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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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21. Aehmed der II
waren, stellet ihnen die gemeinschaftliche Gefahr vor, und fraget sie um ihre Mei-
nung, was wol für Mittel gegen diesen dringenden Vorfall zu gebrauchen seyn
möchten. Nachdem man die verschiedenen Vorschläge erwäget hatte: so wurde
der einstimmige Schluß gefasset; nichts zu unternehmen ohne des Sultans Ein-
willigung, und dagegen alle Mittel anzuwenden, daß der Schejch genöthiget
werde, die Stadt zu räumen. Sie geben daher unverzüglich dem Sultane
durch ein Telchis Nachricht: es sey ein gewisser Schejch mit einem ansehnlichen
Haufen Soldaten, als Derwische verkleidet, in die Stadt gekommen; dieser rede
in Selimije zu dem Volke, und hetze den unbeständigen Haufen zu einer Empö-
rung auf. Er stoße allerhand Lästerungen gegen die hohen Bedienten des Stats
aus, gebe dem Sultane selbst gehässige Namen, schelte den Weßir und andere
Großen für Unglaubigen, und sage öffentlich: die osmanischen Deutschen füh-
reten Krieg gegen die kaiserlichen Deutschen; und aus dieser Ursache sey kein
göttlicher Segen über den osmanischen Hof zu erwarten. Durch diese und
dergleichen falsche Vorstellungen wird der Sultan in solchen Eifer gebracht, daß
er Befehl giebt, sich des Schejchs zu bemächtigen, und, weil man ihn, als einen,
der den grünen Bund trug, nicht um das Leben bringen konnte, denselben nach
Prusa zu verbannen. Der Weßir ist froh, daß er dadurch die Gewalt bekom-
men hat, unter des Sultans Namen das, was er verlangte, ins Werk zu rich-
ten, und schicket den Kaimmäkam noch einmal an Misri Efendi in den Dscha-
mi, iedoch in Begleitung des Agas der Jeng-itscheri und einer guten Anzahl
Soldaten. Der Kaimmäkam und Aga der Jeng-itscheri lassen die Jeng-itscheri
außen auf der Straße, und gehen in den Tempel hinein. Sie grüßen den Schejch,
der noch immerfort im Reden begriffen ist, im Namen des Sultans, und ver-
melden ihm: der Sultan habe von seiner Heiligkeit und seinem Ruhme so viel
gehöret, daß er Verlangen trage, seiner Bekanntschaft zu genießen; und daher
ihn ersuchen lasse, unverzüglich in den Palast zu kommen. Der Schejch, der
entweder von ihrem Vorhaben Nachricht hatte, oder muthmaßete, daß eine
Schlange in dem Grase verborgen liege, giebt darauf zur Antwort: "Aus
"dem Vorsatze, mit dem ihr hieher gekommen, scheinet es, daß ihr von dem
"Schejtan, und nicht von dem Sultane 19, abgeschicket seyd. Weil ich aber
"für Gott streite; dergleichen Person es gleichgültig seyn muß, ob sie gelobet
"oder geschimpfet wird: so will ich hingehen, dahin ihr mich führet; damit ich
"der gegenwärtigen Versammlung der Müsülmanen keinen Anstoß gebe, und
[Spaltenumbruch]
ihn wegen seiner Laster bestrafet habe: her-
nach auf verblümte Art, als wenn Misri
Efendi hätte sagen wollen; diejenigen, die
zu ihm gekommen, ihn zu fordern, seyen nicht
[Spaltenumbruch]
von dem Sultane abgeschicket, sondern von
dem Teufel dazu verleitet und von demselben
versuchet worden, diese Frevelthat zu begehen.

"man
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21. Aehmed der II
waren, ſtellet ihnen die gemeinſchaftliche Gefahr vor, und fraget ſie um ihre Mei-
nung, was wol fuͤr Mittel gegen dieſen dringenden Vorfall zu gebrauchen ſeyn
moͤchten. Nachdem man die verſchiedenen Vorſchlaͤge erwaͤget hatte: ſo wurde
der einſtimmige Schluß gefaſſet; nichts zu unternehmen ohne des Sultans Ein-
willigung, und dagegen alle Mittel anzuwenden, daß der Schejch genoͤthiget
werde, die Stadt zu raͤumen. Sie geben daher unverzuͤglich dem Sultane
durch ein Telchis Nachricht: es ſey ein gewiſſer Schejch mit einem anſehnlichen
Haufen Soldaten, als Derwiſche verkleidet, in die Stadt gekommen; dieſer rede
in Selimije zu dem Volke, und hetze den unbeſtaͤndigen Haufen zu einer Empoͤ-
rung auf. Er ſtoße allerhand Laͤſterungen gegen die hohen Bedienten des Stats
aus, gebe dem Sultane ſelbſt gehaͤſſige Namen, ſchelte den Weßir und andere
Großen fuͤr Unglaubigen, und ſage oͤffentlich: die osmaniſchen Deutſchen fuͤh-
reten Krieg gegen die kaiſerlichen Deutſchen; und aus dieſer Urſache ſey kein
goͤttlicher Segen uͤber den osmaniſchen Hof zu erwarten. Durch dieſe und
dergleichen falſche Vorſtellungen wird der Sultan in ſolchen Eifer gebracht, daß
er Befehl giebt, ſich des Schejchs zu bemaͤchtigen, und, weil man ihn, als einen,
der den gruͤnen Bund trug, nicht um das Leben bringen konnte, denſelben nach
