Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte ter Schriftsteller und ein Mann von vieler Gelehrtheit, aber zu diesem Amteuntüchtig sey. Dieses sey die wahre Ursache, warum sie den Sultan beredet haben, seine Hauptstadt, diese wichtige Vormauer des Reichs, zu verlassen, sein Hoflager nach Adrianopel zu verlegen und in den Wäldern herum zu wan- dern. Constantinopel werde auf solche Art ausgezehret, und Adrianopel werde berühmt; und indem die Einwohner des erstern durch die Abwesenheit des Ho- fes und die Tiranney seiner Regierer in die äußerste Armuth gebracht seyen: so seyen die zu Adrianopel bereits so reich und hochmüthig geworden, daß sie die Nachkommen so vieler osmanischen Helden mit Verachtung ansähen. Man habe, um die Stadt Constantinopel noch mehr in Verachtung zu bringen, Kjü- prili Aebdüllah 44 Pascha, einen jungen Menschen von achtzehen Jahren, zum Kaimmäkam bestellet, der außer dem Ruhme seines Vaters nichts besitze, das ihn ansehnlich machen könne, als die Heirat mit des Müftis Tochter: eben als wenn den Begierden des Müftis keine Grenzen gesetzet werden könnten, da der- selbe die Schranken seines Amts bereits überschritten habe, und nicht viel fehle, daß er und sein Haus nicht das ganze osmanische Reich an sich zögen. Alle die besten und vornehmsten Mewlaschaften seyen mit seinen jungen Söhnen oder solchen besetzet, welche ihm dieselben hätten bezahlen können; denn sein Haus sey zu einer Werkstätte des Geizes geworden, da die Gerechtigkeit und die geistli- chen Aemter den Reichen verkauft, und nicht Männern von Redlichkeit und Ge- lehrtheit verliehen würden. Diese und andere Dinge ließen dieselben mit großer Frechheit öffentlich von sich hören, und gaben durch genugsame Merkmale zu erkennen, daß sie zu einer Empörung bereit seyen. Da es ihnen aber noch an einem Anführer und einer bequemen Gelegenheit dazu fehlete: so wurde ihnen die letztere kurz hierauf von dem Kaimmäkam, Kjüprili Aebdüllah Pascha, selbst an die Hand gegeben. 44 Kjüprili Aebdüllah] Er war ein Sohn Kjüprili Mustäfa Paschas, der im Jahre 1691 in der Schlacht bey Salankamen bliebe. Nachdem er sich mit des Müftis Tochter vermälet hatte: so wurde er unter den gewöhnlichen Jahren zu der Stelle eines Kübbe Weßirs erhoben, und nachgehends zu dem Amte des Kaimmäkams von Constanti- nopel befördert, das nach dem obersten Weßire für die höchste Würde in dem osmanischen Reiche gehalten wird. Allein, er that aus jugendlicher Uebereilung manches verkehrt, [Spaltenumbruch] und ließ einen besondern Hochmuth von sich blicken, welches die Ursache, oder wenigstens die Veranlassung war, daß Mustäfa abge- setzet wurde. Nach der Zeit aber, als er mit den anwachsenden Jahren verständiger wurde, handelte er mit mehrerer Mäßigung, und erhielte dadurch nicht allein Vergebung we- gen seiner begangenen Fehler, sondern wurde auch von dem gegenwärtigen Sultane*, nach- dem er die Empörung gestillet hatte, zu der Paschaschaft von Sebastia befördert. 110. Näm- * Aehmed dem III.
