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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
sem Werke Meister, nachdem sie die Türken, die dasselbe vertheidigten, daraus
vertrieben oder umgebracht hatten. Da es nun das Ansehen hatte, daß sie
auf diese Weise der völligen Eroberung der Stadt sehr nahe gekommen seyen:
so zwang der Weßir, am neunzehenten des Monats Schewwal*, zum dritten-
male tausend Jeng-itscheri, ihrer Widersetzung ungeachtet, zu versuchen, ob sie
nicht der Stadt zu Hülfe kommen könnten; und gab ihnen tausend Sipahi
und fünf hundert Tatarn mit. Nun hielten diese sich zwar eben so tapfer, als
die vorigen, und drangen so gar bis an die Linien der Kaiserlichen; sie wurden
aber dennoch durch die Tapferkeit der Christen zurückgeschlagen, und genöthiget,
mit großem Verluste wieder abzuziehen. Eben dieses Schicksal hatte die Be-
satzung, die, um die Truppen des Feindes zu theilen und ihren Freunden den
Eingang zu erleichtern, einen Ausfall mit ihrer völligen Macht gethan hatte.
Als sie aber kurz darauf sahe, daß es den andern unglücklich erginge: so zog sich
dieselbe mit großer Eilfertigkeit und schlechtem Erfolge in die Stadt zurück.
Diese vielfältigen Verluste benahmen dem türkischen Heere allen Muth; und
weil ein Gerücht herumging, daß die Kaiserlichen, nachdem sie die Stadt erobert
hätten, sie in ihrem Lager angreifen würden: so zerstreuete sich der beste Theil
der Soldaten aus einander, des Flehens und Zuredens des Weßirs ungeachtet,
und kehrete nach Hause. Da nun solchergestalt die Kaiserlichen von der Gefahr,
die ihnen im Rücken drohete, befreyet waren: so thaten dieselben am dreyze-
henten des Monats Schewwal2* den letzten Sturm auf die Stadt.

Ofen wird von
den Kaiserlichen
erobert, und der
Weßir nimmt
mit Verdrußseinen Abzug.
138.

Aebdi Pascha, Kriegsbefehlhaber der Stadt, ein Mann, der zur
selbigen Zeit wegen seiner Kriegserfahrenheit sehr berühmt war, strengete mit
seiner noch übrigen Besatzung zum letztenmale seine Kräfte an, die Stadt zu ret-
ten, und trieb das kaiserliche Heer etliche Stunden lang mit Feuer und Schwerte
auf das tapferste zurück. Als aber derselbe durch die Kaiserlichen ums Leben
kam: so fingen die übrigen von der Besatzung an, ihren Muth sinken zu lassen,
und thaten dem Feinde keinen so beherzten Widerstand mehr. Endlich, da die-
selben sich gegen die Deutschen zu schwach befinden: so stecken sie mitten in dem
Gefechte die weiße Fahne aus; versprechen, die Stadt zu übergeben, und bit-
ten um Erhaltung ihres Lebens. Ehe man aber der Hitze der Deutschen Ein-
halt thun kann: so wird eine große Anzahl der Belagerten noch auf den Wällen
umgebracht; so daß kaum zwey tausend von ihnen, aus Gnade des kaiserlichen
Feldherrn, erhalten werden. Nachdem Ofen übergegangen war: so nahm
der Weßir, der während der Bestürmung derselben das unglückliche Schicksal
seiner und des Reichs mit Threnen beklaget hatte, mit dem Reste seines Heeres
den Rückweg, der mehr einer Flucht, als einem Abzuge, ähnlich war. Ueber

dieses
* am achtzehenten August.
2* am zwanzigsten August.

