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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Die Tatarn
schlagen etliche
tausend Deut-schen.
46.

Um nun zu verwehren, daß diese nicht in die Stadt kommen möch-
ten: schickte er den Chan von der Tatarey, Selim Gjiraj, mit einem Theile des
türkischen Heeres ab, die auch die Deutschen, als sie schon im Gesichte von Nissa
waren, unversehens anfallen und nach einem kurzen Gefechte in die Flucht trei-
ben. Als die Zeitung von diesem erhaltenen Siege in das türkische Lager kommt:
so erwecket sie daselbst eine fast unaussprechliche Freude, und belebet die Osma-
nen wieder mit neuer Hoffnung. Sie lernen auch daraus, daß eine Heerde
Thiere unter Anführung eines Löwen viel muthiger streiten, als ein Trupp
Löwen unter der Befehlhabung eines furchtsamen Thieres.

Der Weßir ver-
ordnet, daß in
den Städten Ge-
beter geschehen,
und die unzüch-
tigen Knaben
aus dem Lager
geschaffet wer-den sollen.
47.

Der Weßir selbst ertheilet Befehl, um Gott für die glückliche Er-
öffnung des Feldzuges Dank abzustatten, und von diesem allerhöchsten Gewalt-
haber aller Sachen für das Künftige den osmanischen Waffen Gunst zu erwer-
ben; daß zu Constantinopel, Adrianopel und in dem Lager, Tag und Nacht hin-
durch unabläßige Gebeter geschehen sollten. Weil er auch wahrnimmt, daß in
dem Lager sich eine große Menge zu den Waffen untüchtiger Knaben befindet,
die von unzüchtigen Personen zu abscheulichem Gebrauche waren mitgenommen
worden: so lässet er durch öffentlichen Ausruf bekannt machen, daß diejenigen,
die einige Knaben, es sey unter welcherley Vorwande es wolle, bey sich führeten,
dieselben unverzüglich zurück senden sollten; und wenn künftighin ein solcher
Knabe bey iemandem gefunden werde: so solle derselbe ohne weitere Untersu-
chung ums Leben gebracht werden. Denn diese Sünde beraube mehr, als einige
andere, diejenigen, die sich damit befleckten, des göttlichen Segens; und der
allerreineste Gott könne ein solches Lager, da dergleichen Unreinigkeit verübet
werde, unmöglich mit seiner Gegenwart begnadigen.

Schehirkjöj
ergiebt sich andie Türken.
48.

Nachdem diese Verordnungen gemacht waren: so ging er mit sei-
nem Heere in Servien, und bestürmete zuerst Schehirkjöj, eine kleine Stadt,
die besser von Natur, als durch Kunst, befestiget war. Als die Besatzung, die
aus fünf hundert Mann, und zwar Hajduken, bestunde, merket, daß sich kein
Entsatz sehen lässet: so stecket sie am vierten Tage der Belagerung die Friedens-
fahne auf ihrem Walle aus, und erbietet sich, die Festung unter der Bedingung
[Spaltenumbruch]

Es ist acht Stunden Weges von Tatar Ba-
ßardschik, und zwölf Stunden von Philip-
popel. Gegen Westen stoßen diese engen Päs-
se an das Dorf Dragoman Kjöj. Der letz-
tere wurde von den siegreichen Völkern des
[Spaltenumbruch]
Kaiser Leopolds eingenommen. Da aber des-
sen Kriegesheer inzwischen anderswo beschäff-
tiget war, und seine Truppen versuchten durch
denselben auf die andere Seite hinüber zu
kommen: so ließen die Einwohner, die bey

zu
Osmaniſche Geſchichte
Die Tatarn
ſchlagen etliche
tauſend Deut-ſchen.
46.

Um nun zu verwehren, daß dieſe nicht in die Stadt kommen moͤch-
ten: ſchickte er den Chan von der Tatarey, Selim Gjiraj, mit einem Theile des
tuͤrkiſchen Heeres ab, die auch die Deutſchen, als ſie ſchon im Geſichte von Niſſa
waren, unverſehens anfallen und nach einem kurzen Gefechte in die Flucht trei-
ben. Als die Zeitung von dieſem erhaltenen Siege in das tuͤrkiſche Lager kommt:
ſo erwecket ſie daſelbſt eine faſt unausſprechliche Freude, und belebet die Osma-
nen wieder mit neuer Hoffnung. Sie lernen auch daraus, daß eine Heerde
Thiere unter Anfuͤhrung eines Loͤwen viel muthiger ſtreiten, als ein Trupp
Loͤwen unter der Befehlhabung eines furchtſamen Thieres.

Der Weßir ver-
ordnet, daß in
den Staͤdten Ge-
beter geſchehen,
und die unzuͤch-
tigen Knaben
aus dem Lager
geſchaffet wer-den ſollen.
47.

Der Weßir ſelbſt ertheilet Befehl, um Gott fuͤr die gluͤckliche Er-
oͤffnung des Feldzuges Dank abzuſtatten, und von dieſem allerhoͤchſten Gewalt-
haber aller Sachen fuͤr das Kuͤnftige den osmaniſchen Waffen Gunſt zu erwer-
ben; daß zu Conſtantinopel, Adrianopel und in dem Lager, Tag und Nacht hin-
durch unablaͤßige Gebeter geſchehen ſollten. Weil er auch wahrnimmt, daß in
dem Lager ſich eine große Menge zu den Waffen untuͤchtiger Knaben befindet,
die von unzuͤchtigen Perſonen zu abſcheulichem Gebrauche waren mitgenommen
worden: ſo laͤſſet er durch oͤffentlichen Ausruf bekannt machen, daß diejenigen,
die einige Knaben, es ſey unter welcherley Vorwande es wolle, bey ſich fuͤhreten,
dieſelben unverzuͤglich zuruͤck ſenden ſollten; und wenn kuͤnftighin ein ſolcher
Knabe bey iemandem gefunden werde: ſo ſolle derſelbe ohne weitere Unterſu-
chung ums Leben gebracht werden. Denn dieſe Suͤnde beraube mehr, als einige
andere, diejenigen, die ſich damit befleckten, des goͤttlichen Segens; und der
allerreineſte Gott koͤnne ein ſolches Lager, da dergleichen Unreinigkeit veruͤbet
werde, unmoͤglich mit ſeiner Gegenwart begnadigen.

