nicht für rathsam erachtet hätte, sich zu widersetzen, sowol, weil sie vernünftig geschienen hätten, als auch wegen des Ansehens derselben. Es wäre aber Kara Mustäfa Pascha aus dieser Ursache am Leben gestrafet, und der Müfti eben des- wegen seines Amtes entsetzet worden.
leget dem Volke eine neue Schat- zung auf, um die Soldaten zu be-zahlen.
161.
Um auch dem Volke noch mehrern Beweis von seinem Eifer für das Beste des Reichs zu geben: ließ derselbe die Juwelen, die in dem Schatze verwahret wurden, verkaufen, und mit dem gelösten Gelde die Soldaten be- zahlen. Und da dieses nicht hinlänglich war: so legte er eine Schatzung auf die Dschami, Mestschide und auf ein iedwedes Haus 82. Durch diese Künste wurde der Aufruhr, der eben ausbrechen wollte, nicht allein für dieses Jahr gestillet; sondern das Volk wurde auch ermuntert, dasjenige, was der Stat nöthig hatte, mit desto größerer Bereitwilligkeit herzugeben.
Die Kaiserli- chen schlagen die Türken und er-obern ihr Lager.
162.
Mittlerweile zog der Herzog von Lothringen mit dem kaiserlichen Heere auf Essek zu; und nachdem er die Drave zurück geleget hatte: so ging sein Vorhaben dahin, den Weßir, der mit seinem Lager bey Essek stunde, anzu- greifen. Indessen aber, daß die Kaiserlichen durch die beschwerlichen Wege aufgehalten wurden, stellete Sülejman Pascha sein Heer an einen so vortheil- haften Ort, daß der Herzog, anstatt es wagen zu dürfen, denselben anzugrei- fen, genöthiget war, sein Lager, aus Furcht vor einem Angriffe, zu verschanzen. Indem nun die Türken und die Kaiserlichen solchergestalt nicht weit von einan- der gelagert stehen: so versuchen sie anfangs ihr Glück mit Scharmützeln; hier- auf schießen sie mit Stücken auf einander. Weil aber dieses auf Seiten der Türken wegen ihrer vortheilhaften Lage bessere Wirkung thut: so sind die Deut- schen gezwungen zu weichen. Die Türken nahmen dieses für eine Flucht auf, und folgten dem Feinde auf dem Fuße nach, der sich gegen die Donau zog, und die Absicht hatte, ihnen ein Treffen zu liefern. Weil aber der Weßir wegen der großen Menge seiner Truppen seinen Zug langsamer that: so lagerten die Deut- schen sich indessen bey Mohatsch, ließen daselbst ihre Völker, die durch die lange [Spaltenumbruch]
82 Haus] Die christlichen Kaufleute aus Europa, die sich zu Constantinopel auf- halten, ungeachtet sie in andern Sachen sehr genaue Ausforscher sind, haben doch niemals ausrechnen können, wie viel diese Anlage der Schatzkammer eingebracht hat. Denn es ging dabey kein einziges Haus, weder eines [Spaltenumbruch] Türken noch Christen, frey aus; sondern sie mußten alle nach ihrer Größe oder dem Ver- mögen ihrer Besitzer bezahlen, von zehen bis fünf hundert Löwenthaler. Nun sind aber in der Stadt allein, ohne die Vorstädte, Pera, Chrysopel, Ejjub, Bekjtasch und andere umlie- genden Dorfschaften dazu zu rechnen, über vier-
Reise
Osmaniſche Geſchichte
nicht fuͤr rathſam erachtet haͤtte, ſich zu widerſetzen, ſowol, weil ſie vernuͤnftig geſchienen haͤtten, als auch wegen des Anſehens derſelben. Es waͤre aber Kara Muſtaͤfa Paſcha aus dieſer Urſache am Leben geſtrafet, und der Muͤfti eben des- wegen ſeines Amtes entſetzet worden.
leget dem Volke eine neue Schat- zung auf, um die Soldaten zu be-zahlen.
161.
