Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte Wachen Tag und Nacht in der Stadt durch die Straßen gehen, störete dienächtlichen Zusammenkünfte, darinnen er wohl wußte, daß dergleichen Waffen gemeiniglich geschmiedet würden; und ließ einige Personen, die aus Unvorsich- tigkeit stachlichte Reden öffentlich ausgestoßen hatten, bey dem Kopfe nehmen: die er iedoch, um nicht Oel ins Feuer zu gießen, ohne Strafe wieder losließe. heit des Sultans stillet den Auf- ruhr; da kaum die Tapferkeit eine so gute Wir- kung würde ge-than haben. 15. Endlich bringet die natürliche Verzagtheit des Sultans dasjenige 11 Ssülfikar Efendi] Er war von Con- stantinopel gebürtig, und stund wegen sei- ner Gelehrtheit bey dem osmanischen Hofe in großem Ansehen. Außer seinen persönlichen Tugenden gab ihm die Stelle eines Jeng- itscheri Efendisi oder Schreibers der Jeng- itscheri, die er besaß, bey Hofe einen beson- dern Vorzug. Das Geschäffte dieses Bedien- ten bestehet darinnen, daß er alle die Listen der Jeng-itscheri verwahret; einem ieden der- selben ein Zeugniß giebt, mit seiner eigenen Hand unterschrieben; einen ieden bey seinem Namen rufet, wann sie ihren Sold empfan- gen; und, mit einem Worte, alles dasjenige, was zwischen den Jeng-itscheri verhandelt wird, dadurch bestätiget, daß er seinen Na- men darunter setzet: durch welche Mittel derselbe so viel Geld machen und solchen Reich- [Spaltenumbruch] thum erwerben kann, sowol auf rechtmäßige als unrechtmäßige Weise, daß es unglaublich ist. Denn außer seiner Besoldung, die ziem- lich stark ist, bekommt er ansehnliche Geschenke von den Befehlhabern der Jeng-itscheri, wann sie höher befördert werden; welches bey ihnen öfter, als irgend anderswo, ge- schiehet, sowol wegen der großen Anzahl der Befehlhaber bey diesen Truppen, als auch wegen der öftern Veränderung des Aga der Jeng-itscheri: denn es ist bey den Türken durchgehends die Gewohnheit, daß man vor keinem Amtsschreiber ohne Geschenk erscheinen darf. Ferner, wann die Jeng-itscheri ihren Sold empfangen: so giebt er die Pusola (oder die Zeddel, darauf iedes Jeng-itscheri Namen stehet, dergleichen ein ieder von ihnen haben muß) von ihrer vielen ein, die schon Mar-
Osmaniſche Geſchichte Wachen Tag und Nacht in der Stadt durch die Straßen gehen, ſtoͤrete dienaͤchtlichen Zuſammenkuͤnfte, darinnen er wohl wußte, daß dergleichen Waffen gemeiniglich geſchmiedet wuͤrden; und ließ einige Perſonen, die aus Unvorſich- tigkeit ſtachlichte Reden oͤffentlich ausgeſtoßen hatten, bey dem Kopfe nehmen: die er iedoch, um nicht Oel ins Feuer zu gießen, ohne Strafe wieder losließe. heit des Sultans ſtillet den Auf- ruhr; da kaum die Tapferkeit eine ſo gute Wir- kung wuͤrde ge-than haben. 15. Endlich bringet die natuͤrliche Verzagtheit des Sultans dasjenige 11 Sſuͤlfikar Efendi] Er war von Con- ſtantinopel gebuͤrtig, und ſtund wegen ſei- ner Gelehrtheit bey dem osmaniſchen Hofe in großem Anſehen. Außer ſeinen perſoͤnlichen Tugenden gab ihm die Stelle eines Jeng- itſcheri Efendiſi oder Schreibers der Jeng- itſcheri, die er beſaß, bey Hofe einen beſon- dern Vorzug. Das Geſchaͤffte dieſes Bedien- ten beſtehet darinnen, daß er alle die Liſten der Jeng-itſcheri verwahret; einem ieden der- ſelben ein Zeugniß giebt, mit ſeiner eigenen Hand unterſchrieben; einen ieden bey ſeinem Namen rufet, wann ſie ihren Sold empfan- gen; und, mit einem Worte, alles dasjenige, was zwiſchen den Jeng-itſcheri verhandelt wird, dadurch beſtaͤtiget, daß er ſeinen Na- men darunter ſetzet: durch welche Mittel derſelbe ſo viel Geld machen und ſolchen Reich- [Spaltenumbruch] thum erwerben kann, ſowol auf rechtmaͤßige als unrechtmaͤßige Weiſe, daß es unglaublich iſt. Denn außer ſeiner Beſoldung, die ziem- lich ſtark iſt, bekommt er anſehnliche Geſchenke von den Befehlhabern der Jeng-itſcheri, wann ſie hoͤher befoͤrdert werden; welches bey ihnen oͤfter, als irgend anderswo, ge- ſchiehet, ſowol wegen der großen Anzahl der Befehlhaber bey dieſen Truppen, als auch wegen der oͤftern Veraͤnderung des Aga der Jeng-itſcheri: denn es iſt bey den Tuͤrken durchgehends die Gewohnheit, daß man vor keinem Amtsſchreiber ohne Geſchenk erſcheinen darf. Ferner, wann die Jeng-itſcheri ihren Sold empfangen: ſo giebt er die Puſola (oder die Zeddel, darauf iedes Jeng-itſcheri Namen ſtehet, dergleichen ein ieder von ihnen haben muß) von ihrer vielen ein, die ſchon Mar-
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Osmaniſche Geſchichte
Wachen Tag und Nacht in der Stadt durch die Straßen gehen, ſtoͤrete die
naͤchtlichen Zuſammenkuͤnfte, darinnen er wohl wußte, daß dergleichen Waffen
gemeiniglich geſchmiedet wuͤrden; und ließ einige Perſonen, die aus Unvorſich-
tigkeit ſtachlichte Reden oͤffentlich ausgeſtoßen hatten, bey dem Kopfe nehmen:
die er iedoch, um nicht Oel ins Feuer zu gießen, ohne Strafe wieder losließe.