Osmaniſche Geſchichte
ſem Werke Meiſter, nachdem ſie die Tuͤrken, die daſſelbe vertheidigten, daraus
vertrieben oder umgebracht hatten. Da es nun das Anſehen hatte, daß ſie
auf dieſe Weiſe der voͤlligen Eroberung der Stadt ſehr nahe gekommen ſeyen:
ſo zwang der Weßir, am neunzehenten des Monats Schewwal*, zum dritten-
male tauſend Jeng-itſcheri, ihrer Widerſetzung ungeachtet, zu verſuchen, ob ſie
nicht der Stadt zu Huͤlfe kommen koͤnnten; und gab ihnen tauſend Sipahi
und fuͤnf hundert Tatarn mit. Nun hielten dieſe ſich zwar eben ſo tapfer, als
die vorigen, und drangen ſo gar bis an die Linien der Kaiſerlichen; ſie wurden
aber dennoch durch die Tapferkeit der Chriſten zuruͤckgeſchlagen, und genoͤthiget,
mit großem Verluſte wieder abzuziehen. Eben dieſes Schickſal hatte die Be-
ſatzung, die, um die Truppen des Feindes zu theilen und ihren Freunden den
Eingang zu erleichtern, einen Ausfall mit ihrer voͤlligen Macht gethan hatte.
Als ſie aber kurz darauf ſahe, daß es den andern ungluͤcklich erginge: ſo zog ſich
dieſelbe mit großer Eilfertigkeit und ſchlechtem Erfolge in die Stadt zuruͤck.
Dieſe vielfaͤltigen Verluſte benahmen dem tuͤrkiſchen Heere allen Muth; und
weil ein Geruͤcht herumging, daß die Kaiſerlichen, nachdem ſie die Stadt erobert
haͤtten, ſie in ihrem Lager angreifen wuͤrden: ſo zerſtreuete ſich der beſte Theil
der Soldaten aus einander, des Flehens und Zuredens des Weßirs ungeachtet,
und kehrete nach Hauſe. Da nun ſolchergeſtalt die Kaiſerlichen von der Gefahr,
die ihnen im Ruͤcken drohete, befreyet waren: ſo thaten dieſelben am dreyze-
henten des Monats Schewwal2* den letzten Sturm auf die Stadt.

Ofen wird von
den Kaiſerlichen
erobert, und der
Weßir nimmt
mit Verdrußſeinen Abzug.
138.

Aebdi Paſcha, Kriegsbefehlhaber der Stadt, ein Mann, der zur
ſelbigen Zeit wegen ſeiner Kriegserfahrenheit ſehr beruͤhmt war, ſtrengete mit
ſeiner noch uͤbrigen Beſatzung zum letztenmale ſeine Kraͤfte an, die Stadt zu ret-
ten, und trieb das kaiſerliche Heer etliche Stunden lang mit Feuer und Schwerte
auf das tapferſte zuruͤck. Als aber derſelbe durch die Kaiſerlichen ums Leben
kam: ſo fingen die uͤbrigen von der Beſatzung an, ihren Muth ſinken zu laſſen,
und thaten dem Feinde keinen ſo beherzten Widerſtand mehr. Endlich, da die-
ſelben ſich gegen die Deutſchen zu ſchwach befinden: ſo ſtecken ſie mitten in dem
Gefechte die weiße Fahne aus; verſprechen, die Stadt zu uͤbergeben, und bit-
ten um Erhaltung ihres Lebens. Ehe man aber der Hitze der Deutſchen Ein-
halt thun kann: ſo wird eine große Anzahl der Belagerten noch auf den Waͤllen
umgebracht; ſo daß kaum zwey tauſend von ihnen, aus Gnade des kaiſerlichen
Feldherrn, erhalten werden. Nachdem Ofen uͤbergegangen war: ſo nahm
der Weßir, der waͤhrend der Beſtuͤrmung derſelben das ungluͤckliche Schickſal
ſeiner und des Reichs mit Threnen beklaget hatte, mit dem Reſte ſeines Heeres
den Ruͤckweg, der mehr einer Flucht, als einem Abzuge, aͤhnlich war. Ueber

