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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
47.

Um nun zu verhüten, daß die Zeitung von dieser unglücklichen Be-Der Weßir ma-
chet dem Sulta-
ne eine falsche
Vorstellung.

gebenheit keine Unruhen in dem Lager erregete, hauet der Weßir dem Boten,
der diese Nachricht brachte, auf der Stelle den Kopf ab, und meldet dem Sul-
tane: die ungarischen Reiter, die in des Kaisers Diensten stünden, hätten sich
bey dem Nachzuge sehen lassen und hätten Dschäfer Pascha überraschet; sie wä-
ren aber hierauf von den Tatarn und übrigen osmanischen Truppen geschlagen
worden. Kaum aber hat er dieses dem Sultane hinterbracht: so kommen
verschiedene Haufen Tatarn an, die die ungarische Reiterey zufälliger Weise
gesehen hatten, und erzählen in dem Lager, daß das gesammte deutsche Heer
die osmanischen Truppen mit der äußersten Eilfertigkeit verfolge und schon ganz
nahe sey.

48.

Hierauf befiehlet der Sultan seinen Leuten, so gleich Halte zu machen,Nach erhalte-
ner Zeitung von
den Tatarn, daß
der Feind ihm
nachsetze, gehet
der Sultan voll
Schreckens über
die Theiße.

und denen, die bereits gegen Schegedin vorausgegangen waren, wieder umzu-
kehren: imgleichen, so bald als es möglich sey, eine Brücke über die Theiße
zu schlagen; welches innerhalb vier Stunden geschehen war, weil die auf Wä-
gen mitgeführten Böte, von den Türken Tumbaß genennet, dabey zum Grunde
dieneten. Gegen Mittag gehet der Sultan zuerst zu Pferde darüber; und als
der Weßir herzutritt, demselben, der Gewohnheit gemäß, den Steigbiegel zu küs-
sen: so verweigert ihm der Sultan dieses mit einem ernsthaften Gesichte, und
befiehlet ihm Sorge zu tragen, daß das Geschütz und gesammte Lager sicher über-
gebracht werde; denn wenn der Feind nur einen einzigen Wagen nehmen werde:
so solle er dafür des schimpflichsten Todes gewärtig seyn.

49.

Weil nun der Weßir wußte, daß alle die Sachen kaum in zweenenDer Weßir fas-
set, gegen des
Sultans Absicht,
den Vorsatz, mit
dem Feinde
zu fechten.

Tagen übergeführet werden konnten; und wohl merkte, daß sein Untergang
unvermeidlich sey, wenn er noch einmal vor dem Sultane erschiene: so sendet er
anfangs acht Stücke mit ihrer zugehörigen Geräthschaft hinüber; damit es
nicht scheinen möchte, als wenn er des Sultans Befehl offenbar verabsäumete.
Hierauf aber lässet er mit den übrigen inne halten, und erlaubet den Sipahi
und Truppen der Paschen überzugehen; dabey er zur Ursache anführet: das
Geschütz und der beste Theil des Heeres müsse zurück bleiben, um das Lager
[Spaltenumbruch]

wurde für diesen verrätherischen Dienst nach
der Schlacht ohne Lösegeld wieder frey gelas-
sen. Bey seiner Rückkunft zu Constantino-
pel bekam er nicht allein wegen seines Ver-
[Spaltenumbruch]
rathes keine Strafe; sondern wurde noch da-
zu in seine vorige Würde eingesetzet. Er
starb aber gleich im folgenden Jahre darauf.

zu ver-
4 R
22. Muſtaͤfa der II
47.

