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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
was für Waren ihnen nur beliebet, zollfrey nach Constantinopel zu bringen,
und dieses sowol für der Kaufleute, als für ihre eigene Rechnung. Endlich
aber, als er merkte, daß durch Worte nichts zu erhalten, sondern der Wille
der Türken an Gesetzes statt war: so versprach er dem Gjümrükjtschi eine große
Summe Geldes, und machte solchergestalt die Schiffe, deren sich derselbe bemäch-
tiget hatte, wieder frey. Wenige Tage hernach entwischte ein venetianischer
Edelmann, der ehedem auf der See weggenommen und zum Gefangenen war
gemacht worden, und entrann in eines der venetianischen Schiffe, die abge-
schickt waren, den vorigen Bailos, Morosini, nach Hause zu begleiten. Weil
aber diese Schiffe, wegen Unbäßlichkeit des Bailos, einige Zeit aufgehalten
werden: so erfähret der Herr des Venetianers, daß sein Slaw sich am Borde
eines Schiffes befinde, und willens sey, zu entweichen. Er lässet daher ein
Aerßuhal 65 an den Weßir abgehen, und bittet diesen, die Verfügung zu thun,
daß ihm derselbe wieder ausgeliefert werden möge. Es wird also Bostandschi
Baschi abgeschicket, alle Schiffe zu durchsuchen; und wenn der Gefangene
gefunden werde, ihn seinem Herrn wieder zuzustellen. Als Bostandschi Baschi
ankommt: so leugnet der Befehlhaber des Schiffes, daß er einen Entlaufenen
am Borde habe; und weil der Bostandschi darauf dringet, in dem Schiffe
Nachsuchung zu thun: so widersetzet er sich demselben mit Gewalt. Die über-
legene Menge aber der Ihrigen machte den Türken Muth, daß sie das Schiff
durchsuchten, den Gefangenen fanden und mit sich wegnahmen; dabey die
Schiffleute, die die Waffen ergriffen hatten, theils umgebracht, und theils un-
ter scharfer Wache in dem Schiffe behalten wurden. Als der Sultan höret,
daß ein venetianisches Schiff sich erkühnet habe, so gar in dem Hafen von Con-
stantinopel die Waffen zu gebrauchen: so beleget er beyde Abgesandten, Ciu-
rani und Morosini, mit Arreste; und will dieselben nicht eher loslassen, als
[Spaltenumbruch]
übergeben werden. Sie müssen dergestalt kurz
abgefasset seyn, die Sache sey auch so wichtig
und so verwickelt als sie immer wolle, daß sie
nicht über die Hälfte einer Octavseite beträgt:
denn das Urtheil des Weßirs, nebst dem Be-
denken und den Stimmen der Gerichtsbeysitzer,
müssen noch auf die andere Hälfte der Seite
oben darüber geschrieben werden. Aus dieser
Ursache ist nicht ein ieder Türke, wenn er auch
sonst im übrigen eine große Gelehrtheit be-
sitzet, geschickt, ein Aerßuhal aufzusetzen;
sondern es sind zu dem Ende eigene Aerßu-
[Spaltenumbruch]
haltschi bestellet, die ihre Schreibstuben gleich
an des Weßirs Hofhaltung haben, und alle-
zeit bereit sind, um Geld zu dienen. Wer also
dem Weßire eine Sache vorzutragen hat:
der lässet sich eine solche Schrift von ihnen
machen. Ja der Rejs Efendi oder Groß-
kanzler des Reichs selbst, ungeachtet er sonst
ein sehr guter Schriftsteller ist, waget es nicht,
ein Aerßuhal aufzusetzen; sondern schicket
einen Bericht von seiner Sache einem Aerßu-
haltschi zu, und lässet sich die Bittschrift von
ihm verfertigen.

