"nen, so heftig gegen mich gereizet haben soll, daß sie der vorigen Dienste, die "ich ihnen geleistet habe, gänzlich vergessen, und unternehmen, mich wie einen "unnützen Mann von meinem väterlichen Throne zu verstoßen? Ungeachtet "aber das Volk, wie ich wohl merke, durch euer Ansehen in seinem boshaften "Vorhaben viel zu sehr verstricket und bestärket ist, als daß es davon wieder "zur Reue und Besserung seiner Aufführung könnte zurück gebracht werden: "so weis ich doch gewiß, daß der gerechte Gott mein Rächer seyn, und das "verführte Volk für die Beleidigung, die es mir itzo anthut, nachdrücklich "strafen wird."
194.
Allein, der Näkib wurde durch diese Rede nicht bewogen; son-Trotziges Bezei- gen des Näkibs. dern bezeigte sich noch weit trotziger gegen denselben, und versetzte darauf: er sey von dem Volke nicht hieher gesendet worden, seine Verantwortung anzu- hören; sondern ihm im Namen der ganzen Versammlung der Müsülmanen zu befehlen, daß er den Thron verlassen solle. Wenn er daher willens sey, seine Ehre und sein Leben zu erhalten: so solle er mit gutem Willen die Regierung seinem Bruder abtreten. Würde er aber sich dem Begehren der ganzen Stadt widersetzen: so würde die Versammlung, dessen ungeachtet, ihre Entschließun- gen vollziehen. Als Muhämmed dieses hörete: so unterwarf er sich der gegen- wärtigen Noth, und sagte zu den Abgeordneten: "Weil ich dann sehe, daß "der Zorn Gottes, den die Sünden der Müsülmanen erreget haben, sich über "meinen Kopf auslässet: so gehet nur hin, und saget meinem Bruder; daß "der göttliche Rathschluß sich durch den Mund des Volks geoffenbaret habe, "und er zum Verweser des oliosmanischen Reichs bestellet sey."
195.
Nachdem der Sultan Muhämmed diese Worte gesaget hatte: soDer Sultan Muhämmed wird abgesetzet. gab derselbe am dritten des Monats Muhärrem, im Jahre 1099, die kaiserliche Regierung auf, und lebte nach diesem Unglücksfalle (eine Sache, die bisherH. 1099. J. C. 1687. noch nicht erhöret worden war) noch fünf Jahre in einem Zimmer eingesperret; da er dann endlich im Monate Dschemaßiül ewwel des 1104ten Jahres aus der Welt schiede. Die Zeit seines Lebens war zwey und funfzig Jahre; und seiner Regierung, vierzig Jahre, fünf Monate und sechszehen Tage. Er hinterließ von verschiedenen Gemalinnen sieben Söhne: von denen ihrer zween, Mustäfa und Aehmed, zur kaiserlichen Würde gelangten; die übrigen verstarben in der Kindheit.
196.
Er war ein Herr, der durch seine Ausübung der Gerechtigkeit undMuhämmeds Eigenschaften und Tod. kriegerischen Tugenden sich großen Ruhm erworben hatte, besonders gnädig, und in seinen Unternehmungen sehr glücklich war; ausgenommen die letzten vier
Jahre.
4 B
19. Muhaͤmmed der IIII
“nen, ſo heftig gegen mich gereizet haben ſoll, daß ſie der vorigen Dienſte, die “ich ihnen geleiſtet habe, gaͤnzlich vergeſſen, und unternehmen, mich wie einen “unnuͤtzen Mann von meinem vaͤterlichen Throne zu verſtoßen? Ungeachtet “aber das Volk, wie ich wohl merke, durch euer Anſehen in ſeinem boshaften “Vorhaben viel zu ſehr verſtricket und beſtaͤrket iſt, als daß es davon wieder “zur Reue und Beſſerung ſeiner Auffuͤhrung koͤnnte zuruͤck gebracht werden: “ſo weis ich doch gewiß, daß der gerechte Gott mein Raͤcher ſeyn, und das “verfuͤhrte Volk fuͤr die Beleidigung, die es mir itzo anthut, nachdruͤcklich “ſtrafen wird.„
194.
Allein, der Naͤkib wurde durch dieſe Rede nicht bewogen; ſon-Trotziges Bezei- gen des Naͤkibs. dern bezeigte ſich noch weit trotziger gegen denſelben, und verſetzte darauf: er ſey von dem Volke nicht hieher geſendet worden, ſeine Verantwortung anzu- hoͤren; ſondern ihm im Namen der ganzen Verſammlung der Muͤſuͤlmanen zu befehlen, daß er den Thron verlaſſen ſolle. Wenn er daher willens ſey, ſeine Ehre und ſein Leben zu erhalten: ſo ſolle er mit gutem Willen die Regierung ſeinem Bruder abtreten. Wuͤrde er aber ſich dem Begehren der ganzen Stadt widerſetzen: ſo wuͤrde die Verſammlung, deſſen ungeachtet, ihre Entſchließun- gen vollziehen. Als Muhaͤmmed dieſes hoͤrete: ſo unterwarf er ſich der gegen- waͤrtigen Noth, und ſagte zu den Abgeordneten: “Weil ich dann ſehe, daß “der Zorn Gottes, den die Suͤnden der Muͤſuͤlmanen erreget haben, ſich uͤber “meinen Kopf auslaͤſſet: ſo gehet nur hin, und ſaget meinem Bruder; daß “der goͤttliche Rathſchluß ſich durch den Mund des Volks geoffenbaret habe, “und er zum Verweſer des oliosmaniſchen Reichs beſtellet ſey.„
195.