Um nun zu verhuͤten, daß die Zeitung von dieſer ungluͤcklichen Be-Der Weßir ma-
chet dem Sulta-
ne eine falſche
Vorſtellung.

gebenheit keine Unruhen in dem Lager erregete, hauet der Weßir dem Boten,
der dieſe Nachricht brachte, auf der Stelle den Kopf ab, und meldet dem Sul-
tane: die ungariſchen Reiter, die in des Kaiſers Dienſten ſtuͤnden, haͤtten ſich
bey dem Nachzuge ſehen laſſen und haͤtten Dſchaͤfer Paſcha uͤberraſchet; ſie waͤ-
ren aber hierauf von den Tatarn und uͤbrigen osmaniſchen Truppen geſchlagen
worden. Kaum aber hat er dieſes dem Sultane hinterbracht: ſo kommen
verſchiedene Haufen Tatarn an, die die ungariſche Reiterey zufaͤlliger Weiſe
geſehen hatten, und erzaͤhlen in dem Lager, daß das geſammte deutſche Heer
die osmaniſchen Truppen mit der aͤußerſten Eilfertigkeit verfolge und ſchon ganz
nahe ſey.

48.

Hierauf befiehlet der Sultan ſeinen Leuten, ſo gleich Halte zu machen,Nach erhalte-
ner Zeitung von
den Tatarn, daß
der Feind ihm
nachſetze, gehet
der Sultan voll
Schreckens uͤber
die Theiße.

und denen, die bereits gegen Schegedin vorausgegangen waren, wieder umzu-
kehren: imgleichen, ſo bald als es moͤglich ſey, eine Bruͤcke uͤber die Theiße
zu ſchlagen; welches innerhalb vier Stunden geſchehen war, weil die auf Waͤ-
gen mitgefuͤhrten Boͤte, von den Tuͤrken Tumbaß genennet, dabey zum Grunde
dieneten. Gegen Mittag gehet der Sultan zuerſt zu Pferde daruͤber; und als
der Weßir herzutritt, demſelben, der Gewohnheit gemaͤß, den Steigbiegel zu kuͤſ-
ſen: ſo verweigert ihm der Sultan dieſes mit einem ernſthaften Geſichte, und
befiehlet ihm Sorge zu tragen, daß das Geſchuͤtz und geſammte Lager ſicher uͤber-
gebracht werde; denn wenn der Feind nur einen einzigen Wagen nehmen werde:
ſo ſolle er dafuͤr des ſchimpflichſten Todes gewaͤrtig ſeyn.

49.

Weil nun der Weßir wußte, daß alle die Sachen kaum in zweenenDer Weßir faſ-
ſet, gegen des
Sultans Abſicht,
den Vorſatz, mit
dem Feinde
zu fechten.

Tagen uͤbergefuͤhret werden konnten; und wohl merkte, daß ſein Untergang
unvermeidlich ſey, wenn er noch einmal vor dem Sultane erſchiene: ſo ſendet er
anfangs acht Stuͤcke mit ihrer zugehoͤrigen Geraͤthſchaft hinuͤber; damit es
nicht ſcheinen moͤchte, als wenn er des Sultans Befehl offenbar verabſaͤumete.
Hierauf aber laͤſſet er mit den uͤbrigen inne halten, und erlaubet den Sipahi
und Truppen der Paſchen uͤberzugehen; dabey er zur Urſache anfuͤhret: das
Geſchuͤtz und der beſte Theil des Heeres muͤſſe zuruͤck bleiben, um das Lager
[Spaltenumbruch]

wurde fuͤr dieſen verraͤtheriſchen Dienſt nach
der Schlacht ohne Loͤſegeld wieder frey gelaſ-
ſen. Bey ſeiner Ruͤckkunft zu Conſtantino-
pel bekam er nicht allein wegen ſeines Ver-
[Spaltenumbruch]
rathes keine Strafe; ſondern wurde noch da-
zu in ſeine vorige Wuͤrde eingeſetzet. Er
ſtarb aber gleich im folgenden Jahre darauf.

