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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Die Abgesand-
ten kehren nach
geschlossenen
Friedensartikeln
nach Adrianopelzurück.
90.

Als diese Artikel mit allerseitiger Einstimmung zur Richtigkeit gekom-
men waren: so kehreten die türkischen Abgesandten zu dem Sultane nach Adri-
anopel zurück, erstatteten demselben von ihrem Geschäffte Bericht, und empfin-
gen für ihre geleisteten Dienste kaiserliche Geschenke. Nachdem der Sultan
solchergestalt mit allen seinen Feinden Frieden gemacht hatte: so begab er sich
von Adrianopel nach Constantinopel zurück, um den verwirreten Zustand des
Reichs wieder in Ordnung zu bringen, und durch kluge Verwaltung den Ver-
lust, den dasselbe erlitten hatte, wieder zu ersetzen.

Beyde Kaiser
schicken außeror-
dentliche Abge-
sandten an ein-ander.
91.

Von hier aus schickte derselbe Chäßinedar Ibrahim 36 Pascha als
außerordentlichen Abgesandten mit einem Aehtname an den Kaiser von Deutsch-
land, und erhielte bey dessen Zurückkunft von ihm die Bestätigung des Friedens
mit seiner Hand unterzeichnet, die ihm durch den Grafen von Oettingen über-
reichet wurde. Nachdem er alle diese Geschäffte zu Ende gebracht hatte: so
übergab er die ganze Verwaltung des Reichs dem Weßire Husejn Pascha, und
zog, um sein Gemüth zu erquicken, mit seinem Hofe nach Karischtüran 37, da
derselbe seinen Verdruß wegen des Verlustes so vieler Länder durch Jagen zu ver-
treiben suchte.

Das unruhige
Volk, die Tür-
ken, murren ge-gen den Sultan.
92.

Ueber diese Entziehung, nach so vieler Arbeit, wurde das Volk, und
sonderlich die Soldaten, schwierig, und glaubten, der Friede, den sie so sehnlich
gewünschet, sey ihnen zu keinem andern Ende verliehen worden, als daß sie die
H. 1111.



J. C. 1699.Worte und Thaten ihres Sultans in der Nähe belauren und tadeln sollten.
Daher scheueten sie sich nicht, in ihren Zusammenkünften zu sagen: der Sul-
tan sey auf dem Wege, seinem Vater in allen Stücken nachzufolgen. Denn
wie sein Vater in den ersten Jahren seiner Regierung sich der Verwaltung der
[Spaltenumbruch]
36 Chäßinedar Ibrahim] Er war
anfangs Schatzmeister und Vertrauter des
obersten Weßirs, Kara Mustäfa Paschas,
und bekam von diesem Amte den Beynamen
Chäßinedar. Nach Karas Tode entdeckte er
dessen gefährliche Absichten Ajnadschi Sülej-
man Pascha aufrichtig, und setzte sich dadurch
bey demselben in sehr große Gnade, so daß er
hierauf zu sehr ansehnlichen Ehrenstellen be-
fördert wurde. Als endlich der Friede mit
den Deutschen geschlossen war: so wurde er
[Spaltenumbruch]
in der Würde eines außerordentlichen Abge-
sandten nach Wien geschicket, denselben bestä-
tigen zu lassen; und nach seiner Zurückkunft
wurde er zum Statthalter von Belgrad ge-
macht. Er war ein kluger Mann, von einem
durchdringenden und lebhaften Verstande;
aber dabey voll Mäßigung, und daher geschickt,
Gesandtschaften und andere Statsgeschäffte
zu verwalten: und würde auch ohne Zweifel
zu den höchsten Stellen bey der osmanischen
Regierung gelanget seyn, wenn er sich nicht

öffent-
Osmaniſche Geſchichte
Die Abgeſand-
ten kehren nach
geſchloſſenen
Friedensartikeln
nach Adrianopelzuruͤck.
90.

