Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.20. Sülejman der II Marställen vorhanden, als für den ganzen Hof nöthig seyen. Der Sultan,als ein Herr von sanfter Gemüthsart, befiehlet, daß man, was noch mangele, mieten, und der Defterdar das Geld dafür bezahlen solle. Als dieser gefordert wird, und berichtet, daß nicht so viel Geld in der Schatzkammer vorräthig sey: so ertheilet der Sultan Befehl, das göldene und silberne Geschirre und die Ju- welen auf öffentlichem Markte zu verkaufen, und mit dem gelösten Gelde der gegenwärtigen Nothdurft zu Hülfe zu kommen. Solchergestalt ziehet derselbe nicht ohne Schwierigkeit mit gemieteten Pferden und Wägen von Constan- tinopel weg, und wendet durch diese Ausweichung die Empörung ab, die eben ausbrechen wollte. 16. Nach seiner Ankunft zu Adrianopel stellete er sich, als wenn er sichBegiebt sich todt oder abwesend sind; erhebet auf diese Weise ihren Sold, und behält ihn für sich selbst. Anderer Mittel sich zu bereichern nicht zu erwähnen, darinnen kein Volk den Türken an Erfindungen gleich kommt. Er hinterließ einen einzigen Sohn, Osman Aga, der nach Daltabans Tode durch Maurocor- datus Ansehen zu der Stelle des Kjihaja be- fördert wurde. 12 Maurocordatus] Dieser Mann ist in Europa so wohl bekannt, daß ich nicht nöthig habe, eine lange Erzählung von seinem Leben zu machen: iedoch will ich den Begie- rigen zu Gefallen hier etwas von seiner Ab- stammung hersetzen, davon nur bloß unge- wisse Nachrichten herumgehen. Unter der Regierung Murads des IIII, der wegen der [Spaltenumbruch] Eroberung von Bägdad berühmt ist, lebte zu Constantinopel ein sehr reicher Grieche, der durch seinen allenthalben angeführten Na- men [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] (Skarlatos) bekannt ist, und Sorgudsch oder Einkäufer von den Scha- fen und Ochsen bey Hofe war. Dieses Amt wird gemeiniglich einem Griechen gegeben; weil diese von den Christen die Schafe und Ochsen, die für des Sultans und der Jeng- itscheri Küchen nöthig sind, leichter einkaufen können. Nachdem er bey diesem Geschäffte ein sehr großes Vermögen erworben hatte; so fing er an bekannt zu werden, und bey Hofe in einige Betrachtung zu kommen; wie die- ses reichen Leuten sehr leicht zu erhalten ist. Es waltete zur selbigen Zeit eine große Feind- schaft zwischen Basilius, dem Fürsten in Mol- dau, und Matthäus, dem Fürsten in der Wa- 17. Der
20. Suͤlejman der II Marſtaͤllen vorhanden, als fuͤr den ganzen Hof noͤthig ſeyen. Der Sultan,als ein Herr von ſanfter Gemuͤthsart, befiehlet, daß man, was noch mangele, mieten, und der Defterdar das Geld dafuͤr bezahlen ſolle. Als dieſer gefordert wird, und berichtet, daß nicht ſo viel Geld in der Schatzkammer vorraͤthig ſey: ſo ertheilet der Sultan Befehl, das goͤldene und ſilberne Geſchirre und die Ju- welen auf oͤffentlichem Markte zu verkaufen, und mit dem geloͤſten Gelde der gegenwaͤrtigen Nothdurft zu Huͤlfe zu kommen. Solchergeſtalt ziehet derſelbe nicht ohne Schwierigkeit mit gemieteten Pferden und Waͤgen von Conſtan- tinopel weg, und wendet durch dieſe Ausweichung die Empoͤrung ab, die eben ausbrechen wollte. 16. Nach ſeiner Ankunft zu Adrianopel ſtellete er ſich, als wenn er ſichBegiebt ſich todt oder abweſend ſind; erhebet auf dieſe Weiſe ihren Sold, und behaͤlt ihn fuͤr ſich ſelbſt. Anderer Mittel ſich zu bereichern nicht zu erwaͤhnen, darinnen kein Volk den Tuͤrken an Erfindungen gleich kommt. Er hinterließ einen einzigen Sohn, Osman Aga, der nach Daltabans Tode durch Maurocor- datus Anſehen zu der Stelle des Kjihaja be- foͤrdert wurde. 