zu ver-
4 R
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[681/0795] 22. Muſtaͤfa der II 47. Um nun zu verhuͤten, daß die Zeitung von dieſer ungluͤcklichen Be- gebenheit keine Unruhen in dem Lager erregete, hauet der Weßir dem Boten, der dieſe Nachricht brachte, auf der Stelle den Kopf ab, und meldet dem Sul- tane: die ungariſchen Reiter, die in des Kaiſers Dienſten ſtuͤnden, haͤtten ſich bey dem Nachzuge ſehen laſſen und haͤtten Dſchaͤfer Paſcha uͤberraſchet; ſie waͤ- ren aber hierauf von den Tatarn und uͤbrigen osmaniſchen Truppen geſchlagen worden. Kaum aber hat er dieſes dem Sultane hinterbracht: ſo kommen verſchiedene Haufen Tatarn an, die die ungariſche Reiterey zufaͤlliger Weiſe geſehen hatten, und erzaͤhlen in dem Lager, daß das geſammte deutſche Heer die osmaniſchen Truppen mit der aͤußerſten Eilfertigkeit verfolge und ſchon ganz nahe ſey. Der Weßir ma- chet dem Sulta- ne eine falſche Vorſtellung. 48. Hierauf befiehlet der Sultan ſeinen Leuten, ſo gleich Halte zu machen, und denen, die bereits gegen Schegedin vorausgegangen waren, wieder umzu- kehren: imgleichen, ſo bald als es moͤglich ſey, eine Bruͤcke uͤber die Theiße zu ſchlagen; welches innerhalb vier Stunden geſchehen war, weil die auf Waͤ- gen mitgefuͤhrten Boͤte, von den Tuͤrken Tumbaß genennet, dabey zum Grunde dieneten. Gegen Mittag gehet der Sultan zuerſt zu Pferde daruͤber; und als der Weßir herzutritt, demſelben, der Gewohnheit gemaͤß, den Steigbiegel zu kuͤſ- ſen: ſo verweigert ihm der Sultan dieſes mit einem ernſthaften Geſichte, und befiehlet ihm Sorge zu tragen, daß das Geſchuͤtz und geſammte Lager ſicher uͤber- gebracht werde; denn wenn der Feind nur einen einzigen Wagen nehmen werde: ſo ſolle er dafuͤr des ſchimpflichſten Todes gewaͤrtig ſeyn. Nach erhalte- ner Zeitung von den Tatarn, daß der Feind ihm nachſetze, gehet der Sultan voll Schreckens uͤber die Theiße. 49. Weil nun der Weßir wußte, daß alle die Sachen kaum in zweenen Tagen uͤbergefuͤhret werden konnten; und wohl merkte, daß ſein Untergang unvermeidlich ſey, wenn er noch einmal vor dem Sultane erſchiene: ſo ſendet er anfangs acht Stuͤcke mit ihrer zugehoͤrigen Geraͤthſchaft hinuͤber; damit es nicht ſcheinen moͤchte, als wenn er des Sultans Befehl offenbar verabſaͤumete. Hierauf aber laͤſſet er mit den uͤbrigen inne halten, und erlaubet den Sipahi und Truppen der Paſchen uͤberzugehen; dabey er zur Urſache anfuͤhret: das Geſchuͤtz und der beſte Theil des Heeres muͤſſe zuruͤck bleiben, um das Lager zu ver- wurde fuͤr dieſen verraͤtheriſchen Dienſt nach der Schlacht ohne Loͤſegeld wieder frey gelaſ- ſen. Bey ſeiner Ruͤckkunft zu Conſtantino- pel bekam er nicht allein wegen ſeines Ver- rathes keine Strafe; ſondern wurde noch da- zu in ſeine vorige Wuͤrde eingeſetzet. Er ſtarb aber gleich im folgenden Jahre darauf. Der Weßir faſ- ſet, gegen des Sultans Abſicht, den Vorſatz, mit dem Feinde zu fechten. 4 R

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/795>, abgerufen am 22.11.2024.