in den Haͤnden eines jungen
Menſchen ſey, dem ſeine hohe und unverdiente Wuͤrde das Gehirn ver-
ruͤcket habe.
112. Dieſen ihren Bericht beſtaͤrket Karakaſch * Mehemmed, ein Mann
von großer Kuͤhnheit, der nach einer Veraͤnderung in der Regierung begierig
war, und hetzet die ganze Verſammlung an, die empfangene Beleidigung an
dem Kaimmaͤkam zu raͤchen. Die uͤbrigen ſind auch gleich dazu bereit und wil-
lig, ergreifen unverzuͤglich die Waffen, und laufen auf des Kaimmaͤkams Pa-
laſt zu. Der Kaimmaͤkam, der davon Nachricht bekommt, entwiſchet durch eine
Hinterthuͤre, und rettet ſich zwar ſolchergeſtalt fuͤr ſeine Perſon aus der Ge-
fahr; aber nicht den Sultan, noch das Reich.
113. Denn nach ſeiner Entrinnung rennen die Dſchebedſchi allenthalben
truppenweiſe in der Stadt herum, und wiegeln die Jeng-itſcheri und Ulema
auf, indem ſie naͤmlich ihre vorigen Beſchwerden gegen die uͤbele Verwaltung
der Sachen ihnen aufs neue vorſagen. Als nun die Stadt mit dieſem Laͤr-
men erfuͤllet iſt: ſo kommen am folgenden Tage die Haͤupter des Aufruhrs auf
dem Atmejdan
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zuſammen, und faſſen den Entſchluß: entweder zu ſterben,
oder
⁴⁶ Atmejdan] Dieſes iſt die Hippo-
bromi *, die der Kaiſer Juſtinian gebauet hat.
Sie lieget nicht weit von der Sophienkirche,
und gehet laͤngſt dem Hofe des Dſchami des
Sultan Aehmeds herunter. Heutiges Tages
wird ſie wieder zu ihrem urſpruͤnglichen End-
zwecke gebrauchet, naͤmlich dazu, daß des
Sultans Pferde auf derſelben friſche Luft
ſchoͤpfen und getummelt werden.
⁴⁷ Kjaßibi Mehemmed Efendi] Er
war aus dem Geſchlechte der Emire entſproſ-
ſen, und ehedem unter Sultan Muhaͤmmed
dem IIII zu der Wuͤrde des Muͤftis erhoben
worden. Den Beynamen Kjaßib oder Luͤg-
ner bekam er daher, weil er in dem Geruͤchte
ſtund, daß er dem Luͤgen ſehr ergeben ſey:
denn es iſt bey den Gelehrten in der Tuͤrkey
gewoͤhnlich (weil ſie keine Geſchlechtsnamen
haben und oft ihrer viele einerley Namen fuͤh-
ren), daß ſie verſchiedene Perſonen durch
ſolche Beynamen von einander unterſchei-
den 2*. So lebte mit dieſem zugleich ein
anderer, Sadik Mehemmed Efendi, das iſt,
Mehem-
* Eigentlich Karakaſchluͤ, Mehemmed mit den ſchwarzen Augenbrauen.
* die Reitbahn.
2* 358 S. 2 Anm.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/844>, abgerufen am 25.11.2024.
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