bis

19. Muhaͤmmed der IIII
was fuͤr Waren ihnen nur beliebet, zollfrey nach Conſtantinopel zu bringen,
und dieſes ſowol fuͤr der Kaufleute, als fuͤr ihre eigene Rechnung. Endlich
aber, als er merkte, daß durch Worte nichts zu erhalten, ſondern der Wille
der Tuͤrken an Geſetzes ſtatt war: ſo verſprach er dem Gjuͤmruͤkjtſchi eine große
Summe Geldes, und machte ſolchergeſtalt die Schiffe, deren ſich derſelbe bemaͤch-
tiget hatte, wieder frey. Wenige Tage hernach entwiſchte ein venetianiſcher
Edelmann, der ehedem auf der See weggenommen und zum Gefangenen war
gemacht worden, und entrann in eines der venetianiſchen Schiffe, die abge-
ſchickt waren, den vorigen Bailos, Moroſini, nach Hauſe zu begleiten. Weil
aber dieſe Schiffe, wegen Unbaͤßlichkeit des Bailos, einige Zeit aufgehalten
werden: ſo erfaͤhret der Herr des Venetianers, daß ſein Slaw ſich am Borde
eines Schiffes befinde, und willens ſey, zu entweichen. Er laͤſſet daher ein
Aerßuhal 65 an den Weßir abgehen, und bittet dieſen, die Verfuͤgung zu thun,
daß ihm derſelbe wieder ausgeliefert werden moͤge. Es wird alſo Boſtandſchi
Baſchi abgeſchicket, alle Schiffe zu durchſuchen; und wenn der Gefangene
gefunden werde, ihn ſeinem Herrn wieder zuzuſtellen. Als Boſtandſchi Baſchi
ankommt: ſo leugnet der Befehlhaber des Schiffes, daß er einen Entlaufenen
am Borde habe; und weil der Boſtandſchi darauf dringet, in dem Schiffe
Nachſuchung zu thun: ſo widerſetzet er ſich demſelben mit Gewalt. Die uͤber-
legene Menge aber der Ihrigen machte den Tuͤrken Muth, daß ſie das Schiff
durchſuchten, den Gefangenen fanden und mit ſich wegnahmen; dabey die
Schiffleute, die die Waffen ergriffen hatten, theils umgebracht, und theils un-
ter ſcharfer Wache in dem Schiffe behalten wurden. Als der Sultan hoͤret,
daß ein venetianiſches Schiff ſich erkuͤhnet habe, ſo gar in dem Hafen von Con-
ſtantinopel die Waffen zu gebrauchen: ſo beleget er beyde Abgeſandten, Ciu-
rani und Moroſini, mit Arreſte; und will dieſelben nicht eher loslaſſen, als
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uͤbergeben werden. Sie muͤſſen dergeſtalt kurz
abgefaſſet ſeyn, die Sache ſey auch ſo wichtig
und ſo verwickelt als ſie immer wolle, daß ſie
nicht uͤber die Haͤlfte einer Octavſeite betraͤgt:
denn das Urtheil des Weßirs, nebſt dem Be-
denken und den Stimmen der Gerichtsbeyſitzer,
muͤſſen noch auf die andere Haͤlfte der Seite
oben daruͤber geſchrieben werden. Aus dieſer
Urſache iſt nicht ein ieder Tuͤrke, wenn er auch
ſonſt im uͤbrigen eine große Gelehrtheit be-
ſitzet, geſchickt, ein Aerßuhal aufzuſetzen;
ſondern es ſind zu dem Ende eigene Aerßu-
[Spaltenumbruch]
haltſchi beſtellet, die ihre Schreibſtuben gleich
an des Weßirs Hofhaltung haben, und alle-
zeit bereit ſind, um Geld zu dienen. Wer alſo
dem Weßire eine Sache vorzutragen hat:
der laͤſſet ſich eine ſolche Schrift von ihnen
machen. Ja der Rejs Efendi oder Groß-
kanzler des Reichs ſelbſt, ungeachtet er ſonſt
ein ſehr guter Schriftſteller iſt, waget es nicht,
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bis