15. Endlich bringet die natuͤrliche Verzagtheit des Sultans dasjenige
zuwege, was kaum ein beherzter Muth, als das beſte Mittel gegen dieſes Uebel,
wuͤrde ausgerichtet haben. Denn Suͤlejman wird von ſeiner Furcht ſo weit
getrieben, daß er ſich entſchließet, Conſtantinopel zu verlaſſen und von den Urhe-
bern des Aufruhrs wegzuziehen; und nachdem dieſes Vorhaben gutgeheißen
worden: ſo verreiſet derſelbe, unter dem Vorwande die Luft zu veraͤndern,
mit ſeinen Edlen und dem ganzen Hofe nach Adrianopel. Das Volk von Con-
ſtantinopel hatte zwar allerdings Urſache, ſich uͤber die ſchlechte Verwaltung
der Sachen zu beſchweren; ob es gleich die Schuld davon nicht den rechten
Perſonen beymaße. Denn wie ſehr damals die Schatzkammer erſchoͤpfet, und
in welche große Noth dieſes reiche Kaiſerthum gerathen geweſen: iſt aus dem-
jenigen deutlich abzunehmen, was bey dieſer Reiſe vorgefallen iſt. Als der Sul-
tan eben im Begriffe iſt, abzureiſen: ſo kommt der Stallmeiſter zu ihm, und
zeiget ihm an; es ſeyen nicht ſo viel Pferde, Maulthiere und Kameele in den
Mar-
¹¹ Sſuͤlfikar Efendi] Er war von Con-
ſtantinopel gebuͤrtig, und ſtund wegen ſei-
ner Gelehrtheit bey dem osmaniſchen Hofe in
großem Anſehen. Außer ſeinen perſoͤnlichen
Tugenden gab ihm die Stelle eines Jeng-
itſcheri Efendiſi oder Schreibers der Jeng-
itſcheri, die er beſaß, bey Hofe einen beſon-
dern Vorzug. Das Geſchaͤffte dieſes Bedien-
ten beſtehet darinnen, daß er alle die Liſten
der Jeng-itſcheri verwahret; einem ieden der-
ſelben ein Zeugniß giebt, mit ſeiner eigenen
Hand unterſchrieben; einen ieden bey ſeinem
Namen rufet, wann ſie ihren Sold empfan-
gen; und, mit einem Worte, alles dasjenige,
was zwiſchen den Jeng-itſcheri verhandelt
wird, dadurch beſtaͤtiget, daß er ſeinen Na-
men darunter ſetzet: durch welche Mittel
derſelbe ſo viel Geld machen und ſolchen Reich-
thum erwerben kann, ſowol auf rechtmaͤßige
als unrechtmaͤßige Weiſe, daß es unglaublich
iſt. Denn außer ſeiner Beſoldung, die ziem-
lich ſtark iſt, bekommt er anſehnliche Geſchenke
von den Befehlhabern der Jeng-itſcheri,
wann ſie hoͤher befoͤrdert werden; welches
bey ihnen oͤfter, als irgend anderswo, ge-
ſchiehet, ſowol wegen der großen Anzahl der
Befehlhaber bey dieſen Truppen, als auch
wegen der oͤftern Veraͤnderung des Aga der
Jeng-itſcheri: denn es iſt bey den Tuͤrken
durchgehends die Gewohnheit, daß man vor
keinem Amtsſchreiber ohne Geſchenk erſcheinen
darf. Ferner, wann die Jeng-itſcheri ihren
Sold empfangen: ſo giebt er die Puſola
(oder die Zeddel, darauf iedes Jeng-itſcheri
Namen ſtehet, dergleichen ein ieder von ihnen
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