Um auch dem Volke noch mehrern Beweis von ſeinem Eifer fuͤr das Beſte des Reichs zu geben: ließ derſelbe die Juwelen, die in dem Schatze verwahret wurden, verkaufen, und mit dem geloͤſten Gelde die Soldaten be- zahlen. Und da dieſes nicht hinlaͤnglich war: ſo legte er eine Schatzung auf die Dſchami, Mestſchide und auf ein iedwedes Haus 82. Durch dieſe Kuͤnſte wurde der Aufruhr, der eben ausbrechen wollte, nicht allein fuͤr dieſes Jahr geſtillet; ſondern das Volk wurde auch ermuntert, dasjenige, was der Stat noͤthig hatte, mit deſto groͤßerer Bereitwilligkeit herzugeben.
Die Kaiſerli- chen ſchlagen die Tuͤrken und er-obern ihr Lager.
162.
Mittlerweile zog der Herzog von Lothringen mit dem kaiſerlichen Heere auf Eſſek zu; und nachdem er die Drave zuruͤck geleget hatte: ſo ging ſein Vorhaben dahin, den Weßir, der mit ſeinem Lager bey Eſſek ſtunde, anzu- greifen. Indeſſen aber, daß die Kaiſerlichen durch die beſchwerlichen Wege aufgehalten wurden, ſtellete Suͤlejman Paſcha ſein Heer an einen ſo vortheil- haften Ort, daß der Herzog, anſtatt es wagen zu duͤrfen, denſelben anzugrei- fen, genoͤthiget war, ſein Lager, aus Furcht vor einem Angriffe, zu verſchanzen. Indem nun die Tuͤrken und die Kaiſerlichen ſolchergeſtalt nicht weit von einan- der gelagert ſtehen: ſo verſuchen ſie anfangs ihr Gluͤck mit Scharmuͤtzeln; hier- auf ſchießen ſie mit Stuͤcken auf einander. Weil aber dieſes auf Seiten der Tuͤrken wegen ihrer vortheilhaften Lage beſſere Wirkung thut: ſo ſind die Deut- ſchen gezwungen zu weichen. Die Tuͤrken nahmen dieſes fuͤr eine Flucht auf, und folgten dem Feinde auf dem Fuße nach, der ſich gegen die Donau zog, und die Abſicht hatte, ihnen ein Treffen zu liefern. Weil aber der Weßir wegen der großen Menge ſeiner Truppen ſeinen Zug langſamer that: ſo lagerten die Deut- ſchen ſich indeſſen bey Mohatſch, ließen daſelbſt ihre Voͤlker, die durch die lange [Spaltenumbruch]
82 Haus] Die chriſtlichen Kaufleute aus Europa, die ſich zu Conſtantinopel auf- halten, ungeachtet ſie in andern Sachen ſehr genaue Ausforſcher ſind, haben doch niemals ausrechnen koͤnnen, wie viel dieſe Anlage der Schatzkammer eingebracht hat. Denn es ging dabey kein einziges Haus, weder eines [Spaltenumbruch] Tuͤrken noch Chriſten, frey aus; ſondern ſie mußten alle nach ihrer Groͤße oder dem Ver- moͤgen ihrer Beſitzer bezahlen, von zehen bis fuͤnf hundert Loͤwenthaler. Nun ſind aber in der Stadt allein, ohne die Vorſtaͤdte, Pera, Chryſopel, Ejjub, Bekjtaſch und andere umlie- genden Dorfſchaften dazu zu rechnen, uͤber vier-
Reiſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0646"n="538"/><fwplace="top"type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/>
nicht fuͤr rathſam erachtet haͤtte, ſich zu widerſetzen, ſowol, weil ſie vernuͤnftig<lb/>
geſchienen haͤtten, als auch wegen des Anſehens derſelben. Es waͤre aber Kara<lb/>
Muſtaͤfa Paſcha aus dieſer Urſache am Leben geſtrafet, und der Muͤfti eben des-<lb/>
wegen ſeines Amtes entſetzet worden.</p><lb/><noteplace="left">leget dem Volke<lb/>
eine neue Schat-<lb/>
zung auf, um die<lb/>
Soldaten zu be-zahlen.</note></div><lb/><divn="3"><head>161.</head><p>Um auch dem Volke noch mehrern Beweis von ſeinem Eifer fuͤr<lb/>