Osmaniſche Geſchichte ter Schriftſteller und ein Mann von vieler Gelehrtheit, aber zu dieſem Amteuntuͤchtig ſey. Dieſes ſey die wahre Urſache, warum ſie den Sultan beredet haben, ſeine Hauptſtadt, dieſe wichtige Vormauer des Reichs, zu verlaſſen, ſein Hoflager nach Adrianopel zu verlegen und in den Waͤldern herum zu wan- dern. Conſtantinopel werde auf ſolche Art ausgezehret, und Adrianopel werde beruͤhmt; und indem die Einwohner des erſtern durch die Abweſenheit des Ho- fes und die Tiranney ſeiner Regierer in die aͤußerſte Armuth gebracht ſeyen: ſo ſeyen die zu Adrianopel bereits ſo reich und hochmuͤthig geworden, daß ſie die Nachkommen ſo vieler osmaniſchen Helden mit Verachtung anſaͤhen. Man habe, um die Stadt Conſtantinopel noch mehr in Verachtung zu bringen, Kjuͤ- prili Aebduͤllah 44 Paſcha, einen jungen Menſchen von achtzehen Jahren, zum Kaimmaͤkam beſtellet, der außer dem Ruhme ſeines Vaters nichts beſitze, das ihn anſehnlich machen koͤnne, als die Heirat mit des Muͤftis Tochter: eben als wenn den Begierden des Muͤftis keine Grenzen geſetzet werden koͤnnten, da der- ſelbe die Schranken ſeines Amts bereits uͤberſchritten habe, und nicht viel fehle, daß er und ſein Haus nicht das ganze osmaniſche Reich an ſich zoͤgen. Alle die beſten und vornehmſten Mewlaſchaften ſeyen mit ſeinen jungen Soͤhnen oder ſolchen beſetzet, welche ihm dieſelben haͤtten bezahlen koͤnnen; denn ſein Haus ſey zu einer Werkſtaͤtte des Geizes geworden, da die Gerechtigkeit und die geiſtli- chen Aemter den Reichen verkauft, und nicht Maͤnnern von Redlichkeit und Ge- lehrtheit verliehen wuͤrden. Dieſe und andere Dinge ließen dieſelben mit großer Frechheit oͤffentlich von ſich hoͤren, und gaben durch genugſame Merkmale zu erkennen, daß ſie zu einer Empoͤrung bereit ſeyen. Da es ihnen aber noch an einem Anfuͤhrer und einer bequemen Gelegenheit dazu fehlete: ſo wurde ihnen die letztere kurz hierauf von dem Kaimmaͤkam, Kjuͤprili Aebduͤllah Paſcha, ſelbſt an die Hand gegeben. 44 Kjuͤprili Aebduͤllah] Er war ein Sohn Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſchas, der im Jahre 1691 in der Schlacht bey Salankamen bliebe. Nachdem er ſich mit des Muͤftis Tochter vermaͤlet hatte: ſo wurde er unter den gewoͤhnlichen Jahren zu der Stelle eines Kuͤbbe Weßirs erhoben, und nachgehends zu dem Amte des Kaimmaͤkams von Conſtanti- nopel befoͤrdert, das nach dem oberſten Weßire fuͤr die hoͤchſte Wuͤrde in dem osmaniſchen Reiche gehalten wird. Allein, er that aus jugendlicher Uebereilung manches verkehrt, [Spaltenumbruch] und ließ einen beſondern Hochmuth von ſich blicken, welches die Urſache, oder wenigſtens die Veranlaſſung war, daß Muſtaͤfa abge- ſetzet wurde. Nach der Zeit aber, als er mit den anwachſenden Jahren verſtaͤndiger wurde, handelte er mit mehrerer Maͤßigung, und erhielte dadurch nicht allein Vergebung we- gen ſeiner begangenen Fehler, ſondern wurde auch von dem gegenwaͤrtigen Sultane*, nach- dem er die Empoͤrung geſtillet hatte, zu der Paſchaſchaft von Sebaſtia befoͤrdert. 110. Naͤm- * Aehmed dem III.
