Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite
Osmanische Geschichte
[Spaltenumbruch]
wieder von demselben, als von einem unrei-
nen Orte herunter, und verlangte das Obdest
zu gebrauchen. Er lief daher zu einem Was-
serkasten, der daselbst angeleget ist, das Was-
ser aufzufangen: es war aber eben damals
keines darinnen vorhanden (denn durch die
anfängliche übele Anlegung der Wasserlei-
tungen zu Constantinopel ist es geschehen,
daß zwar alle Paläste in der Stadt wohl mit
Wasser versehen sind, das aus den Bergen
dahin geleitet wird; in das Seraj aber, weil
es ein Platz ist, der etwas hoch lieget, sind
sie bis auf den heutigen Tag nicht im Stande
gewesen, das mindeste Wasser zu bringen).
Der Silahtar merkte hieraus des Sultans
Begehren, und gab Befehl, daß man sogleich
Wasser herbringen sollte; sagte auch dabey
zu Sülejman: es sey kein Wasser in dem Ka-
sten. Der Sultan aber achtete nicht auf des
Silahtars Rede, sondern sprach das Wort
aus: Bismillah! Im Namen des barmher-
[Spaltenumbruch]
zigen Gottes! Durch dieses brachte er Was-
ser aus dem trockenen Marmor hervor; und
so bald er das Obdest genommen hatte: so
befahl er demselben, zu verschwinden und
wieder in den Marmor zurück zu kehren. Al-
lein in allen andern Sachen war Sülejman
so unwissend und dumm, daß ihm nicht ein-
mal die gemeinesten Vorfallenheiten des Le-
bens bekannt waren. Einsmals brachte man
ihm unter andern Gerichten eine Gattung
runder Fische, von den Türken Püssi* genen-
net, gebraten auf die Tafel, die derselbe für
Kuchen aße. Des andern Tages, da er keine
dergleichen auf seiner Tafel erblickte, fragte
derselbe: ob sie ihm nicht dieselben Kuchen
wieder gemacht hätten, die er gestern gehabt
habe. Diese Frage wiederholete er alle Ta-
ge, so lange, bis die Köche von ungefähr ihm
wieder eben dasselbe Essen Fische brachten.
Da sie dann merkten, wie sie den unerfahr-
nen Herrn vergnügen müßten.


* Es sind Halbfische oder Schollen.
Osmaniſche Geſchichte
[Spaltenumbruch]
wieder von demſelben, als von einem unrei-
nen Orte herunter, und verlangte das Obdeſt
zu gebrauchen. Er lief daher zu einem Waſ-
ſerkaſten, der daſelbſt angeleget iſt, das Waſ-
ſer aufzufangen: es war aber eben damals
keines darinnen vorhanden (denn durch die
anfaͤngliche uͤbele Anlegung der Waſſerlei-
tungen zu Conſtantinopel iſt es geſchehen,
daß zwar alle Palaͤſte in der Stadt wohl mit
Waſſer verſehen ſind, das aus den Bergen
dahin geleitet wird; in das Seraj aber, weil
es ein Platz iſt, der etwas hoch lieget, ſind
ſie bis auf den heutigen Tag nicht im Stande
geweſen, das mindeſte Waſſer zu bringen).
Der Silahtar merkte hieraus des Sultans
Begehren, und gab Befehl, daß man ſogleich
Waſſer herbringen ſollte; ſagte auch dabey
zu Suͤlejman: es ſey kein Waſſer in dem Ka-
ſten. Der Sultan aber achtete nicht auf des
Silahtars Rede, ſondern ſprach das Wort
aus: Bismillah! Im Namen des barmher-
[Spaltenumbruch]
zigen Gottes! Durch dieſes brachte er Waſ-
ſer aus dem trockenen Marmor hervor; und
ſo bald er das Obdeſt genommen hatte: ſo
befahl er demſelben, zu verſchwinden und
wieder in den Marmor zuruͤck zu kehren. Al-
lein in allen andern Sachen war Suͤlejman
ſo unwiſſend und dumm, daß ihm nicht ein-
mal die gemeineſten Vorfallenheiten des Le-
bens bekannt waren. Einsmals brachte man
ihm unter andern Gerichten eine Gattung
runder Fiſche, von den Tuͤrken Puͤſſi* genen-
net, gebraten auf die Tafel, die derſelbe fuͤr
Kuchen aße. Des andern Tages, da er keine
dergleichen auf ſeiner Tafel erblickte, fragte
derſelbe: ob ſie ihm nicht dieſelben Kuchen
wieder gemacht haͤtten, die er geſtern gehabt
habe. Dieſe Frage wiederholete er alle Ta-
ge, ſo lange, bis die Koͤche von ungefaͤhr ihm
wieder eben daſſelbe Eſſen Fiſche brachten.
Da ſie dann merkten, wie ſie den unerfahr-
nen Herrn vergnuͤgen muͤßten.


