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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
[Spaltenumbruch]
und, um dieselben desto leichter aufzuhetzen,
habe er allerhand Lügen wegen übeler Ver-
waltung des Stats unter ihnen ausgestreuet.
Da nun diese und dergleichen Unternehmun-
gen Daltabans offenbar auf den Untergang
und das Verderben derjenigen, die keine Mühe
gesparet haben, dem osmanischen Reiche die
Ruhe wieder zu verschaffen, ja gar auf die
Absetzung des Sultans, abzielen: so haben
sie es ihrer Schuldigkeit gemäß erachtet, dem
Müfti davon Nachricht zu geben, weil er das
vornehmste Werkzeug des Friedens gewesen
sey; und ihn zugleich zu bitten, daß er nicht
allein sich selbst in acht nehmen, sondern auch
geruhen möge, diejenigen, die ihn als ihren
einzigen Gönner und Beschützer ansehen, ge-
gen die Gewaltthätigkeit dieses Mannes zu
vertheidigen und erhalten zu helfen. Der
Müfti Fäjßüllah Efendi wurde durch diesen
Vortrag Ramis bewogen zu glauben, daß
sein eigener Kopf in Gefahr sey, und fassete
den Entschluß, den Streich nicht abzuwarten,
sondern seinem Feinde zuvor zu kommen und
ihn in seinem eigenen Netze zu fangen. Um
aber die demselben gelegten Schlingen desto
besser zu verbergen: schickte er nach dem ober-
sten Hofmetzger, Kara Mehemmed Aga, einem
sehr reichen Manne, der aus langer Erfah-
rung die Barbarey seiner Gemüthsart zu
verhehlen gelernet, und durch dieses Mittel
des Müftis Tochter für seinen Sohn zur
Ehe erhalten hatte. Als dieser zu ihm kam:
so sagte er zu demselben: "Ich möchte
"gerne dem Weßire einige Dinge wissen
"lassen, und wollte euch also ersuchen, zu
"ihm zu gehen und ihm dieselben zu hinter-
"bringen, weil ich weis, daß ihr besonders
"gute Freunde zusammen seyd. Rami
"Rejs Efendi und Iskjerlet Ogli sind bey
"mir gewesen, und haben mir schlimme Sa-
"chen von dem Weßire erzählet, als wenn
"er damit umginge, den Sultan abzusetzen
"und mich ums Leben zu bringen; wie er
"dann deswegen mich öffentlich für einen
[Spaltenumbruch]
"Unglaubigen ausgegeben habe. Da nun
"derselbe auf euer Ansuchen, wie euch be-
"wußt ist, durch mein Ansehen bey dem
"Sultane zu der Würde des Weßirs erho-
"ben worden, und daher mein Tscherag
"(Geschöpfe) ist: so wollte ich nicht gerne,
"daß eine Fackel, die ich selbst angezündet,
"so bald wieder ausgelöschet und einem
"Manne das Leben genommen werden sollte,
"den ich wenige Tage zuvor zu der höchsten
"Würde erhoben habe, die das osmanische
"Reich gewähren kann. Außer dem bin
"ich überzeuget, daß Rami und Iskjerlet
"Ogli, als sie mit den Friedensunterhand-
"lungen beschäfftiget gewesen, von den Gja-
"wurn mit großen Summen Geldes besto-
"chen worden sind, und für ihren eigenen
"Kopf den Deutschen und Polen viele Sa-
"chen nachgegeben haben, die der osmani-
"schen Herrschaft hätten verbleiben können:
"dabey haben sie den Sultan und mich
"durch verschmitzte Lügen beredet, daß un-
"möglicher Weise ein Friede unter andern
"Bedingungen hätte erhalten werden kön-
"nen. Daher ersuche ich euch, dem Weßire
"in meinem Namen zu melden, daß ich weit
"davon entfernet sey, mich durch die fal-
"schen Vorstellungen dieser Schälke ein-
"nehmen zu lassen und aufzuhören, sein
"Gönner zu seyn: sondern ich werde viel-
"mehr bey aller Gelegenheit, die sich nur
"eräugen wird, dem Sultane zureden, daß
"er nicht allein ihn in seinem Weßiramte
"bestätigen; sondern auch alle seine Feinde
"umbringen lassen solle." Als Daltaban
dieses aus Mehemmed Agas Munde höret:
so besuchet er den Müfti bey Nachtzeit, und
bezeiget, vorgegebenermaßen, daß er ihm, als
seinem Gönner und Wohlthäter, sein ganzes
Herz offenbaren wolle. Der Müfti stellet
sich, als wenn er ihm beyfiele, rühmet des
Weßirs Vorhaben, und verspricht, seine
äußersten Bemühungen anzuwenden, um
dasselbe zur Ausführung zu bringen, und daß
Osmaniſche Geſchichte
[Spaltenumbruch]
und, um dieſelben deſto leichter aufzuhetzen,
habe er allerhand Luͤgen wegen uͤbeler Ver-
waltung des Stats unter ihnen ausgeſtreuet.
