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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Lewend 13 an; übet sowol die Soldaten als die Hofleute täglich in Kjagiß
Chane 14 in den Handgriffen der Musketen, Stücke, Mörser, Wurfpfeile,
Dschirid* und anderer Waffen, die bey den Türken üblich sind; und lässet end-
lich ein Ferman öffentlich bekannt machen, daß die gesammte Macht des Reichs
sich gegen Chißrelleß2* bey Adrianopel versammeln sollte. Solchergestalt war
in ganz Constantinopel, das unter den vorigen Sultanen auf nichts als auf
Ergetzlichkeiten hielte, und mitten im Kriege in Wollust zu zerfließen schiene,
unter Mustäfas Regierung nichts als das Getöne der Waffen zu hören: und
die Einwohner muthmaßeten nicht allein daraus künftige Eroberungen; sondern
machten sich auch aus den bereits geschehenen davon die gewisseste Hoffnung.

Der Sultan
verwirft den
Frieden, den ihm
der Kaiser an-tragen lässet.
29.

Der Sultan setzte hierauf ein solches festes Vertrauen, daß, unge-
achtet derselbe von dem geendigten Kriege zwischen dem Kaiser und dem Könige
von Frankreich Nachricht erhielte, er nichts desto weniger den Frieden, der ihm
von dem holländischen und englischen Abgesandten angetragen wurde, verwarf,
und sich rühmete, daß er allein und auch ohne den Beystand der Franzosen im
Stande sey, dem Kaiser nicht nur Widerstand zu thun, sondern auch denselben
so gar unter seine Gewalt zu bringen.

Ziehet mit sei-
nen Völkern
nach Belgrad,
und mustert seinHeer daselbst.
30.

Als nun die angenehme Jahreszeit herannahete, die die Soldaten
ordentlicher Weise zu dem Feldzuge anlocket: so reisete derselbe von Constan-
tinopel ab, mit eben dem unbeschreiblichen Prachte, als er seinen Einzug daselbst
gehalten hatte, und setzte seinen Zug über Adrianopel nach Belgrad fort. Hier
hielte er über sein Heer nochmals Musterung, und befand, daß er, außer den Be-
dienten und Knechten der Paschen (deren sich allezeit eine große Anzahl in dem
türkischen Lager befindet) und einer Menge anderer unnützen Personen, hun-
[Spaltenumbruch]

aus den Dschebedschi oder andern neuen Sol-
daten ausgehoben, unter dem Namen Jeng-
itscheri jamadschi.
13 Lewend] Dieser Name ist eine Ver-
derbung eines gewissen italienischen Wortes*,
und bedeutet die Seetruppen, die aus sehr
unordentlichem Volke bestehen, das sich kaum
von seinen Befehlhabern regieren lässet. Vor
diesem waren sie sehr unerfahren; nachdem
sie aber von Mezzomorto einigermaßen in Ord-
[Spaltenumbruch]
nung gebracht worden sind: so scheinen sie
itzo etwas von ihrer Wildigkeit und Unwissen-
heit abgeleget zu haben. Die gewöhnliche
Zahl derselben zu Friedenszeiten ist vierzehen
tausend. Wann aber mit den Venetianern
Krieg entstehet, oder auch sonst eine Veran-
lassung vorhanden ist: so werden noch mehr
neue auf sechs Monate angeworben, so viel
als der Sultan haben will; und diese bekom-
men für die sechs Monate einen Gehalt von
fünf und zwanzig Thalern die Person. Man

dert
* 129 S. 41 Anm.
2* St. Georgentag.
* Levante.

Osmaniſche Geſchichte
Lewend 13 an; uͤbet ſowol die Soldaten als die Hofleute taͤglich in Kjagiß
Chane 14 in den Handgriffen der Musketen, Stuͤcke, Moͤrſer, Wurfpfeile,
Dſchirid* und anderer Waffen, die bey den Tuͤrken uͤblich ſind; und laͤſſet end-
lich ein Ferman oͤffentlich bekannt machen, daß die geſammte Macht des Reichs
ſich gegen Chißrelleß2* bey Adrianopel verſammeln ſollte. Solchergeſtalt war
in ganz Conſtantinopel, das unter den vorigen Sultanen auf nichts als auf
Ergetzlichkeiten hielte, und mitten im Kriege in Wolluſt zu zerfließen ſchiene,
unter Muſtaͤfas Regierung nichts als das Getoͤne der Waffen zu hoͤren: und
die Einwohner muthmaßeten nicht allein daraus kuͤnftige Eroberungen; ſondern
machten ſich auch aus den bereits geſchehenen davon die gewiſſeſte Hoffnung.

Der Sultan
verwirft den
Frieden, den ihm
der Kaiſer an-tragen laͤſſet.
29.

Der Sultan ſetzte hierauf ein ſolches feſtes Vertrauen, daß, unge-
achtet derſelbe von dem geendigten Kriege zwiſchen dem Kaiſer und dem Koͤnige
von Frankreich Nachricht erhielte, er nichts deſto weniger den Frieden, der ihm
von dem hollaͤndiſchen und engliſchen Abgeſandten angetragen wurde, verwarf,
und ſich ruͤhmete, daß er allein und auch ohne den Beyſtand der Franzoſen im
Stande ſey, dem Kaiſer nicht nur Widerſtand zu thun, ſondern auch denſelben
ſo gar unter ſeine Gewalt zu bringen.

Ziehet mit ſei-
nen Voͤlkern
nach Belgrad,
und muſtert ſeinHeer daſelbſt.
30.