Als dieſe Artikel mit allerſeitiger Einſtimmung zur Richtigkeit gekom-
men waren: ſo kehreten die tuͤrkiſchen Abgeſandten zu dem Sultane nach Adri-
anopel zuruͤck, erſtatteten demſelben von ihrem Geſchaͤffte Bericht, und empfin-
gen fuͤr ihre geleiſteten Dienſte kaiſerliche Geſchenke. Nachdem der Sultan
ſolchergeſtalt mit allen ſeinen Feinden Frieden gemacht hatte: ſo begab er ſich
von Adrianopel nach Conſtantinopel zuruͤck, um den verwirreten Zuſtand des
Reichs wieder in Ordnung zu bringen, und durch kluge Verwaltung den Ver-
luſt, den daſſelbe erlitten hatte, wieder zu erſetzen.

Beyde Kaiſer
ſchicken außeror-
dentliche Abge-
ſandten an ein-ander.
91.

Von hier aus ſchickte derſelbe Chaͤßinedar Ibrahim 36 Paſcha als
außerordentlichen Abgeſandten mit einem Aehtname an den Kaiſer von Deutſch-
land, und erhielte bey deſſen Zuruͤckkunft von ihm die Beſtaͤtigung des Friedens
mit ſeiner Hand unterzeichnet, die ihm durch den Grafen von Oettingen uͤber-
reichet wurde. Nachdem er alle dieſe Geſchaͤffte zu Ende gebracht hatte: ſo
uͤbergab er die ganze Verwaltung des Reichs dem Weßire Huſejn Paſcha, und
zog, um ſein Gemuͤth zu erquicken, mit ſeinem Hofe nach Kariſchtuͤran 37, da
derſelbe ſeinen Verdruß wegen des Verluſtes ſo vieler Laͤnder durch Jagen zu ver-
treiben ſuchte.

Das unruhige
Volk, die Tuͤr-
ken, murren ge-gen den Sultan.
92.

Ueber dieſe Entziehung, nach ſo vieler Arbeit, wurde das Volk, und
ſonderlich die Soldaten, ſchwierig, und glaubten, der Friede, den ſie ſo ſehnlich
gewuͤnſchet, ſey ihnen zu keinem andern Ende verliehen worden, als daß ſie die
H. 1111.



J. C. 1699.Worte und Thaten ihres Sultans in der Naͤhe belauren und tadeln ſollten.
Daher ſcheueten ſie ſich nicht, in ihren Zuſammenkuͤnften zu ſagen: der Sul-
tan ſey auf dem Wege, ſeinem Vater in allen Stuͤcken nachzufolgen. Denn
wie ſein Vater in den erſten Jahren ſeiner Regierung ſich der Verwaltung der
[Spaltenumbruch]
36 Chaͤßinedar Ibrahim] Er war
anfangs Schatzmeiſter und Vertrauter des
oberſten Weßirs, Kara Muſtaͤfa Paſchas,
und bekam von dieſem Amte den Beynamen
Chaͤßinedar. Nach Karas Tode entdeckte er
deſſen gefaͤhrliche Abſichten Ajnadſchi Suͤlej-
man Paſcha aufrichtig, und ſetzte ſich dadurch
bey demſelben in ſehr große Gnade, ſo daß er
hierauf zu ſehr anſehnlichen Ehrenſtellen be-
foͤrdert wurde. Als endlich der Friede mit
den Deutſchen geſchloſſen war: ſo wurde er
[Spaltenumbruch]
in der Wuͤrde eines außerordentlichen Abge-
ſandten nach Wien geſchicket, denſelben beſtaͤ-
tigen zu laſſen; und nach ſeiner Zuruͤckkunft
wurde er zum Statthalter von Belgrad ge-
macht. Er war ein kluger Mann, von einem
durchdringenden und lebhaften Verſtande;
aber dabey voll Maͤßigung, und daher geſchickt,
Geſandtſchaften und andere Statsgeſchaͤffte
zu verwalten: und wuͤrde auch ohne Zweifel
zu den hoͤchſten Stellen bey der osmaniſchen
Regierung gelanget ſeyn, wenn er ſich nicht