* Es ſind Halbfiſche oder Schollen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0726" n="616"/>
            <fw place="top" type="header">Osmani&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</fw><lb/>
            <cb n="1"/><lb/>
            <note xml:id="F726" prev="#F725" place="end">wieder von dem&#x017F;elben, als von einem unrei-<lb/>
nen Orte herunter, und verlangte das Obde&#x017F;t<lb/>
zu gebrauchen. Er lief daher zu einem Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erka&#x017F;ten, der da&#x017F;elb&#x017F;t angeleget i&#x017F;t, das Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er aufzufangen: es war aber eben damals<lb/>
keines darinnen vorhanden (denn durch die<lb/>
anfa&#x0364;ngliche u&#x0364;bele Anlegung der Wa&#x017F;&#x017F;erlei-<lb/>
tungen zu Con&#x017F;tantinopel i&#x017F;t es ge&#x017F;chehen,<lb/>
daß zwar alle Pala&#x0364;&#x017F;te in der Stadt wohl mit<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;ehen &#x017F;ind, das aus den Bergen<lb/>
dahin geleitet wird; in das Seraj aber, weil<lb/>
es ein Platz i&#x017F;t, der etwas hoch lieget, &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie bis auf den heutigen Tag nicht im Stande<lb/>
gewe&#x017F;en, das minde&#x017F;te Wa&#x017F;&#x017F;er zu bringen).<lb/>
Der Silahtar merkte hieraus des Sultans<lb/>
Begehren, und gab Befehl, daß man &#x017F;ogleich<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er herbringen &#x017F;ollte; &#x017F;agte auch dabey<lb/>
zu Su&#x0364;lejman: es &#x017F;ey kein Wa&#x017F;&#x017F;er in dem Ka-<lb/>
&#x017F;ten. Der Sultan aber achtete nicht auf des<lb/>
Silahtars Rede, &#x017F;ondern &#x017F;prach das Wort<lb/>
aus: Bismillah! Im Namen des barmher-<lb/><cb n="2"/><lb/>
zigen Gottes! Durch die&#x017F;es brachte er Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er aus dem trockenen Marmor hervor; und<lb/>
&#x017F;o bald er das Obde&#x017F;t genommen hatte: &#x017F;o<lb/>
befahl er dem&#x017F;elben, zu ver&#x017F;chwinden und<lb/>
wieder in den Marmor zuru&#x0364;ck zu kehren. Al-<lb/>
lein in allen andern Sachen war Su&#x0364;lejman<lb/>
&#x017F;o unwi&#x017F;&#x017F;end und dumm, daß ihm nicht ein-<lb/>
mal die gemeine&#x017F;ten Vorfallenheiten des Le-<lb/>
bens bekannt waren. Einsmals brachte man<lb/>
ihm unter andern Gerichten eine Gattung<lb/>
runder Fi&#x017F;che, von den Tu&#x0364;rken Pu&#x0364;&#x017F;&#x017F;i<note place="foot" n="*">Es &#x017F;ind Halbfi&#x017F;che oder Schollen.</note> genen-<lb/>
net, gebraten auf die Tafel, die der&#x017F;elbe fu&#x0364;r<lb/>
Kuchen aße. Des andern Tages, da er keine<lb/>
dergleichen auf &#x017F;einer Tafel erblickte, fragte<lb/>
der&#x017F;elbe: ob &#x017F;ie ihm nicht die&#x017F;elben Kuchen<lb/>
wieder gemacht ha&#x0364;tten, die er ge&#x017F;tern gehabt<lb/>
habe. Die&#x017F;e Frage wiederholete er alle Ta-<lb/>
ge, &#x017F;o lange, bis die Ko&#x0364;che von ungefa&#x0364;hr ihm<lb/>
wieder eben da&#x017F;&#x017F;elbe E&#x017F;&#x017F;en Fi&#x017F;che brachten.<lb/>
Da &#x017F;ie dann merkten, wie &#x017F;ie den unerfahr-<lb/>
nen Herrn vergnu&#x0364;gen mu&#x0364;ßten.</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[616/0726] Osmaniſche Geſchichte wieder von demſelben, als von einem unrei- nen Orte herunter, und verlangte das Obdeſt zu gebrauchen. Er lief daher zu einem Waſ- ſerkaſten, der daſelbſt angeleget iſt, das Waſ- ſer aufzufangen: es war aber eben damals keines darinnen vorhanden (denn durch die anfaͤngliche uͤbele Anlegung der Waſſerlei- tungen zu Conſtantinopel iſt es geſchehen, daß zwar alle Palaͤſte in der Stadt wohl mit Waſſer verſehen ſind, das aus den Bergen dahin geleitet wird; in das Seraj aber, weil es ein Platz iſt, der etwas hoch lieget, ſind ſie bis auf den heutigen Tag nicht im Stande geweſen, das mindeſte Waſſer zu bringen). Der Silahtar merkte hieraus des Sultans Begehren, und gab Befehl, daß man ſogleich Waſſer herbringen ſollte; ſagte auch dabey zu Suͤlejman: es ſey kein Waſſer in dem Ka- ſten. Der Sultan aber achtete nicht auf des Silahtars Rede, ſondern ſprach das Wort aus: Bismillah! Im Namen des barmher- zigen Gottes! Durch dieſes brachte er Waſ- ſer aus dem trockenen Marmor hervor; und ſo bald er das Obdeſt genommen hatte: ſo befahl er demſelben, zu verſchwinden und wieder in den Marmor zuruͤck zu kehren. Al- lein in allen andern Sachen war Suͤlejman ſo unwiſſend und dumm, daß ihm nicht ein- mal die gemeineſten Vorfallenheiten des Le- bens bekannt waren. Einsmals brachte man ihm unter andern Gerichten eine Gattung runder Fiſche, von den Tuͤrken Puͤſſi * genen- net, gebraten auf die Tafel, die derſelbe fuͤr Kuchen aße. Des andern Tages, da er keine dergleichen auf ſeiner Tafel erblickte, fragte derſelbe: ob ſie ihm nicht dieſelben Kuchen wieder gemacht haͤtten, die er geſtern gehabt habe. Dieſe Frage wiederholete er alle Ta- ge, ſo lange, bis die Koͤche von ungefaͤhr ihm wieder eben daſſelbe Eſſen Fiſche brachten. Da ſie dann merkten, wie ſie den unerfahr- nen Herrn vergnuͤgen muͤßten. * Es ſind Halbfiſche oder Schollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/726
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/726>, abgerufen am 22.07.2024.