Als nun die angenehme Jahreszeit herannahete, die die Soldaten
ordentlicher Weiſe zu dem Feldzuge anlocket: ſo reiſete derſelbe von Conſtan-
tinopel ab, mit eben dem unbeſchreiblichen Prachte, als er ſeinen Einzug daſelbſt
gehalten hatte, und ſetzte ſeinen Zug uͤber Adrianopel nach Belgrad fort. Hier
hielte er uͤber ſein Heer nochmals Muſterung, und befand, daß er, außer den Be-
dienten und Knechten der Paſchen (deren ſich allezeit eine große Anzahl in dem
tuͤrkiſchen Lager befindet) und einer Menge anderer unnuͤtzen Perſonen, hun-
[Spaltenumbruch]

aus den Dſchebedſchi oder andern neuen Sol-
daten ausgehoben, unter dem Namen Jeng-
itſcheri jamadſchi.
13 Lewend] Dieſer Name iſt eine Ver-
derbung eines gewiſſen italieniſchen Wortes*,
und bedeutet die Seetruppen, die aus ſehr
unordentlichem Volke beſtehen, das ſich kaum
von ſeinen Befehlhabern regieren laͤſſet. Vor
dieſem waren ſie ſehr unerfahren; nachdem
ſie aber von Mezzomorto einigermaßen in Ord-
[Spaltenumbruch]
nung gebracht worden ſind: ſo ſcheinen ſie
itzo etwas von ihrer Wildigkeit und Unwiſſen-
heit abgeleget zu haben. Die gewoͤhnliche
Zahl derſelben zu Friedenszeiten iſt vierzehen
tauſend. Wann aber mit den Venetianern
Krieg entſtehet, oder auch ſonſt eine Veran-
laſſung vorhanden iſt: ſo werden noch mehr
neue auf ſechs Monate angeworben, ſo viel
als der Sultan haben will; und dieſe bekom-
men fuͤr die ſechs Monate einen Gehalt von
fuͤnf und zwanzig Thalern die Perſon. Man

dert
* 129 S. 41 Anm.
2* St. Georgentag.
* Levante.
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[670/0784] Osmaniſche Geſchichte Lewend ¹³ an; uͤbet ſowol die Soldaten als die Hofleute taͤglich in Kjagiß Chane ¹⁴ in den Handgriffen der Musketen, Stuͤcke, Moͤrſer, Wurfpfeile, Dſchirid * und anderer Waffen, die bey den Tuͤrken uͤblich ſind; und laͤſſet end- lich ein Ferman oͤffentlich bekannt machen, daß die geſammte Macht des Reichs ſich gegen Chißrelleß 2* bey Adrianopel verſammeln ſollte. Solchergeſtalt war in ganz Conſtantinopel, das unter den vorigen Sultanen auf nichts als auf Ergetzlichkeiten hielte, und mitten im Kriege in Wolluſt zu zerfließen ſchiene, unter Muſtaͤfas Regierung nichts als das Getoͤne der Waffen zu hoͤren: und die Einwohner muthmaßeten nicht allein daraus kuͤnftige Eroberungen; ſondern machten ſich auch aus den bereits geſchehenen davon die gewiſſeſte Hoffnung. 29. Der Sultan ſetzte hierauf ein ſolches feſtes Vertrauen, daß, unge- achtet derſelbe von dem geendigten Kriege zwiſchen dem Kaiſer und dem Koͤnige von Frankreich Nachricht erhielte, er nichts deſto weniger den Frieden, der ihm von dem hollaͤndiſchen und engliſchen Abgeſandten angetragen wurde, verwarf, und ſich ruͤhmete, daß er allein und auch ohne den Beyſtand der Franzoſen im Stande ſey, dem Kaiſer nicht nur Widerſtand zu thun, ſondern auch denſelben ſo gar unter ſeine Gewalt zu bringen. 30. Als nun die angenehme Jahreszeit herannahete, die die Soldaten ordentlicher Weiſe zu dem Feldzuge anlocket: ſo reiſete derſelbe von Conſtan- tinopel ab, mit eben dem unbeſchreiblichen Prachte, als er ſeinen Einzug daſelbſt gehalten hatte, und ſetzte ſeinen Zug uͤber Adrianopel nach Belgrad fort. Hier hielte er uͤber ſein Heer nochmals Muſterung, und befand, daß er, außer den Be- dienten und Knechten der Paſchen (deren ſich allezeit eine große Anzahl in dem tuͤrkiſchen Lager befindet) und einer Menge anderer unnuͤtzen Perſonen, hun- dert aus den Dſchebedſchi oder andern neuen Sol- daten ausgehoben, unter dem Namen Jeng- itſcheri jamadſchi. ¹³ Lewend] Dieſer Name iſt eine Ver- derbung eines gewiſſen italieniſchen Wortes *, und bedeutet die Seetruppen, die aus ſehr unordentlichem Volke beſtehen, das ſich kaum von ſeinen Befehlhabern regieren laͤſſet. Vor dieſem waren ſie ſehr unerfahren; nachdem ſie aber von Mezzomorto einigermaßen in Ord- nung gebracht worden ſind: ſo ſcheinen ſie itzo etwas von ihrer Wildigkeit und Unwiſſen- heit abgeleget zu haben. Die gewoͤhnliche Zahl derſelben zu Friedenszeiten iſt vierzehen tauſend. Wann aber mit den Venetianern Krieg entſtehet, oder auch ſonſt eine Veran- laſſung vorhanden iſt: ſo werden noch mehr neue auf ſechs Monate angeworben, ſo viel als der Sultan haben will; und dieſe bekom- men fuͤr die ſechs Monate einen Gehalt von fuͤnf und zwanzig Thalern die Perſon. Man nimmt * 129 S. 41 Anm. 2* St. Georgentag. * Levante.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/784>, abgerufen am 25.11.2024.