Pruſa zu verbannen. Der Weßir iſt froh, daß er dadurch die Gewalt bekom-
men hat, unter des Sultans Namen das, was er verlangte, ins Werk zu rich-
ten, und ſchicket den Kaimmaͤkam noch einmal an Misri Efendi in den Dſcha-
mi, iedoch in Begleitung des Agas der Jeng-itſcheri und einer guten Anzahl
Soldaten. Der Kaimmaͤkam und Aga der Jeng-itſcheri laſſen die Jeng-itſcheri
außen auf der Straße, und gehen in den Tempel hinein. Sie gruͤßen den Schejch,
der noch immerfort im Reden begriffen iſt, im Namen des Sultans, und ver-
melden ihm: der Sultan habe von ſeiner Heiligkeit und ſeinem Ruhme ſo viel
gehoͤret, daß er Verlangen trage, ſeiner Bekanntſchaft zu genießen; und daher
ihn erſuchen laſſe, unverzuͤglich in den Palaſt zu kommen. Der Schejch, der
entweder von ihrem Vorhaben Nachricht hatte, oder muthmaßete, daß eine
Schlange in dem Graſe verborgen liege, giebt darauf zur Antwort: “Aus
“dem Vorſatze, mit dem ihr hieher gekommen, ſcheinet es, daß ihr von dem
“Schejtan, und nicht von dem Sultane 19, abgeſchicket ſeyd. Weil ich aber
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“oder geſchimpfet wird: ſo will ich hingehen, dahin ihr mich fuͤhret; damit ich
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[Spaltenumbruch]
ihn wegen ſeiner Laſter beſtrafet habe: her-
nach auf verbluͤmte Art, als wenn Misri
Efendi haͤtte ſagen wollen; diejenigen, die
zu ihm gekommen, ihn zu fordern, ſeyen nicht
[Spaltenumbruch]
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[641/0753] 21. Aehmed der II waren, ſtellet ihnen die gemeinſchaftliche Gefahr vor, und fraget ſie um ihre Mei- nung, was wol fuͤr Mittel gegen dieſen dringenden Vorfall zu gebrauchen ſeyn moͤchten. Nachdem man die verſchiedenen Vorſchlaͤge erwaͤget hatte: ſo wurde der einſtimmige Schluß gefaſſet; nichts zu unternehmen ohne des Sultans Ein- willigung, und dagegen alle Mittel anzuwenden, daß der Schejch genoͤthiget werde, die Stadt zu raͤumen. Sie geben daher unverzuͤglich dem Sultane durch ein Telchis Nachricht: es ſey ein gewiſſer Schejch mit einem anſehnlichen Haufen Soldaten, als Derwiſche verkleidet, in die Stadt gekommen; dieſer rede in Selimije zu dem Volke, und hetze den unbeſtaͤndigen Haufen zu einer Empoͤ- rung auf. Er ſtoße allerhand Laͤſterungen gegen die hohen Bedienten des Stats aus, gebe dem Sultane ſelbſt gehaͤſſige Namen, ſchelte den Weßir und andere Großen fuͤr Unglaubigen, und ſage oͤffentlich: die osmaniſchen Deutſchen fuͤh- reten Krieg gegen die kaiſerlichen Deutſchen; und aus dieſer Urſache ſey kein goͤttlicher Segen uͤber den osmaniſchen Hof zu erwarten. Durch dieſe und dergleichen falſche Vorſtellungen wird der Sultan in ſolchen Eifer gebracht, daß er Befehl giebt, ſich des Schejchs zu bemaͤchtigen, und, weil man ihn, als einen, der den gruͤnen Bund trug, nicht um das Leben bringen konnte, denſelben nach Pruſa zu verbannen. Der Weßir iſt froh, daß er dadurch die Gewalt bekom- men hat, unter des Sultans Namen das, was er verlangte, ins Werk zu rich- ten, und ſchicket den Kaimmaͤkam noch einmal an Misri Efendi in den Dſcha- mi, iedoch in Begleitung des Agas der Jeng-itſcheri und einer guten Anzahl Soldaten. Der Kaimmaͤkam und Aga der Jeng-itſcheri laſſen die Jeng-itſcheri außen auf der Straße, und gehen in den Tempel hinein. Sie gruͤßen den Schejch, der noch immerfort im Reden begriffen iſt, im Namen des Sultans, und ver- melden ihm: der Sultan habe von ſeiner Heiligkeit und ſeinem Ruhme ſo viel gehoͤret, daß er Verlangen trage, ſeiner Bekanntſchaft zu genießen; und daher ihn erſuchen laſſe, unverzuͤglich in den Palaſt zu kommen. Der Schejch, der entweder von ihrem Vorhaben Nachricht hatte, oder muthmaßete, daß eine Schlange in dem Graſe verborgen liege, giebt darauf zur Antwort: “Aus “dem Vorſatze, mit dem ihr hieher gekommen, ſcheinet es, daß ihr von dem “Schejtan, und nicht von dem Sultane ¹⁹ , abgeſchicket ſeyd. Weil ich aber “fuͤr Gott ſtreite; dergleichen Perſon es gleichguͤltig ſeyn muß, ob ſie gelobet “oder geſchimpfet wird: ſo will ich hingehen, dahin ihr mich fuͤhret; damit ich “der gegenwaͤrtigen Verſammlung der Muͤſuͤlmanen keinen Anſtoß gebe, und “man ihn wegen ſeiner Laſter beſtrafet habe: her- nach auf verbluͤmte Art, als wenn Misri Efendi haͤtte ſagen wollen; diejenigen, die zu ihm gekommen, ihn zu fordern, ſeyen nicht von dem Sultane abgeſchicket, ſondern von dem Teufel dazu verleitet und von demſelben verſuchet worden, dieſe Frevelthat zu begehen. 4 M

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/753>, abgerufen am 23.11.2024.