das Beſte des Reichs zu geben: ließ derſelbe die Juwelen, die in dem Schatze<lb/>
verwahret wurden, verkaufen, und mit dem geloͤſten Gelde die Soldaten be-<lb/>
zahlen. Und da dieſes nicht hinlaͤnglich war: ſo legte er eine Schatzung auf<lb/>
die Dſchami, Mestſchide und auf ein iedwedes Haus <noteplace="end"n="82"/>. Durch dieſe Kuͤnſte<lb/>
wurde der Aufruhr, der eben ausbrechen wollte, nicht allein fuͤr dieſes Jahr<lb/>
geſtillet; ſondern das Volk wurde auch ermuntert, dasjenige, was der Stat<lb/>
noͤthig hatte, mit deſto groͤßerer Bereitwilligkeit herzugeben.</p><lb/><noteplace="left">Die Kaiſerli-<lb/>
chen ſchlagen die<lb/>
Tuͤrken und er-obern ihr Lager.</note></div><lb/><divn="3"><head>162.</head><p>Mittlerweile zog der Herzog von Lothringen mit dem kaiſerlichen<lb/>
Heere auf Eſſek zu; und nachdem er die Drave zuruͤck geleget hatte: ſo ging<lb/>ſein Vorhaben dahin, den Weßir, der mit ſeinem Lager bey Eſſek ſtunde, anzu-<lb/>
greifen. Indeſſen aber, daß die Kaiſerlichen durch die beſchwerlichen Wege<lb/>
aufgehalten wurden, ſtellete Suͤlejman Paſcha ſein Heer an einen ſo vortheil-<lb/>
haften Ort, daß der Herzog, anſtatt es wagen zu duͤrfen, denſelben anzugrei-<lb/>
fen, genoͤthiget war, ſein Lager, aus Furcht vor einem Angriffe, zu verſchanzen.<lb/>
Indem nun die Tuͤrken und die Kaiſerlichen ſolchergeſtalt nicht weit von einan-<lb/>
der gelagert ſtehen: ſo verſuchen ſie anfangs ihr Gluͤck mit Scharmuͤtzeln; hier-<lb/>
auf ſchießen ſie mit Stuͤcken auf einander. Weil aber dieſes auf Seiten der<lb/>
Tuͤrken wegen ihrer vortheilhaften Lage beſſere Wirkung thut: ſo ſind die Deut-<lb/>ſchen gezwungen zu weichen. Die Tuͤrken nahmen dieſes fuͤr eine Flucht auf,<lb/>
und folgten dem Feinde auf dem Fuße nach, der ſich gegen die Donau zog, und<lb/>
die Abſicht hatte, ihnen ein Treffen zu liefern. Weil aber der Weßir wegen der<lb/>
großen Menge ſeiner Truppen ſeinen Zug langſamer that: ſo lagerten die Deut-<lb/>ſchen ſich indeſſen bey Mohatſch, ließen daſelbſt ihre Voͤlker, die durch die lange<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Reiſe</fw><lb/><cbn="1"/><lb/><notexml:id="I646"next="#I647"place="end"n="82">Haus] Die chriſtlichen Kaufleute<lb/>
aus Europa, die ſich zu Conſtantinopel auf-<lb/>
halten, ungeachtet ſie in andern Sachen ſehr<lb/>
genaue Ausforſcher ſind, haben doch niemals<lb/>
ausrechnen koͤnnen, wie viel dieſe Anlage der<lb/>
Schatzkammer eingebracht hat. Denn es<lb/>
ging dabey kein einziges Haus, weder eines<lb/><cbn="2"/><lb/>
Tuͤrken noch Chriſten, frey aus; ſondern ſie<lb/>
mußten alle nach ihrer Groͤße oder dem Ver-<lb/>
moͤgen ihrer Beſitzer bezahlen, von zehen bis<lb/>
fuͤnf hundert Loͤwenthaler. Nun ſind aber<lb/>
in der Stadt allein, ohne die Vorſtaͤdte, Pera,<lb/>
Chryſopel, Ejjub, Bekjtaſch und andere umlie-<lb/>
genden Dorfſchaften dazu zu rechnen, uͤber vier-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mal</fw></note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[538/0646]
Osmaniſche Geſchichte
nicht fuͤr rathſam erachtet haͤtte, ſich zu widerſetzen, ſowol, weil ſie vernuͤnftig
geſchienen haͤtten, als auch wegen des Anſehens derſelben. Es waͤre aber Kara
Muſtaͤfa Paſcha aus dieſer Urſache am Leben geſtrafet, und der Muͤfti eben des-
wegen ſeines Amtes entſetzet worden.
