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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
er seine Reiterey nicht gebrauchen kann, und auch kein Mittel vor sich siehet,
zu entrinnen. Bey diesen Umständen hätten die Tatarn nothwendig sich ent-
weder dem Feinde ergeben, oder vor Hunger umkommen müssen: wenn nicht
eine standhafte Entschließung Selims alle Hindernisse überwunden, und die Ta-
tarn zu einer That vermocht hätte, die zwar unter den scythischen Ordi nicht
ganz ungewöhnlich ist; bisher aber, sint der Name der Scythen in der Welt
berühmt ist, noch niemals war erhöret worden. Denn weil für die Reiterey
kein Raum vorhanden ist zu fechten: so bringen die Tatarn auf seinen Befehl
alle ihre Pferde um, fallen den Feind mit dem Säbel in der Faust an, und ren-
nen mit der größten Hitze unter die dicksten Glieder der Deutschen hinein. Ein
so unvermutheter Anfall setzet anfangs die Deutschen in Verwirrung; sie fassen
aber wieder frischen Muth, schließen jene, da sie beynahe entronnen waren, noch-
mals ein, und richten eine solche Niederlage unter ihnen an, daß, außer einigen
wenigen Gefährten des Chans, kaum ein einziger Mann davon kam.

Die Polen hal-
ten sich zu Haufe
stille. Die Ve-
netianer verrich-
ten in Griechen-
land nichts, und
richten auch in
Dalmatien we-nig aus.
42.

Solchergestalt übten die Deutschen eine blutige Rache gegen die Ta-
tarn für die polnischen Kriegesheere aus, die so oft von ihnen waren geschlagen
worden: da inzwischen die Polen selbst noch immer ohne Bewegung blieben
(entweder weil man sie mit der Hoffnung eines Friedens hinhielte, den ihnen
Selim Gjiraj durch seine Abgesandten nochmals anbieten ließe; oder weil sie
durch ihre vormaligen unglücklichen Unternehmungen abgeschrecket wurden),
und sich nicht getraueten, mit einem Heere im Felde zu erscheinen. Die Waffen
der Venetianer ruheten in Griechenland ebenfals. Jedoch unternahmen diesel-
ben in Dalmatien die Belagerung von Clobuchi, unter Anführung des Kriegs-
befehlhabers von Catarri, Erizzo: sie wurden aber von dem Pascha von Erze-
gowina mit ziemlichem Verluste davor abgetrieben; der iedoch kurz darauf
von Canegotti geschlagen wurde.

Der Weßir Mu-
stäfa wird seines
Amtes entsetzet,
und hat Ali
zu seinem Nach-folger.
43.

Als der Weßir, Bijiklü Mustäfa Pascha, nach Adrianopel zurück
kam, und dafür, daß er Belgrad von der Belagerung befreyet, und die Feinde,
die Grenzen des Reichs zu verlassen, genöthiget hatte, eine Belohnung erwartete:
so wurde derselbe von dem Sultane seiner Würde beraubet, und dieses um einer
schlechten Ursache willen. Da derselbe einsmals sich aus der Stadt begiebt,
um sein Gemüth nach so vielen Sorgen etwas zu erquicken, und sich mit Vogel-
beizen zu belustigen: so hinterbringen Koltuk Weßirleri, die ihm schon lange
feind gewesen waren, dieses dem Sultane unverzüglich, und stellen demselben vor;
[Spaltenumbruch]

20 Scham Tirabolos] Tripoli bey
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Damaskus, eine Stadt in dem heiligen

der

Osmaniſche Geſchichte
er ſeine Reiterey nicht gebrauchen kann, und auch kein Mittel vor ſich ſiehet,
zu entrinnen. Bey dieſen Umſtaͤnden haͤtten die Tatarn nothwendig ſich ent-
weder dem Feinde ergeben, oder vor Hunger umkommen muͤſſen: wenn nicht
eine ſtandhafte Entſchließung Selims alle Hinderniſſe uͤberwunden, und die Ta-
tarn zu einer That vermocht haͤtte, die zwar unter den ſcythiſchen Ordi nicht
ganz ungewoͤhnlich iſt; bisher aber, ſint der Name der Scythen in der Welt
beruͤhmt iſt, noch niemals war erhoͤret worden. Denn weil fuͤr die Reiterey
kein Raum vorhanden iſt zu fechten: ſo bringen die Tatarn auf ſeinen Befehl
alle ihre Pferde um, fallen den Feind mit dem Saͤbel in der Fauſt an, und ren-
nen mit der groͤßten Hitze unter die dickſten Glieder der Deutſchen hinein. Ein
ſo unvermutheter Anfall ſetzet anfangs die Deutſchen in Verwirrung; ſie faſſen
aber wieder friſchen Muth, ſchließen jene, da ſie beynahe entronnen waren, noch-
mals ein, und richten eine ſolche Niederlage unter ihnen an, daß, außer einigen
wenigen Gefaͤhrten des Chans, kaum ein einziger Mann davon kam.

Die Polen hal-
ten ſich zu Haufe
ſtille. Die Ve-
netianer verrich-
ten in Griechen-
land nichts, und
richten auch in
Dalmatien we-nig aus.
42.

