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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
zu Constantinopel öftere Berathschlagungen gepflogen, wie man die Seemacht
wieder in guten Stand setzen könnte. Während derselben kam der Name Mez-
zomorto 9, der zur selbigen Zeit nur über ein einziges Schiff Befehlhaber war,
in Ansehen. Als man nun diesen mit in die Rathsversammlung berief: so wi-
derrieth derselbe nicht allein, den Krieg bloß vertheidigungsweise zu führen,
welches den meisten am rathsamsten zu seyn dünkte; sondern er schlug auch die
Wiedereroberung von Chios als eine ganz thunliche Sache vor, und versprach,
es selbst wieder einzunehmen, wenn man ihm nur vier Sultanen nebst einem
Theile der Galeen dazu geben wollte. Der Admiral, Aemidsche Ogli Husejn
Pascha, hielte ihn verächtlich und schalt ihn für einen einbildischen und verwe-
genen Mann, setzte auch zu seinen Schmähungen so gar Drohworte hinzu.
Der Seräskjer aber, Misirli Ogli 10, dem die oberste Verwaltung des Krieges
gegen die Venetianer anvertrauet war, nahm die Sache in reifere Ueberlegung,
billigte den Entwurf, und gab Mezzomorto die verlangten Schiffe nebst acht
Galeen. Mit diesen segelte Mezzomorto auf Chios zu, und die gesammte tür-
kische Flote kam in weniger Zeit nach. Bey seiner Anlangung wehrte er sich
nicht allein gegen die venetianische Flote, die zur Vertheidigung des Hafens da-
selbst lag: sondern er trieb auch dieselbe zurück, eroberte zwey von ihren Schif-
fen, und nöthigte die übrigen, die Flucht zu ergreifen. Als die Besatzung die
Türken heransegeln sahe: so achtete sie anfangs, aus Vertrauen auf ihre eigene
Macht, dieselben gering. Da sie aber hernach gewahr wurde, daß ihre Schiffe
[Spaltenumbruch]
9 Mezzomorto] Ein Afrikaner von
morischen Aeltern geboren. In seiner Ju-
gend trieb derselbe Seeräuberey in dem mit-
telländischen Meere, von dem Hafen von Tu-
nis aus, und machte sich dadurch sehr be-
rühmt. Zuletzt wurde er in einem Gefechte
von den Spaniern überwältiget und von den-
selben gefangen: dabey bekam er eine solche
gefährliche Wunde, daß man an seinem Le-
ben verzagte; und bey dieser Gelegenheit
gab man ihm den Namen Mezzomorto oder
der Halbtodte, den er nachher beständig behalten
hat. Nämlich er genas von dieser Wunde,
und wurde nach einer siebenzehenjährigen
Gefangenschaft von seinen Landesleuten los-
gekaufet: da er dann sein altes Handwerk
wieder anfing und den Christen großen Scha-
[Spaltenumbruch]
den zufügte. Nach der Zeit wurde er wegen
seiner bey Chios geleisteten guten Dienste zum
Führer einer Galee, und endlich zum Befehl-
haber über die ganze türkische Flote gemacht.
Als er nach Adrianopel kommen mußte und
der Sultan ihm die Würde des Admirals mit
dreyen Tug auftruge: so bat er sich dieses
besonders aus, daß ihm vergönnet werden
möchte, das Schiffsvolk und die Seetruppen
in der Kunst des Seegefechtes zu üben und
dieselben an eine gewisse Ordnung zu binden;
und dann, daß man ihn nicht nöthigen möch-
te, wegen der ihm aufgetragenen Würde eines
Weßirs seine Schiffskleidung abzulegen. Bey-
derley Bitte wurde ihm zugestanden. Die
andern Weßire bemüheten sich zwar öfters,
ihn dahin zu vermögen, daß er seine Kleidung

von

Osmaniſche Geſchichte
zu Conſtantinopel oͤftere Berathſchlagungen gepflogen, wie man die Seemacht
wieder in guten Stand ſetzen koͤnnte. Waͤhrend derſelben kam der Name Mez-
zomorto 9, der zur ſelbigen Zeit nur uͤber ein einziges Schiff Befehlhaber war,
in Anſehen. Als man nun dieſen mit in die Rathsverſammlung berief: ſo wi-
derrieth derſelbe nicht allein, den Krieg bloß vertheidigungsweiſe zu fuͤhren,
welches den meiſten am rathſamſten zu ſeyn duͤnkte; ſondern er ſchlug auch die
Wiedereroberung von Chios als eine ganz thunliche Sache vor, und verſprach,
es ſelbſt wieder einzunehmen, wenn man ihm nur vier Sultanen nebſt einem
Theile der Galeen dazu geben wollte. Der Admiral, Aemidſche Ogli Huſejn
Paſcha, hielte ihn veraͤchtlich und ſchalt ihn fuͤr einen einbildiſchen und verwe-
genen Mann, ſetzte auch zu ſeinen Schmaͤhungen ſo gar Drohworte hinzu.