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[495/0603] 19. Muhaͤmmed der IIII was fuͤr Waren ihnen nur beliebet, zollfrey nach Conſtantinopel zu bringen, und dieſes ſowol fuͤr der Kaufleute, als fuͤr ihre eigene Rechnung. Endlich aber, als er merkte, daß durch Worte nichts zu erhalten, ſondern der Wille der Tuͤrken an Geſetzes ſtatt war: ſo verſprach er dem Gjuͤmruͤkjtſchi eine große Summe Geldes, und machte ſolchergeſtalt die Schiffe, deren ſich derſelbe bemaͤch- tiget hatte, wieder frey. Wenige Tage hernach entwiſchte ein venetianiſcher Edelmann, der ehedem auf der See weggenommen und zum Gefangenen war gemacht worden, und entrann in eines der venetianiſchen Schiffe, die abge- ſchickt waren, den vorigen Bailos, Moroſini, nach Hauſe zu begleiten. Weil aber dieſe Schiffe, wegen Unbaͤßlichkeit des Bailos, einige Zeit aufgehalten werden: ſo erfaͤhret der Herr des Venetianers, daß ſein Slaw ſich am Borde eines Schiffes befinde, und willens ſey, zu entweichen. Er laͤſſet daher ein Aerßuhal ⁶⁵ an den Weßir abgehen, und bittet dieſen, die Verfuͤgung zu thun, daß ihm derſelbe wieder ausgeliefert werden moͤge. Es wird alſo Boſtandſchi Baſchi abgeſchicket, alle Schiffe zu durchſuchen; und wenn der Gefangene gefunden werde, ihn ſeinem Herrn wieder zuzuſtellen. Als Boſtandſchi Baſchi ankommt: ſo leugnet der Befehlhaber des Schiffes, daß er einen Entlaufenen am Borde habe; und weil der Boſtandſchi darauf dringet, in dem Schiffe Nachſuchung zu thun: ſo widerſetzet er ſich demſelben mit Gewalt. Die uͤber- legene Menge aber der Ihrigen machte den Tuͤrken Muth, daß ſie das Schiff durchſuchten, den Gefangenen fanden und mit ſich wegnahmen; dabey die Schiffleute, die die Waffen ergriffen hatten, theils umgebracht, und theils un- ter ſcharfer Wache in dem Schiffe behalten wurden. Als der Sultan hoͤret, daß ein venetianiſches Schiff ſich erkuͤhnet habe, ſo gar in dem Hafen von Con- ſtantinopel die Waffen zu gebrauchen: ſo beleget er beyde Abgeſandten, Ciu- rani und Moroſini, mit Arreſte; und will dieſelben nicht eher loslaſſen, als bis uͤbergeben werden. Sie muͤſſen dergeſtalt kurz abgefaſſet ſeyn, die Sache ſey auch ſo wichtig und ſo verwickelt als ſie immer wolle, daß ſie nicht uͤber die Haͤlfte einer Octavſeite betraͤgt: denn das Urtheil des Weßirs, nebſt dem Be- denken und den Stimmen der Gerichtsbeyſitzer, muͤſſen noch auf die andere Haͤlfte der Seite oben daruͤber geſchrieben werden. Aus dieſer Urſache iſt nicht ein ieder Tuͤrke, wenn er auch ſonſt im uͤbrigen eine große Gelehrtheit be- ſitzet, geſchickt, ein Aerßuhal aufzuſetzen; ſondern es ſind zu dem Ende eigene Aerßu- haltſchi beſtellet, die ihre Schreibſtuben gleich an des Weßirs Hofhaltung haben, und alle- zeit bereit ſind, um Geld zu dienen. Wer alſo dem Weßire eine Sache vorzutragen hat: der laͤſſet ſich eine ſolche Schrift von ihnen machen. Ja der Rejs Efendi oder Groß- kanzler des Reichs ſelbſt, ungeachtet er ſonſt ein ſehr guter Schriftſteller iſt, waget es nicht, ein Aerßuhal aufzuſetzen; ſondern ſchicket einen Bericht von ſeiner Sache einem Aerßu- haltſchi zu, und laͤſſet ſich die Bittſchrift von ihm verfertigen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/603>, abgerufen am 22.11.2024.