Da nun dieſe und dergleichen Unternehmun-
gen Daltabans offenbar auf den Untergang
und das Verderben derjenigen, die keine Muͤhe
geſparet haben, dem osmaniſchen Reiche die
Ruhe wieder zu verſchaffen, ja gar auf die
Abſetzung des Sultans, abzielen: ſo haben
ſie es ihrer Schuldigkeit gemaͤß erachtet, dem
Muͤfti davon Nachricht zu geben, weil er das
vornehmſte Werkzeug des Friedens geweſen
ſey; und ihn zugleich zu bitten, daß er nicht
allein ſich ſelbſt in acht nehmen, ſondern auch
geruhen moͤge, diejenigen, die ihn als ihren
einzigen Goͤnner und Beſchuͤtzer anſehen, ge-
gen die Gewaltthaͤtigkeit dieſes Mannes zu
vertheidigen und erhalten zu helfen. Der
Muͤfti Faͤjßuͤllah Efendi wurde durch dieſen
Vortrag Ramis bewogen zu glauben, daß
ſein eigener Kopf in Gefahr ſey, und faſſete
den Entſchluß, den Streich nicht abzuwarten,
ſondern ſeinem Feinde zuvor zu kommen und
ihn in ſeinem eigenen Netze zu fangen. Um
aber die demſelben gelegten Schlingen deſto
beſſer zu verbergen: ſchickte er nach dem ober-
ſten Hofmetzger, Kara Mehemmed Aga, einem
ſehr reichen Manne, der aus langer Erfah-
rung die Barbarey ſeiner Gemuͤthsart zu
verhehlen gelernet, und durch dieſes Mittel
des Muͤftis Tochter fuͤr ſeinen Sohn zur
Ehe erhalten hatte. Als dieſer zu ihm kam:
ſo ſagte er zu demſelben: “Ich moͤchte
“gerne dem Weßire einige Dinge wiſſen
“laſſen, und wollte euch alſo erſuchen, zu
“ihm zu gehen und ihm dieſelben zu hinter-
“bringen, weil ich weis, daß ihr beſonders
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“Rejs Efendi und Iskjerlet Ogli ſind bey
“mir geweſen, und haben mir ſchlimme Sa-
“chen von dem Weßire erzaͤhlet, als wenn
“er damit umginge, den Sultan abzuſetzen
“und mich ums Leben zu bringen; wie er
“dann deswegen mich oͤffentlich fuͤr einen
[Spaltenumbruch]
“Unglaubigen ausgegeben habe. Da nun
“derſelbe auf euer Anſuchen, wie euch be-
“wußt iſt, durch mein Anſehen bey dem
“Sultane zu der Wuͤrde des Weßirs erho-
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“Manne das Leben genommen werden ſollte,
“den ich wenige Tage zuvor zu der hoͤchſten
“Wuͤrde erhoben habe, die das osmaniſche
“Reich gewaͤhren kann. Außer dem bin
“ich uͤberzeuget, daß Rami und Iskjerlet
“Ogli, als ſie mit den Friedensunterhand-
“lungen beſchaͤfftiget geweſen, von den Gja-
“wurn mit großen Summen Geldes beſto-
“chen worden ſind, und fuͤr ihren eigenen
“Kopf den Deutſchen und Polen viele Sa-
“chen nachgegeben haben, die der osmani-
“ſchen Herrſchaft haͤtten verbleiben koͤnnen:
“dabey haben ſie den Sultan und mich
“durch verſchmitzte Luͤgen beredet, daß un-
“moͤglicher Weiſe ein Friede unter andern
“Bedingungen haͤtte erhalten werden koͤn-
“nen. Daher erſuche ich euch, dem Weßire
“in meinem Namen zu melden, daß ich weit
“davon entfernet ſey, mich durch die fal-
“ſchen Vorſtellungen dieſer Schaͤlke ein-
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ſo beſuchet er den Muͤfti bey Nachtzeit, und
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ſich, als wenn er ihm beyfiele, ruͤhmet des