Nachdem der Sultan Muhaͤmmed dieſe Worte geſaget hatte: ſoDer Sultan Muhaͤmmed wird abgeſetzet. gab derſelbe am dritten des Monats Muhaͤrrem, im Jahre 1099, die kaiſerliche Regierung auf, und lebte nach dieſem Ungluͤcksfalle (eine Sache, die bisherH. 1099. J. C. 1687. noch nicht erhoͤret worden war) noch fuͤnf Jahre in einem Zimmer eingeſperret; da er dann endlich im Monate Dſchemaßiuͤl ewwel des 1104ten Jahres aus der Welt ſchiede. Die Zeit ſeines Lebens war zwey und funfzig Jahre; und ſeiner Regierung, vierzig Jahre, fuͤnf Monate und ſechszehen Tage. Er hinterließ von verſchiedenen Gemalinnen ſieben Soͤhne: von denen ihrer zween, Muſtaͤfa und Aehmed, zur kaiſerlichen Wuͤrde gelangten; die uͤbrigen verſtarben in der Kindheit.
196.
Er war ein Herr, der durch ſeine Ausuͤbung der Gerechtigkeit undMuhaͤmmeds Eigenſchaften und Tod. kriegeriſchen Tugenden ſich großen Ruhm erworben hatte, beſonders gnaͤdig, und in ſeinen Unternehmungen ſehr gluͤcklich war; ausgenommen die letzten vier
Jahre.
4 B
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19. Muhaͤmmed der IIII
“nen, ſo heftig gegen mich gereizet haben ſoll, daß ſie der vorigen Dienſte, die
“ich ihnen geleiſtet habe, gaͤnzlich vergeſſen, und unternehmen, mich wie einen
“unnuͤtzen Mann von meinem vaͤterlichen Throne zu verſtoßen? Ungeachtet
“aber das Volk, wie ich wohl merke, durch euer Anſehen in ſeinem boshaften
“Vorhaben viel zu ſehr verſtricket und beſtaͤrket iſt, als daß es davon wieder
“zur Reue und Beſſerung ſeiner Auffuͤhrung koͤnnte zuruͤck gebracht werden:
“ſo weis ich doch gewiß, daß der gerechte Gott mein Raͤcher ſeyn, und das
“verfuͤhrte Volk fuͤr die Beleidigung, die es mir itzo anthut, nachdruͤcklich
“ſtrafen wird.„
194. Allein, der Naͤkib wurde durch dieſe Rede nicht bewogen; ſon-
dern bezeigte ſich noch weit trotziger gegen denſelben, und verſetzte darauf: er
ſey von dem Volke nicht hieher geſendet worden, ſeine Verantwortung anzu-
hoͤren; ſondern ihm im Namen der ganzen Verſammlung der Muͤſuͤlmanen
zu befehlen, daß er den Thron verlaſſen ſolle. Wenn er daher willens ſey, ſeine
Ehre und ſein Leben zu erhalten: ſo ſolle er mit gutem Willen die Regierung
ſeinem Bruder abtreten. Wuͤrde er aber ſich dem Begehren der ganzen Stadt
widerſetzen: ſo wuͤrde die Verſammlung, deſſen ungeachtet, ihre Entſchließun-
gen vollziehen. Als Muhaͤmmed dieſes hoͤrete: ſo unterwarf er ſich der gegen-
waͤrtigen Noth, und ſagte zu den Abgeordneten: “Weil ich dann ſehe, daß
“der Zorn Gottes, den die Suͤnden der Muͤſuͤlmanen erreget haben, ſich uͤber
“meinen Kopf auslaͤſſet: ſo gehet nur hin, und ſaget meinem Bruder; daß
“der goͤttliche Rathſchluß ſich durch den Mund des Volks geoffenbaret habe,
“und er zum Verweſer des oliosmaniſchen Reichs beſtellet ſey.„
Trotziges Bezei-
gen des Naͤkibs.
195. Nachdem der Sultan Muhaͤmmed dieſe Worte geſaget hatte: ſo
gab derſelbe am dritten des Monats Muhaͤrrem, im Jahre 1099, die kaiſerliche
Regierung auf, und lebte nach dieſem Ungluͤcksfalle (eine Sache, die bisher
noch nicht erhoͤret worden war) noch fuͤnf Jahre in einem Zimmer eingeſperret;
da er dann endlich im Monate Dſchemaßiuͤl ewwel des 1104ten Jahres aus der
Welt ſchiede. Die Zeit ſeines Lebens war zwey und funfzig Jahre; und ſeiner
Regierung, vierzig Jahre, fuͤnf Monate und ſechszehen Tage. Er hinterließ
von verſchiedenen Gemalinnen ſieben Soͤhne: von denen ihrer zween, Muſtaͤfa
und Aehmed, zur kaiſerlichen Wuͤrde gelangten; die uͤbrigen verſtarben in der
Kindheit.
Der Sultan
Muhaͤmmed
wird abgeſetzet.
H. 1099.
J. C. 1687.
196. Er war ein Herr, der durch ſeine Ausuͤbung der Gerechtigkeit und
kriegeriſchen Tugenden ſich großen Ruhm erworben hatte, beſonders gnaͤdig,
und in ſeinen Unternehmungen ſehr gluͤcklich war; ausgenommen die letzten vier
Jahre.
Muhaͤmmeds
Eigenſchaften
und Tod.
4 B
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/669>, abgerufen am 22.11.2024.
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