Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.19. Muhämmed der IIII "nicht so fest seyn mag, daß es durch die osmanische Tapferkeit nicht bezwun-"gen werden könnte: so wird man doch vergebens erwarten, daß man dasselbe "gleich in dem ersten Angriffe erobern werde. Ehe ihr es erreichet, müsset "ihr durch des Feindes Land ziehen, das an vielen Orten mit ansehnlichen Fe- "stungen verwahret ist, deren Besatzungen euch ohne Unterlaß beunruhigen "werden; und wenn sie gleich nicht das Herz haben, sich eurem Kriegesheere "entgegen zu stellen: so werden sie doch beständig die ausgesendeten Parteyen "aufheben, und dieses so lange, bis sie gänzlich überwunden sind. Wenn die "gedachte Belagerung durch die tapfere Gegenwehre der Besatzung von Wien, "die, wie ich glaube, nicht die schwächste seyn wird, verzögert werden sollte: so "wird sich das osmanische Reich einer größern Gefahr ausgesetzet sehen, als "iemals sint der Eroberung von Constantinopel und der Errichtung seiner Herr- "schaft in Westen geschehen ist. Die Lebensmittel für ein solches Kriegesheer "auf viele Monate, können unmöglich auf einmal zusammen gebracht werden; "und folglich werden die Feinde dieselben öfters auffangen: ja sie werden auch "eure Rüstwagen plündern, und durch ihre plötzlichen Einfälle das Krieges- "heer dergestalt abmatten und in solche äußerste Noth bringen, daß es entwe- "der vor Hunger umkommen, oder die Belagerung mit großem Verluste und "Schimpfe aufheben muß. Sollte aber diese Unternehmung bessern Fortgang "haben, und Wien sich euren Waffen ergeben: so sehe ich voraus (es müßte "dann seyn, daß ihr für gut befändet, es von freyen Stücken wieder zu ver- "lassen; davon ich aber schwerlich glaube, daß ihr es thun werdet), daß euer "Reich dadurch in einen noch weit gefährlichern Krieg wird verwickelt werden. "Denn diese Stadt wird für die Vormauer der Christenheit gehalten; und "man würde glauben, die christliche Religion wäre schon völlig zu Grunde ge- "richtet, wenn Wien in euren Händen bliebe. Es werden daher alle Fürsten, "die sich zu dem Christenthume bekennen, sich ohne Zweifel gleich auf das erste "Gerüchte von der Belagerung mit einander vereinigen, dasselbe von dem Un- [Spaltenumbruch] "und müssen daher die Wahrheit reden. "Diejenigen, die da sagen, daß Teökeöli "der Angeber von dieser Unternehmung ge- "wesen sey, beschuldigen ihn fälschlicher "Weise. Ich meines Theils weis, daß er "nicht allein gegen die Belagerung von Wien "war; sondern auch ganz andere Rath- "schläge gab" (diejenigen nämlich, die ich in dem Texte angeführet habe): "und "wenn mein damaliger Oberer denselben ge- [Spaltenumbruch] "folget hätte; so würde er das osmanische "Reich in keine solche Schande gebracht, "noch sich selbst seiner Würde und seines Le- "bens beraubet haben." Eben diese Worte hörete ich nachgehends aus Teökeölis Munde, der sich beschwerete, daß diese Verleumdung von Maurokordatus erfunden sey; und daß eben diese Person den Weßir Kara Ibrahim Pascha angehetzet habe, ihn ins Gefängniß zu setzen. "tergange