Der Seraͤskjer aber, Miſirli Ogli 10, dem die oberſte Verwaltung des Krieges
gegen die Venetianer anvertrauet war, nahm die Sache in reifere Ueberlegung,
billigte den Entwurf, und gab Mezzomorto die verlangten Schiffe nebſt acht
Galeen. Mit dieſen ſegelte Mezzomorto auf Chios zu, und die geſammte tuͤr-
kiſche Flote kam in weniger Zeit nach. Bey ſeiner Anlangung wehrte er ſich
nicht allein gegen die venetianiſche Flote, die zur Vertheidigung des Hafens da-
ſelbſt lag: ſondern er trieb auch dieſelbe zuruͤck, eroberte zwey von ihren Schif-
fen, und noͤthigte die uͤbrigen, die Flucht zu ergreifen. Als die Beſatzung die
Tuͤrken heranſegeln ſahe: ſo achtete ſie anfangs, aus Vertrauen auf ihre eigene
Macht, dieſelben gering. Da ſie aber hernach gewahr wurde, daß ihre Schiffe
[Spaltenumbruch]
9 Mezzomorto] Ein Afrikaner von
moriſchen Aeltern geboren. In ſeiner Ju-
gend trieb derſelbe Seeraͤuberey in dem mit-
tellaͤndiſchen Meere, von dem Hafen von Tu-
nis aus, und machte ſich dadurch ſehr be-
ruͤhmt. Zuletzt wurde er in einem Gefechte
von den Spaniern uͤberwaͤltiget und von den-
ſelben gefangen: dabey bekam er eine ſolche
gefaͤhrliche Wunde, daß man an ſeinem Le-
ben verzagte; und bey dieſer Gelegenheit
gab man ihm den Namen Mezzomorto oder
der Halbtodte, den er nachher beſtaͤndig behalten
hat. Naͤmlich er genas von dieſer Wunde,
und wurde nach einer ſiebenzehenjaͤhrigen
Gefangenſchaft von ſeinen Landesleuten los-
gekaufet: da er dann ſein altes Handwerk
wieder anfing und den Chriſten großen Scha-
[Spaltenumbruch]
den zufuͤgte. Nach der Zeit wurde er wegen
ſeiner bey Chios geleiſteten guten Dienſte zum
Fuͤhrer einer Galee, und endlich zum Befehl-
haber uͤber die ganze tuͤrkiſche Flote gemacht.