12 Maurocordatus] Dieſer Mann iſt in Europa ſo wohl bekannt, daß ich nicht noͤthig habe, eine lange Erzaͤhlung von ſeinem Leben zu machen: iedoch will ich den Begie- rigen zu Gefallen hier etwas von ſeiner Ab- ſtammung herſetzen, davon nur bloß unge- wiſſe Nachrichten herumgehen. Unter der Regierung Murads des IIII‚ der wegen der [Spaltenumbruch] Eroberung von Baͤgdad beruͤhmt iſt, lebte zu Conſtantinopel ein ſehr reicher Grieche, der durch ſeinen allenthalben angefuͤhrten Na- men [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] (Skarlatos) bekannt iſt, und Sorgudſch oder Einkaͤufer von den Scha- fen und Ochſen bey Hofe war. Dieſes Amt wird gemeiniglich einem Griechen gegeben; weil dieſe von den Chriſten die Schafe und Ochſen, die fuͤr des Sultans und der Jeng- itſcheri Kuͤchen noͤthig ſind, leichter einkaufen koͤnnen. Nachdem er bey dieſem Geſchaͤffte ein ſehr großes Vermoͤgen erworben hatte; ſo fing er an bekannt zu werden, und bey Hofe in einige Betrachtung zu kommen; wie die- ſes reichen Leuten ſehr leicht zu erhalten iſt. Es waltete zur ſelbigen Zeit eine große Feind- ſchaft zwiſchen Baſilius, dem Fuͤrſten in Mol- dau, und Matthaͤus, dem Fuͤrſten in der Wa- 17. Der
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20. Suͤlejman der II
Marſtaͤllen vorhanden, als fuͤr den ganzen Hof noͤthig ſeyen. Der Sultan,
als ein Herr von ſanfter Gemuͤthsart, befiehlet, daß man, was noch mangele,
mieten, und der Defterdar das Geld dafuͤr bezahlen ſolle. Als dieſer gefordert
wird, und berichtet, daß nicht ſo viel Geld in der Schatzkammer vorraͤthig ſey:
ſo ertheilet der Sultan Befehl, das goͤldene und ſilberne Geſchirre und die Ju-
welen auf oͤffentlichem Markte zu verkaufen, und mit dem geloͤſten Gelde der
gegenwaͤrtigen Nothdurft zu Huͤlfe zu kommen. Solchergeſtalt ziehet derſelbe
nicht ohne Schwierigkeit mit gemieteten Pferden und Waͤgen von Conſtan-
tinopel weg, und wendet durch dieſe Ausweichung die Empoͤrung ab, die eben
ausbrechen wollte.
16. Nach ſeiner Ankunft zu Adrianopel ſtellete er ſich, als wenn er ſich
gaͤnzlich auf das Kriegsweſen legen wollte. Weil ihm aber das Geſetz des Ku-
rons und die aberglaͤubiſchen Andachtsverrichtungen weit angenehmer waren,
als Waffen und Soldaten: ſo ſchickte er Sſuͤlfikar Efendi
¹¹
, Schreiber der
Jeng-itſcheri, und Alexander Maurocordatus
¹²
, Dolmetſcher von dem Diwan,
als Abgeſandten an den Kaiſer von Deutſchland, unter dem Scheine, ihm ſeine
Gelangung zum Throne zu wiſſen zu thun; in der That aber in der Abſicht,
einen Frieden mit demſelben zu treffen, auf Bedingungen, wie ſie dieſelben
erhalten koͤnnten.
Begiebt ſich
nach Adrianopel;
und ſchicket von
da aus Abgeſand-
ten an den Kai-
ſer, bey demſel-
ben um Frieden
anzuhalten.
17. Der
todt oder abweſend ſind; erhebet auf dieſe
Weiſe ihren Sold, und behaͤlt ihn fuͤr ſich
ſelbſt. Anderer Mittel ſich zu bereichern
nicht zu erwaͤhnen, darinnen kein Volk den
Tuͤrken an Erfindungen gleich kommt. Er
hinterließ einen einzigen Sohn, Osman Aga,
der nach Daltabans Tode durch Maurocor-
datus Anſehen zu der Stelle des Kjihaja be-
foͤrdert wurde.
¹² Maurocordatus] Dieſer Mann iſt
in Europa ſo wohl bekannt, daß ich nicht
noͤthig habe, eine lange Erzaͤhlung von ſeinem
Leben zu machen: iedoch will ich den Begie-
rigen zu Gefallen hier etwas von ſeiner Ab-
ſtammung herſetzen, davon nur bloß unge-
wiſſe Nachrichten herumgehen. Unter der
Regierung Murads des IIII‚ der wegen der
Eroberung von Baͤgdad beruͤhmt iſt, lebte
zu Conſtantinopel ein ſehr reicher Grieche,
der durch ſeinen allenthalben angefuͤhrten Na-
men _ (Skarlatos) bekannt iſt,
und Sorgudſch oder Einkaͤufer von den Scha-
fen und Ochſen bey Hofe war. Dieſes Amt
wird gemeiniglich einem Griechen gegeben;
weil dieſe von den Chriſten die Schafe und
Ochſen, die fuͤr des Sultans und der Jeng-
itſcheri Kuͤchen noͤthig ſind, leichter einkaufen
koͤnnen. Nachdem er bey dieſem Geſchaͤffte
ein ſehr großes Vermoͤgen erworben hatte;
ſo fing er an bekannt zu werden, und bey Hofe
in einige Betrachtung zu kommen; wie die-
ſes reichen Leuten ſehr leicht zu erhalten iſt.
Es waltete zur ſelbigen Zeit eine große Feind-
ſchaft zwiſchen Baſilius, dem Fuͤrſten in Mol-
dau, und Matthaͤus, dem Fuͤrſten in der Wa-
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