19. Muhaͤmmed der IIII “nicht ſo feſt ſeyn mag, daß es durch die osmaniſche Tapferkeit nicht bezwun-“gen werden koͤnnte: ſo wird man doch vergebens erwarten, daß man daſſelbe “gleich in dem erſten Angriffe erobern werde. Ehe ihr es erreichet, muͤſſet “ihr durch des Feindes Land ziehen, das an vielen Orten mit anſehnlichen Fe- “ſtungen verwahret iſt, deren Beſatzungen euch ohne Unterlaß beunruhigen “werden; und wenn ſie gleich nicht das Herz haben, ſich eurem Kriegesheere “entgegen zu ſtellen: ſo werden ſie doch beſtaͤndig die ausgeſendeten Parteyen “aufheben, und dieſes ſo lange, bis ſie gaͤnzlich uͤberwunden ſind. Wenn die “gedachte Belagerung durch die tapfere Gegenwehre der Beſatzung von Wien, “die, wie ich glaube, nicht die ſchwaͤchſte ſeyn wird, verzoͤgert werden ſollte: ſo “wird ſich das osmaniſche Reich einer groͤßern Gefahr ausgeſetzet ſehen, als “iemals ſint der Eroberung von Conſtantinopel und der Errichtung ſeiner Herr- “ſchaft in Weſten geſchehen iſt. Die Lebensmittel fuͤr ein ſolches Kriegesheer “auf viele Monate, koͤnnen unmoͤglich auf einmal zuſammen gebracht werden; “und folglich werden die Feinde dieſelben oͤfters auffangen: ja ſie werden auch “eure Ruͤſtwagen pluͤndern, und durch ihre ploͤtzlichen Einfaͤlle das Krieges- “heer dergeſtalt abmatten und in ſolche aͤußerſte Noth bringen, daß es entwe- “der vor Hunger umkommen, oder die Belagerung mit großem Verluſte und “Schimpfe aufheben muß. Sollte aber dieſe Unternehmung beſſern Fortgang “haben, und Wien ſich euren Waffen ergeben: ſo ſehe ich voraus (es muͤßte “dann ſeyn, daß ihr fuͤr gut befaͤndet, es von freyen Stuͤcken wieder zu ver- “laſſen; davon ich aber ſchwerlich glaube, daß ihr es thun werdet), daß euer “Reich dadurch in einen noch weit gefaͤhrlichern Krieg wird verwickelt werden. “Denn dieſe Stadt wird fuͤr die Vormauer der Chriſtenheit gehalten; und “man wuͤrde glauben, die chriſtliche Religion waͤre ſchon voͤllig zu Grunde ge- “richtet, wenn Wien in euren Haͤnden bliebe. Es werden daher alle Fuͤrſten, “die ſich zu dem Chriſtenthume bekennen, ſich ohne Zweifel gleich auf das erſte “Geruͤchte von der Belagerung mit einander vereinigen, daſſelbe von dem Un- [Spaltenumbruch] “und muͤſſen daher die Wahrheit reden. “Diejenigen, die da ſagen, daß Teoͤkeoͤli “der Angeber von dieſer Unternehmung ge- “weſen ſey, beſchuldigen ihn faͤlſchlicher “Weiſe. Ich meines Theils weis, daß er “nicht allein gegen die Belagerung von Wien “war; ſondern auch ganz andere Rath- “ſchlaͤge gab„ (diejenigen naͤmlich, die ich in dem Texte angefuͤhret habe): “und “wenn mein damaliger Oberer denſelben ge- [Spaltenumbruch] “folget haͤtte; ſo wuͤrde er das osmaniſche “Reich in keine ſolche Schande gebracht, “noch ſich ſelbſt ſeiner Wuͤrde und ſeines Le- “bens beraubet haben.„ Eben dieſe Worte hoͤrete ich nachgehends aus Teoͤkeoͤlis Munde, der ſich beſchwerete, daß dieſe Verleumdung von Maurokordatus erfunden ſey; und daß eben dieſe Perſon den Weßir Kara Ibrahim Paſcha angehetzet habe, ihn ins Gefaͤngniß zu ſetzen. “tergange