Als er nach Adrianopel kommen mußte und
der Sultan ihm die Wuͤrde des Admirals mit
dreyen Tug auftruge: ſo bat er ſich dieſes
beſonders aus, daß ihm vergoͤnnet werden
moͤchte, das Schiffsvolk und die Seetruppen
in der Kunſt des Seegefechtes zu uͤben und
dieſelben an eine gewiſſe Ordnung zu binden;
und dann, daß man ihn nicht noͤthigen moͤch-
te, wegen der ihm aufgetragenen Wuͤrde eines
Weßirs ſeine Schiffskleidung abzulegen. Bey-
derley Bitte wurde ihm zugeſtanden. Die
andern Weßire bemuͤheten ſich zwar oͤfters,
ihn dahin zu vermoͤgen, daß er ſeine Kleidung

von
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[662/0776] Osmaniſche Geſchichte zu Conſtantinopel oͤftere Berathſchlagungen gepflogen, wie man die Seemacht wieder in guten Stand ſetzen koͤnnte. Waͤhrend derſelben kam der Name Mez- zomorto ⁹ , der zur ſelbigen Zeit nur uͤber ein einziges Schiff Befehlhaber war, in Anſehen. Als man nun dieſen mit in die Rathsverſammlung berief: ſo wi- derrieth derſelbe nicht allein, den Krieg bloß vertheidigungsweiſe zu fuͤhren, welches den meiſten am rathſamſten zu ſeyn duͤnkte; ſondern er ſchlug auch die Wiedereroberung von Chios als eine ganz thunliche Sache vor, und verſprach, es ſelbſt wieder einzunehmen, wenn man ihm nur vier Sultanen nebſt einem Theile der Galeen dazu geben wollte. Der Admiral, Aemidſche Ogli Huſejn Paſcha, hielte ihn veraͤchtlich und ſchalt ihn fuͤr einen einbildiſchen und verwe- genen Mann, ſetzte auch zu ſeinen Schmaͤhungen ſo gar Drohworte hinzu. Der Seraͤskjer aber, Miſirli Ogli ¹⁰ , dem die oberſte Verwaltung des Krieges gegen die Venetianer anvertrauet war, nahm die Sache in reifere Ueberlegung, billigte den Entwurf, und gab Mezzomorto die verlangten Schiffe nebſt acht Galeen. Mit dieſen ſegelte Mezzomorto auf Chios zu, und die geſammte tuͤr- kiſche Flote kam in weniger Zeit nach. Bey ſeiner Anlangung wehrte er ſich nicht allein gegen die venetianiſche Flote, die zur Vertheidigung des Hafens da- ſelbſt lag: ſondern er trieb auch dieſelbe zuruͤck, eroberte zwey von ihren Schif- fen, und noͤthigte die uͤbrigen, die Flucht zu ergreifen. Als die Beſatzung die Tuͤrken heranſegeln ſahe: ſo achtete ſie anfangs, aus Vertrauen auf ihre eigene Macht, dieſelben gering. Da ſie aber hernach gewahr wurde, daß ihre Schiffe von ⁹ Mezzomorto] Ein Afrikaner von moriſchen Aeltern geboren. In ſeiner Ju- gend trieb derſelbe Seeraͤuberey in dem mit- tellaͤndiſchen Meere, von dem Hafen von Tu- nis aus, und machte ſich dadurch ſehr be- ruͤhmt. Zuletzt wurde er in einem Gefechte von den Spaniern uͤberwaͤltiget und von den- ſelben gefangen: dabey bekam er eine ſolche gefaͤhrliche Wunde, daß man an ſeinem Le- ben verzagte; und bey dieſer Gelegenheit gab man ihm den Namen Mezzomorto oder der Halbtodte, den er nachher beſtaͤndig behalten hat. Naͤmlich er genas von dieſer Wunde, und wurde nach einer ſiebenzehenjaͤhrigen Gefangenſchaft von ſeinen Landesleuten los- gekaufet: da er dann ſein altes Handwerk wieder anfing und den Chriſten großen Scha- den zufuͤgte. Nach der Zeit wurde er wegen ſeiner bey Chios geleiſteten guten Dienſte zum Fuͤhrer einer Galee, und endlich zum Befehl- haber uͤber die ganze tuͤrkiſche Flote gemacht. Als er nach Adrianopel kommen mußte und der Sultan ihm die Wuͤrde des Admirals mit dreyen Tug auftruge: ſo bat er ſich dieſes beſonders aus, daß ihm vergoͤnnet werden moͤchte, das Schiffsvolk und die Seetruppen in der Kunſt des Seegefechtes zu uͤben und dieſelben an eine gewiſſe Ordnung zu binden; und dann, daß man ihn nicht noͤthigen moͤch- te, wegen der ihm aufgetragenen Wuͤrde eines Weßirs ſeine Schiffskleidung abzulegen. Bey- derley Bitte wurde ihm zugeſtanden. Die andern Weßire bemuͤheten ſich zwar oͤfters, ihn dahin zu vermoͤgen, daß er ſeine Kleidung aͤnderte,

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/776>, abgerufen am 22.11.2024.