161. Um auch dem Volke noch mehrern Beweis von ſeinem Eifer fuͤr
das Beſte des Reichs zu geben: ließ derſelbe die Juwelen, die in dem Schatze
verwahret wurden, verkaufen, und mit dem geloͤſten Gelde die Soldaten be-
zahlen. Und da dieſes nicht hinlaͤnglich war: ſo legte er eine Schatzung auf
die Dſchami, Mestſchide und auf ein iedwedes Haus
⁸²
. Durch dieſe Kuͤnſte
wurde der Aufruhr, der eben ausbrechen wollte, nicht allein fuͤr dieſes Jahr
geſtillet; ſondern das Volk wurde auch ermuntert, dasjenige, was der Stat
noͤthig hatte, mit deſto groͤßerer Bereitwilligkeit herzugeben.
162. Mittlerweile zog der Herzog von Lothringen mit dem kaiſerlichen
Heere auf Eſſek zu; und nachdem er die Drave zuruͤck geleget hatte: ſo ging
ſein Vorhaben dahin, den Weßir, der mit ſeinem Lager bey Eſſek ſtunde, anzu-
greifen. Indeſſen aber, daß die Kaiſerlichen durch die beſchwerlichen Wege
aufgehalten wurden, ſtellete Suͤlejman Paſcha ſein Heer an einen ſo vortheil-
haften Ort, daß der Herzog, anſtatt es wagen zu duͤrfen, denſelben anzugrei-
fen, genoͤthiget war, ſein Lager, aus Furcht vor einem Angriffe, zu verſchanzen.
Indem nun die Tuͤrken und die Kaiſerlichen ſolchergeſtalt nicht weit von einan-
der gelagert ſtehen: ſo verſuchen ſie anfangs ihr Gluͤck mit Scharmuͤtzeln; hier-
auf ſchießen ſie mit Stuͤcken auf einander. Weil aber dieſes auf Seiten der
Tuͤrken wegen ihrer vortheilhaften Lage beſſere Wirkung thut: ſo ſind die Deut-
ſchen gezwungen zu weichen. Die Tuͤrken nahmen dieſes fuͤr eine Flucht auf,
und folgten dem Feinde auf dem Fuße nach, der ſich gegen die Donau zog, und
die Abſicht hatte, ihnen ein Treffen zu liefern. Weil aber der Weßir wegen der
großen Menge ſeiner Truppen ſeinen Zug langſamer that: ſo lagerten die Deut-
ſchen ſich indeſſen bey Mohatſch, ließen daſelbſt ihre Voͤlker, die durch die lange
Reiſe
⁸² Haus] Die chriſtlichen Kaufleute
aus Europa, die ſich zu Conſtantinopel auf-
halten, ungeachtet ſie in andern Sachen ſehr
genaue Ausforſcher ſind, haben doch niemals
ausrechnen koͤnnen, wie viel dieſe Anlage der
Schatzkammer eingebracht hat. Denn es
ging dabey kein einziges Haus, weder eines
Tuͤrken noch Chriſten, frey aus; ſondern ſie
mußten alle nach ihrer Groͤße oder dem Ver-
moͤgen ihrer Beſitzer bezahlen, von zehen bis
fuͤnf hundert Loͤwenthaler. Nun ſind aber
in der Stadt allein, ohne die Vorſtaͤdte, Pera,
Chryſopel, Ejjub, Bekjtaſch und andere umlie-
genden Dorfſchaften dazu zu rechnen, uͤber vier-
mal
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/646>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.