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[718/0832] Osmaniſche Geſchichte 90. Als dieſe Artikel mit allerſeitiger Einſtimmung zur Richtigkeit gekom- men waren: ſo kehreten die tuͤrkiſchen Abgeſandten zu dem Sultane nach Adri- anopel zuruͤck, erſtatteten demſelben von ihrem Geſchaͤffte Bericht, und empfin- gen fuͤr ihre geleiſteten Dienſte kaiſerliche Geſchenke. Nachdem der Sultan ſolchergeſtalt mit allen ſeinen Feinden Frieden gemacht hatte: ſo begab er ſich von Adrianopel nach Conſtantinopel zuruͤck, um den verwirreten Zuſtand des Reichs wieder in Ordnung zu bringen, und durch kluge Verwaltung den Ver- luſt, den daſſelbe erlitten hatte, wieder zu erſetzen. 91. Von hier aus ſchickte derſelbe Chaͤßinedar Ibrahim ³⁶ Paſcha als außerordentlichen Abgeſandten mit einem Aehtname an den Kaiſer von Deutſch- land, und erhielte bey deſſen Zuruͤckkunft von ihm die Beſtaͤtigung des Friedens mit ſeiner Hand unterzeichnet, die ihm durch den Grafen von Oettingen uͤber- reichet wurde. Nachdem er alle dieſe Geſchaͤffte zu Ende gebracht hatte: ſo uͤbergab er die ganze Verwaltung des Reichs dem Weßire Huſejn Paſcha, und zog, um ſein Gemuͤth zu erquicken, mit ſeinem Hofe nach Kariſchtuͤran ³⁷ , da derſelbe ſeinen Verdruß wegen des Verluſtes ſo vieler Laͤnder durch Jagen zu ver- treiben ſuchte. 92. Ueber dieſe Entziehung, nach ſo vieler Arbeit, wurde das Volk, und ſonderlich die Soldaten, ſchwierig, und glaubten, der Friede, den ſie ſo ſehnlich gewuͤnſchet, ſey ihnen zu keinem andern Ende verliehen worden, als daß ſie die Worte und Thaten ihres Sultans in der Naͤhe belauren und tadeln ſollten. Daher ſcheueten ſie ſich nicht, in ihren Zuſammenkuͤnften zu ſagen: der Sul- tan ſey auf dem Wege, ſeinem Vater in allen Stuͤcken nachzufolgen. Denn wie ſein Vater in den erſten Jahren ſeiner Regierung ſich der Verwaltung der oͤffent- ³⁶ Chaͤßinedar Ibrahim] Er war anfangs Schatzmeiſter und Vertrauter des oberſten Weßirs, Kara Muſtaͤfa Paſchas, und bekam von dieſem Amte den Beynamen Chaͤßinedar. Nach Karas Tode entdeckte er deſſen gefaͤhrliche Abſichten Ajnadſchi Suͤlej- man Paſcha aufrichtig, und ſetzte ſich dadurch bey demſelben in ſehr große Gnade, ſo daß er hierauf zu ſehr anſehnlichen Ehrenſtellen be- foͤrdert wurde. Als endlich der Friede mit den Deutſchen geſchloſſen war: ſo wurde er in der Wuͤrde eines außerordentlichen Abge- ſandten nach Wien geſchicket, denſelben beſtaͤ- tigen zu laſſen; und nach ſeiner Zuruͤckkunft wurde er zum Statthalter von Belgrad ge- macht. Er war ein kluger Mann, von einem durchdringenden und lebhaften Verſtande; aber dabey voll Maͤßigung, und daher geſchickt, Geſandtſchaften und andere Statsgeſchaͤffte zu verwalten: und wuͤrde auch ohne Zweifel zu den hoͤchſten Stellen bey der osmaniſchen Regierung gelanget ſeyn, wenn er ſich nicht in H. 1111. J. C. 1699.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/832>, abgerufen am 22.11.2024.