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[698/0812] Osmaniſche Geſchichte und, um dieſelben deſto leichter aufzuhetzen, habe er allerhand Luͤgen wegen uͤbeler Ver- waltung des Stats unter ihnen ausgeſtreuet. Da nun dieſe und dergleichen Unternehmun- gen Daltabans offenbar auf den Untergang und das Verderben derjenigen, die keine Muͤhe geſparet haben, dem osmaniſchen Reiche die Ruhe wieder zu verſchaffen, ja gar auf die Abſetzung des Sultans, abzielen: ſo haben ſie es ihrer Schuldigkeit gemaͤß erachtet, dem Muͤfti davon Nachricht zu geben, weil er das vornehmſte Werkzeug des Friedens geweſen ſey; und ihn zugleich zu bitten, daß er nicht allein ſich ſelbſt in acht nehmen, ſondern auch geruhen moͤge, diejenigen, die ihn als ihren einzigen Goͤnner und Beſchuͤtzer anſehen, ge- gen die Gewaltthaͤtigkeit dieſes Mannes zu vertheidigen und erhalten zu helfen. Der Muͤfti Faͤjßuͤllah Efendi wurde durch dieſen Vortrag Ramis bewogen zu glauben, daß ſein eigener Kopf in Gefahr ſey, und faſſete den Entſchluß, den Streich nicht abzuwarten, ſondern ſeinem Feinde zuvor zu kommen und ihn in ſeinem eigenen Netze zu fangen. Um aber die demſelben gelegten Schlingen deſto beſſer zu verbergen: ſchickte er nach dem ober- ſten Hofmetzger, Kara Mehemmed Aga, einem ſehr reichen Manne, der aus langer Erfah- rung die Barbarey ſeiner Gemuͤthsart zu verhehlen gelernet, und durch dieſes Mittel des Muͤftis Tochter fuͤr ſeinen Sohn zur Ehe erhalten hatte. Als dieſer zu ihm kam: ſo ſagte er zu demſelben: “Ich moͤchte “gerne dem Weßire einige Dinge wiſſen “laſſen, und wollte euch alſo erſuchen, zu “ihm zu gehen und ihm dieſelben zu hinter- “bringen, weil ich weis, daß ihr beſonders “gute Freunde zuſammen ſeyd. Rami “Rejs Efendi und Iskjerlet Ogli ſind bey “mir geweſen, und haben mir ſchlimme Sa- “chen von dem Weßire erzaͤhlet, als wenn “er damit umginge, den Sultan abzuſetzen “und mich ums Leben zu bringen; wie er “dann deswegen mich oͤffentlich fuͤr einen “Unglaubigen ausgegeben habe. Da nun “derſelbe auf euer Anſuchen, wie euch be- “wußt iſt, durch mein Anſehen bey dem “Sultane zu der Wuͤrde des Weßirs erho- “ben worden, und daher mein Tſcherag “(Geſchoͤpfe) iſt: ſo wollte ich nicht gerne, “daß eine Fackel, die ich ſelbſt angezuͤndet, “ſo bald wieder ausgeloͤſchet und einem “Manne das Leben genommen werden ſollte, “den ich wenige Tage zuvor zu der hoͤchſten “Wuͤrde erhoben habe, die das osmaniſche “Reich gewaͤhren kann. Außer dem bin “ich uͤberzeuget, daß Rami und Iskjerlet “Ogli, als ſie mit den Friedensunterhand- “lungen beſchaͤfftiget geweſen, von den Gja- “wurn mit großen Summen Geldes beſto- “chen worden ſind, und fuͤr ihren eigenen “Kopf den Deutſchen und Polen viele Sa- “chen nachgegeben haben, die der osmani- “ſchen Herrſchaft haͤtten verbleiben koͤnnen: “dabey haben ſie den Sultan und mich “durch verſchmitzte Luͤgen beredet, daß un- “moͤglicher Weiſe ein Friede unter andern “Bedingungen haͤtte erhalten werden koͤn- “nen. Daher erſuche ich euch, dem Weßire “in meinem Namen zu melden, daß ich weit “davon entfernet ſey, mich durch die fal- “ſchen Vorſtellungen dieſer Schaͤlke ein- “nehmen zu laſſen und aufzuhoͤren, ſein “Goͤnner zu ſeyn: ſondern ich werde viel- “mehr bey aller Gelegenheit, die ſich nur “eraͤugen wird, dem Sultane zureden, daß “er nicht allein ihn in ſeinem Weßiramte “beſtaͤtigen; ſondern auch alle ſeine Feinde “umbringen laſſen ſolle.„ Als Daltaban dieſes aus Mehemmed Agas Munde hoͤret: ſo beſuchet er den Muͤfti bey Nachtzeit, und bezeiget, vorgegebenermaßen, daß er ihm, als ſeinem Goͤnner und Wohlthaͤter, ſein ganzes Herz offenbaren wolle. Der Muͤfti ſtellet ſich, als wenn er ihm beyfiele, ruͤhmet des Weßirs Vorhaben, und verſpricht, ſeine aͤußerſten Bemuͤhungen anzuwenden, um daſſelbe zur Ausfuͤhrung zu bringen, und daß Rami

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 698. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/812>, abgerufen am 22.11.2024.