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19. Muhaͤmmed der IIII
“nicht ſo feſt ſeyn mag, daß es durch die osmaniſche Tapferkeit nicht bezwun-
“gen werden koͤnnte: ſo wird man doch vergebens erwarten, daß man daſſelbe
“gleich in dem erſten Angriffe erobern werde. Ehe ihr es erreichet, muͤſſet
“ihr durch des Feindes Land ziehen, das an vielen Orten mit anſehnlichen Fe-
“ſtungen verwahret iſt, deren Beſatzungen euch ohne Unterlaß beunruhigen
“werden; und wenn ſie gleich nicht das Herz haben, ſich eurem Kriegesheere
“entgegen zu ſtellen: ſo werden ſie doch beſtaͤndig die ausgeſendeten Parteyen
“aufheben, und dieſes ſo lange, bis ſie gaͤnzlich uͤberwunden ſind. Wenn die
“gedachte Belagerung durch die tapfere Gegenwehre der Beſatzung von Wien,
“die, wie ich glaube, nicht die ſchwaͤchſte ſeyn wird, verzoͤgert werden ſollte: ſo
“wird ſich das osmaniſche Reich einer groͤßern Gefahr ausgeſetzet ſehen, als
“iemals ſint der Eroberung von Conſtantinopel und der Errichtung ſeiner Herr-
“ſchaft in Weſten geſchehen iſt. Die Lebensmittel fuͤr ein ſolches Kriegesheer
“auf viele Monate, koͤnnen unmoͤglich auf einmal zuſammen gebracht werden;
“und folglich werden die Feinde dieſelben oͤfters auffangen: ja ſie werden auch
“eure Ruͤſtwagen pluͤndern, und durch ihre ploͤtzlichen Einfaͤlle das Krieges-
“heer dergeſtalt abmatten und in ſolche aͤußerſte Noth bringen, daß es entwe-
“der vor Hunger umkommen, oder die Belagerung mit großem Verluſte und
“Schimpfe aufheben muß. Sollte aber dieſe Unternehmung beſſern Fortgang
“haben, und Wien ſich euren Waffen ergeben: ſo ſehe ich voraus (es muͤßte
“dann ſeyn, daß ihr fuͤr gut befaͤndet, es von freyen Stuͤcken wieder zu ver-
“laſſen; davon ich aber ſchwerlich glaube, daß ihr es thun werdet), daß euer
“Reich dadurch in einen noch weit gefaͤhrlichern Krieg wird verwickelt werden.
“Denn dieſe Stadt wird fuͤr die Vormauer der Chriſtenheit gehalten; und
“man wuͤrde glauben, die chriſtliche Religion waͤre ſchon voͤllig zu Grunde ge-
“richtet, wenn Wien in euren Haͤnden bliebe. Es werden daher alle Fuͤrſten,
“die ſich zu dem Chriſtenthume bekennen, ſich ohne Zweifel gleich auf das erſte
“Geruͤchte von der Belagerung mit einander vereinigen, daſſelbe von dem Un-
“tergange
“und muͤſſen daher die Wahrheit reden.
“Diejenigen, die da ſagen, daß Teoͤkeoͤli
“der Angeber von dieſer Unternehmung ge-
“weſen ſey, beſchuldigen ihn faͤlſchlicher
“Weiſe. Ich meines Theils weis, daß er
“nicht allein gegen die Belagerung von Wien
“war; ſondern auch ganz andere Rath-
“ſchlaͤge gab„ (diejenigen naͤmlich, die
ich in dem Texte angefuͤhret habe): “und
“wenn mein damaliger Oberer denſelben ge-
“folget haͤtte; ſo wuͤrde er das osmaniſche
“Reich in keine ſolche Schande gebracht,
“noch ſich ſelbſt ſeiner Wuͤrde und ſeines Le-
“bens beraubet haben.„ Eben dieſe Worte
hoͤrete ich nachgehends aus Teoͤkeoͤlis Munde,
der ſich beſchwerete, daß dieſe Verleumdung
von Maurokordatus erfunden ſey; und daß
eben dieſe Perſon den Weßir Kara Ibrahim
Paſcha angehetzet habe, ihn ins Gefaͤngniß
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