Solchergeſtalt uͤbten die Deutſchen eine blutige Rache gegen die Ta-
tarn fuͤr die polniſchen Kriegesheere aus, die ſo oft von ihnen waren geſchlagen
worden: da inzwiſchen die Polen ſelbſt noch immer ohne Bewegung blieben
(entweder weil man ſie mit der Hoffnung eines Friedens hinhielte, den ihnen
Selim Gjiraj durch ſeine Abgeſandten nochmals anbieten ließe; oder weil ſie
durch ihre vormaligen ungluͤcklichen Unternehmungen abgeſchrecket wurden),
und ſich nicht getraueten, mit einem Heere im Felde zu erſcheinen. Die Waffen
der Venetianer ruheten in Griechenland ebenfals. Jedoch unternahmen dieſel-
ben in Dalmatien die Belagerung von Clobuchi, unter Anfuͤhrung des Kriegs-
befehlhabers von Catarri, Erizzo: ſie wurden aber von dem Paſcha von Erze-
gowina mit ziemlichem Verluſte davor abgetrieben; der iedoch kurz darauf
von Canegotti geſchlagen wurde.

Der Weßir Mu-
ſtaͤfa wird ſeines
Amtes entſetzet,
und hat Ali
zu ſeinem Nach-folger.
43.

Als der Weßir, Bijikluͤ Muſtaͤfa Paſcha, nach Adrianopel zuruͤck
kam, und dafuͤr, daß er Belgrad von der Belagerung befreyet, und die Feinde,
die Grenzen des Reichs zu verlaſſen, genoͤthiget hatte, eine Belohnung erwartete:
ſo wurde derſelbe von dem Sultane ſeiner Wuͤrde beraubet, und dieſes um einer
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um ſein Gemuͤth nach ſo vielen Sorgen etwas zu erquicken, und ſich mit Vogel-
beizen zu beluſtigen: ſo hinterbringen Koltuk Weßirleri, die ihm ſchon lange
feind geweſen waren, dieſes dem Sultane unverzuͤglich, und ſtellen demſelben vor;
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[Spaltenumbruch]
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[644/0756] Osmaniſche Geſchichte er ſeine Reiterey nicht gebrauchen kann, und auch kein Mittel vor ſich ſiehet, zu entrinnen. Bey dieſen Umſtaͤnden haͤtten die Tatarn nothwendig ſich ent- weder dem Feinde ergeben, oder vor Hunger umkommen muͤſſen: wenn nicht eine ſtandhafte Entſchließung Selims alle Hinderniſſe uͤberwunden, und die Ta- tarn zu einer That vermocht haͤtte, die zwar unter den ſcythiſchen Ordi nicht ganz ungewoͤhnlich iſt; bisher aber, ſint der Name der Scythen in der Welt beruͤhmt iſt, noch niemals war erhoͤret worden. Denn weil fuͤr die Reiterey kein Raum vorhanden iſt zu fechten: ſo bringen die Tatarn auf ſeinen Befehl alle ihre Pferde um, fallen den Feind mit dem Saͤbel in der Fauſt an, und ren- nen mit der groͤßten Hitze unter die dickſten Glieder der Deutſchen hinein. Ein ſo unvermutheter Anfall ſetzet anfangs die Deutſchen in Verwirrung; ſie faſſen aber wieder friſchen Muth, ſchließen jene, da ſie beynahe entronnen waren, noch- mals ein, und richten eine ſolche Niederlage unter ihnen an, daß, außer einigen wenigen Gefaͤhrten des Chans, kaum ein einziger Mann davon kam. 42. Solchergeſtalt uͤbten die Deutſchen eine blutige Rache gegen die Ta- tarn fuͤr die polniſchen Kriegesheere aus, die ſo oft von ihnen waren geſchlagen worden: da inzwiſchen die Polen ſelbſt noch immer ohne Bewegung blieben (entweder weil man ſie mit der Hoffnung eines Friedens hinhielte, den ihnen Selim Gjiraj durch ſeine Abgeſandten nochmals anbieten ließe; oder weil ſie durch ihre vormaligen ungluͤcklichen Unternehmungen abgeſchrecket wurden), und ſich nicht getraueten, mit einem Heere im Felde zu erſcheinen. Die Waffen der Venetianer ruheten in Griechenland ebenfals. Jedoch unternahmen dieſel- ben in Dalmatien die Belagerung von Clobuchi, unter Anfuͤhrung des Kriegs- befehlhabers von Catarri, Erizzo: ſie wurden aber von dem Paſcha von Erze- gowina mit ziemlichem Verluſte davor abgetrieben; der iedoch kurz darauf von Canegotti geſchlagen wurde. 43. Als der Weßir, Bijikluͤ Muſtaͤfa Paſcha, nach Adrianopel zuruͤck kam, und dafuͤr, daß er Belgrad von der Belagerung befreyet, und die Feinde, die Grenzen des Reichs zu verlaſſen, genoͤthiget hatte, eine Belohnung erwartete: ſo wurde derſelbe von dem Sultane ſeiner Wuͤrde beraubet, und dieſes um einer ſchlechten Urſache willen. Da derſelbe einsmals ſich aus der Stadt begiebt, um ſein Gemuͤth nach ſo vielen Sorgen etwas zu erquicken, und ſich mit Vogel- beizen zu beluſtigen: ſo hinterbringen Koltuk Weßirleri, die ihm ſchon lange feind geweſen waren, dieſes dem Sultane unverzuͤglich, und ſtellen demſelben vor; der ²⁰ Scham Tirabolos] Tripoli bey Damaskus, eine Stadt in dem heiligen Lande,

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/756>, abgerufen am 22.11.2024.