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Osmaniſche Geſchichte
ter Schriftſteller und ein Mann von vieler Gelehrtheit, aber zu dieſem Amte
untuͤchtig ſey. Dieſes ſey die wahre Urſache, warum ſie den Sultan beredet
haben, ſeine Hauptſtadt, dieſe wichtige Vormauer des Reichs, zu verlaſſen,
ſein Hoflager nach Adrianopel zu verlegen und in den Waͤldern herum zu wan-
dern. Conſtantinopel werde auf ſolche Art ausgezehret, und Adrianopel werde
beruͤhmt; und indem die Einwohner des erſtern durch die Abweſenheit des Ho-
fes und die Tiranney ſeiner Regierer in die aͤußerſte Armuth gebracht ſeyen:
ſo ſeyen die zu Adrianopel bereits ſo reich und hochmuͤthig geworden, daß ſie
die Nachkommen ſo vieler osmaniſchen Helden mit Verachtung anſaͤhen. Man
habe, um die Stadt Conſtantinopel noch mehr in Verachtung zu bringen, Kjuͤ-
prili Aebduͤllah
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Paſcha, einen jungen Menſchen von achtzehen Jahren, zum
Kaimmaͤkam beſtellet, der außer dem Ruhme ſeines Vaters nichts beſitze, das
ihn anſehnlich machen koͤnne, als die Heirat mit des Muͤftis Tochter: eben als
wenn den Begierden des Muͤftis keine Grenzen geſetzet werden koͤnnten, da der-
ſelbe die Schranken ſeines Amts bereits uͤberſchritten habe, und nicht viel fehle,
daß er und ſein Haus nicht das ganze osmaniſche Reich an ſich zoͤgen. Alle
die beſten und vornehmſten Mewlaſchaften ſeyen mit ſeinen jungen Soͤhnen oder
ſolchen beſetzet, welche ihm dieſelben haͤtten bezahlen koͤnnen; denn ſein Haus ſey
zu einer Werkſtaͤtte des Geizes geworden, da die Gerechtigkeit und die geiſtli-
chen Aemter den Reichen verkauft, und nicht Maͤnnern von Redlichkeit und Ge-
lehrtheit verliehen wuͤrden. Dieſe und andere Dinge ließen dieſelben mit großer
Frechheit oͤffentlich von ſich hoͤren, und gaben durch genugſame Merkmale zu
erkennen, daß ſie zu einer Empoͤrung bereit ſeyen. Da es ihnen aber noch an
einem Anfuͤhrer und einer bequemen Gelegenheit dazu fehlete: ſo wurde ihnen
die letztere kurz hierauf von dem Kaimmaͤkam, Kjuͤprili Aebduͤllah Paſcha, ſelbſt
an die Hand gegeben.
110. Naͤm-
⁴⁴ Kjuͤprili Aebduͤllah] Er war ein
Sohn Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſchas, der im
Jahre 1691 in der Schlacht bey Salankamen
bliebe. Nachdem er ſich mit des Muͤftis
Tochter vermaͤlet hatte: ſo wurde er unter
den gewoͤhnlichen Jahren zu der Stelle eines
Kuͤbbe Weßirs erhoben, und nachgehends zu
dem Amte des Kaimmaͤkams von Conſtanti-
nopel befoͤrdert, das nach dem oberſten Weßire
fuͤr die hoͤchſte Wuͤrde in dem osmaniſchen
Reiche gehalten wird. Allein, er that aus
jugendlicher Uebereilung manches verkehrt,
und ließ einen beſondern Hochmuth von ſich
blicken, welches die Urſache, oder wenigſtens
die Veranlaſſung war, daß Muſtaͤfa abge-
ſetzet wurde. Nach der Zeit aber, als er mit
den anwachſenden Jahren verſtaͤndiger wurde,
handelte er mit mehrerer Maͤßigung, und
erhielte dadurch nicht allein Vergebung we-
gen ſeiner begangenen Fehler, ſondern wurde
auch von dem gegenwaͤrtigen Sultane *, nach-
dem er die Empoͤrung geſtillet hatte, zu der
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* Aehmed dem III.
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