Schehirkjoͤj
ergiebt ſich andie Tuͤrken.
48.

Nachdem dieſe Verordnungen gemacht waren: ſo ging er mit ſei-
nem Heere in Servien, und beſtuͤrmete zuerſt Schehirkjoͤj, eine kleine Stadt,
die beſſer von Natur, als durch Kunſt, befeſtiget war. Als die Beſatzung, die
aus fuͤnf hundert Mann, und zwar Hajduken, beſtunde, merket, daß ſich kein
Entſatz ſehen laͤſſet: ſo ſtecket ſie am vierten Tage der Belagerung die Friedens-
fahne auf ihrem Walle aus, und erbietet ſich, die Feſtung unter der Bedingung
[Spaltenumbruch]

Es iſt acht Stunden Weges von Tatar Ba-
ßardſchik, und zwoͤlf Stunden von Philip-
popel. Gegen Weſten ſtoßen dieſe engen Paͤſ-
ſe an das Dorf Dragoman Kjoͤj. Der letz-
tere wurde von den ſiegreichen Voͤlkern des
[Spaltenumbruch]
Kaiſer Leopolds eingenommen. Da aber deſ-
ſen Kriegesheer inzwiſchen anderswo beſchaͤff-
tiget war, und ſeine Truppen verſuchten durch
denſelben auf die andere Seite hinuͤber zu
kommen: ſo ließen die Einwohner, die bey

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[600/0710] Osmaniſche Geſchichte 46. Um nun zu verwehren, daß dieſe nicht in die Stadt kommen moͤch- ten: ſchickte er den Chan von der Tatarey, Selim Gjiraj, mit einem Theile des tuͤrkiſchen Heeres ab, die auch die Deutſchen, als ſie ſchon im Geſichte von Niſſa waren, unverſehens anfallen und nach einem kurzen Gefechte in die Flucht trei- ben. Als die Zeitung von dieſem erhaltenen Siege in das tuͤrkiſche Lager kommt: ſo erwecket ſie daſelbſt eine faſt unausſprechliche Freude, und belebet die Osma- nen wieder mit neuer Hoffnung. Sie lernen auch daraus, daß eine Heerde Thiere unter Anfuͤhrung eines Loͤwen viel muthiger ſtreiten, als ein Trupp Loͤwen unter der Befehlhabung eines furchtſamen Thieres. 47. Der Weßir ſelbſt ertheilet Befehl, um Gott fuͤr die gluͤckliche Er- oͤffnung des Feldzuges Dank abzuſtatten, und von dieſem allerhoͤchſten Gewalt- haber aller Sachen fuͤr das Kuͤnftige den osmaniſchen Waffen Gunſt zu erwer- ben; daß zu Conſtantinopel, Adrianopel und in dem Lager, Tag und Nacht hin- durch unablaͤßige Gebeter geſchehen ſollten. Weil er auch wahrnimmt, daß in dem Lager ſich eine große Menge zu den Waffen untuͤchtiger Knaben befindet, die von unzuͤchtigen Perſonen zu abſcheulichem Gebrauche waren mitgenommen worden: ſo laͤſſet er durch oͤffentlichen Ausruf bekannt machen, daß diejenigen, die einige Knaben, es ſey unter welcherley Vorwande es wolle, bey ſich fuͤhreten, dieſelben unverzuͤglich zuruͤck ſenden ſollten; und wenn kuͤnftighin ein ſolcher Knabe bey iemandem gefunden werde: ſo ſolle derſelbe ohne weitere Unterſu- chung ums Leben gebracht werden. Denn dieſe Suͤnde beraube mehr, als einige andere, diejenigen, die ſich damit befleckten, des goͤttlichen Segens; und der allerreineſte Gott koͤnne ein ſolches Lager, da dergleichen Unreinigkeit veruͤbet werde, unmoͤglich mit ſeiner Gegenwart begnadigen. 48. Nachdem dieſe Verordnungen gemacht waren: ſo ging er mit ſei- nem Heere in Servien, und beſtuͤrmete zuerſt Schehirkjoͤj, eine kleine Stadt, die beſſer von Natur, als durch Kunſt, befeſtiget war. Als die Beſatzung, die aus fuͤnf hundert Mann, und zwar Hajduken, beſtunde, merket, daß ſich kein Entſatz ſehen laͤſſet: ſo ſtecket ſie am vierten Tage der Belagerung die Friedens- fahne auf ihrem Walle aus, und erbietet ſich, die Feſtung unter der Bedingung zu Es iſt acht Stunden Weges von Tatar Ba- ßardſchik, und zwoͤlf Stunden von Philip- popel. Gegen Weſten ſtoßen dieſe engen Paͤſ- ſe an das Dorf Dragoman Kjoͤj. Der letz- tere wurde von den ſiegreichen Voͤlkern des Kaiſer Leopolds eingenommen. Da aber deſ- ſen Kriegesheer inzwiſchen anderswo beſchaͤff- tiget war, und ſeine Truppen verſuchten durch denſelben auf die andere Seite hinuͤber zu kommen: ſo ließen die Einwohner, die bey An-

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/710>, abgerufen am 26.11.2024.