dieſes
* am achtzehenten Auguſt.
2* am zwanzigſten Auguſt.
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[522/0630] Osmaniſche Geſchichte ſem Werke Meiſter, nachdem ſie die Tuͤrken, die daſſelbe vertheidigten, daraus vertrieben oder umgebracht hatten. Da es nun das Anſehen hatte, daß ſie auf dieſe Weiſe der voͤlligen Eroberung der Stadt ſehr nahe gekommen ſeyen: ſo zwang der Weßir, am neunzehenten des Monats Schewwal *, zum dritten- male tauſend Jeng-itſcheri, ihrer Widerſetzung ungeachtet, zu verſuchen, ob ſie nicht der Stadt zu Huͤlfe kommen koͤnnten; und gab ihnen tauſend Sipahi und fuͤnf hundert Tatarn mit. Nun hielten dieſe ſich zwar eben ſo tapfer, als die vorigen, und drangen ſo gar bis an die Linien der Kaiſerlichen; ſie wurden aber dennoch durch die Tapferkeit der Chriſten zuruͤckgeſchlagen, und genoͤthiget, mit großem Verluſte wieder abzuziehen. Eben dieſes Schickſal hatte die Be- ſatzung, die, um die Truppen des Feindes zu theilen und ihren Freunden den Eingang zu erleichtern, einen Ausfall mit ihrer voͤlligen Macht gethan hatte. Als ſie aber kurz darauf ſahe, daß es den andern ungluͤcklich erginge: ſo zog ſich dieſelbe mit großer Eilfertigkeit und ſchlechtem Erfolge in die Stadt zuruͤck. Dieſe vielfaͤltigen Verluſte benahmen dem tuͤrkiſchen Heere allen Muth; und weil ein Geruͤcht herumging, daß die Kaiſerlichen, nachdem ſie die Stadt erobert haͤtten, ſie in ihrem Lager angreifen wuͤrden: ſo zerſtreuete ſich der beſte Theil der Soldaten aus einander, des Flehens und Zuredens des Weßirs ungeachtet, und kehrete nach Hauſe. Da nun ſolchergeſtalt die Kaiſerlichen von der Gefahr, die ihnen im Ruͤcken drohete, befreyet waren: ſo thaten dieſelben am dreyze- henten des Monats Schewwal 2* den letzten Sturm auf die Stadt. 138. Aebdi Paſcha, Kriegsbefehlhaber der Stadt, ein Mann, der zur ſelbigen Zeit wegen ſeiner Kriegserfahrenheit ſehr beruͤhmt war, ſtrengete mit ſeiner noch uͤbrigen Beſatzung zum letztenmale ſeine Kraͤfte an, die Stadt zu ret- ten, und trieb das kaiſerliche Heer etliche Stunden lang mit Feuer und Schwerte auf das tapferſte zuruͤck. Als aber derſelbe durch die Kaiſerlichen ums Leben kam: ſo fingen die uͤbrigen von der Beſatzung an, ihren Muth ſinken zu laſſen, und thaten dem Feinde keinen ſo beherzten Widerſtand mehr. Endlich, da die- ſelben ſich gegen die Deutſchen zu ſchwach befinden: ſo ſtecken ſie mitten in dem Gefechte die weiße Fahne aus; verſprechen, die Stadt zu uͤbergeben, und bit- ten um Erhaltung ihres Lebens. Ehe man aber der Hitze der Deutſchen Ein- halt thun kann: ſo wird eine große Anzahl der Belagerten noch auf den Waͤllen umgebracht; ſo daß kaum zwey tauſend von ihnen, aus Gnade des kaiſerlichen Feldherrn, erhalten werden. Nachdem Ofen uͤbergegangen war: ſo nahm der Weßir, der waͤhrend der Beſtuͤrmung derſelben das ungluͤckliche Schickſal ſeiner und des Reichs mit Threnen beklaget hatte, mit dem Reſte ſeines Heeres den Ruͤckweg, der mehr einer Flucht, als einem Abzuge, aͤhnlich war. Ueber dieſes * am achtzehenten Auguſt. 2* am zwanzigſten Auguſt.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/630>, abgerufen am 22.11.2024.