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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
Tschirpidschi Tschairi 40 genennet, um seinen Leuten einige Erquickung zu gön-
nen, damit sie sich desto besser zu ihrer Reise anschicken könnten.

51.

Gleich in derselben Nacht entstund ein heftiger Sturm und ein soUnglückliche
Vorbedeutun-
gen für die Tür-
ken:

starker Wirbelwind, mit Regen und Schlossen vermenget, daß kaum iemand
in dem ganzen Lager das Herz hatte, aus der Stelle zu gehen; und dabey wur-
den die Zelte der Paschen und die großen Gezelte des Sultans, des obersten
Weßirs und Müftis, über einen Haufen gerissen. Fünf Tage hernach, als
sie bey Sylibria unten an einem Hügel, an dem Gestade des Meeres, gelagert
waren, erhob sich abermals ein Sturm, und von den Bergen ergoß sich eine
so große Flut, daß nicht allein die Zelte, sondern auch die Rüstwägen, Pferde,
Vieh und die Soldaten selbst davon überschwemmet, oder gar mit dem Strome
in die See geführet wurden. Diese beyden Zufälle, die sich fast noch unter
den Mauren von Constantinopel eräugeten, versetzten die abergläubischen Tür-
ken in kein geringes Schrecken, als die gewohnet sind, von dem Erfolge ihrer
Sachen aus dem Anfange derselben zu urtheilen.

52.

Diejenigen, die schon vorher sich ingeheim dem Kriege widersetzetdie da neue Be-
schwerden unter
den Soldaten
veranlassen.

und diesen Feldzug für ungerecht erkläret hatten, legten diese unglücklichen Be-
gebenheiten öffentlich als Proben der göttlichen Rache aus, und als Zeichen des
Misfallens Gottes über die müsülmanischen Waffen.

53.

Der Sultan aber verachtete diese Urtheile, als Gedanken des gemei-Der Sultan be-
gleitet den We-
ßir gegen Bel-
grad zu:

nen Mannes, die der Achtung eines erhabenen Gemüths unwürdig seyen.
Nachdem er den Schaden, den Wind und Wetter angerichtet, wieder hatte
ausbessern lassen: so setzte er seinen vorhabenden Zug fort, und langte gegen
das Ende des Jahres 1093 zu Adrianopel an. Den Winter über ließ er das-
jenige vollends herbey schaffen, was noch an Kriegesnothwendigkeiten mangelte;
und brach am 27 des Monats Rebiül ochir des Jahres 1094 von da mit seinemH. 1094.



J. C. 1683.
gesammten Kriegesheere gegen Belgrad auf. Doch, unterweges änderte er
sein Vorhaben, und hielte zu Hisardschik 41, einer Stadt acht Stunden Weges
von Adrianopel gelegen, stille.

[Spaltenumbruch]
41 Hisardschik] Eine Stadt an der
Straße nach Belgrad zu, von Adrianopel
aus, von welchem letztern Platze dieselbe un-
gefähr acht Stunden Weges lieget. Sie ist
[Spaltenumbruch]
sonst wegen keiner Sache merkwürdig, als
wegen dieser Verweilung des Sultan Mu-
hämmeds daselbst, als der Feldzug gegen
Wien eröffnet wurde.
54. Nach-
3 M 2

19. Muhaͤmmed der IIII
Tſchirpidſchi Tſchairi 40 genennet, um ſeinen Leuten einige Erquickung zu goͤn-
nen, damit ſie ſich deſto beſſer zu ihrer Reiſe anſchicken koͤnnten.

51.

Gleich in derſelben Nacht entſtund ein heftiger Sturm und ein ſoUngluͤckliche
Vorbedeutun-
gen fuͤr die Tuͤr-
ken:

ſtarker Wirbelwind, mit Regen und Schloſſen vermenget, daß kaum iemand
in dem ganzen Lager das Herz hatte, aus der Stelle zu gehen; und dabey wur-
den die Zelte der Paſchen und die großen Gezelte des Sultans, des oberſten
Weßirs und Muͤftis, uͤber einen Haufen geriſſen. Fuͤnf Tage hernach, als
ſie bey Sylibria unten an einem Huͤgel, an dem Geſtade des Meeres, gelagert
waren, erhob ſich abermals ein Sturm, und von den Bergen ergoß ſich eine
ſo große Flut, daß nicht allein die Zelte, ſondern auch die Ruͤſtwaͤgen, Pferde,
Vieh und die Soldaten ſelbſt davon uͤberſchwemmet, oder gar mit dem Strome
in die See gefuͤhret wurden. Dieſe beyden Zufaͤlle, die ſich faſt noch unter
den Mauren von Conſtantinopel eraͤugeten, verſetzten die aberglaͤubiſchen Tuͤr-
ken in kein geringes Schrecken, als die gewohnet ſind, von dem Erfolge ihrer
Sachen aus dem Anfange derſelben zu urtheilen.

52.

Diejenigen, die ſchon vorher ſich ingeheim dem Kriege widerſetzetdie da neue Be-
ſchwerden unter
den Soldaten
veranlaſſen.

und dieſen Feldzug fuͤr ungerecht erklaͤret hatten, legten dieſe ungluͤcklichen Be-
gebenheiten oͤffentlich als Proben der goͤttlichen Rache aus, und als Zeichen des
Misfallens Gottes uͤber die muͤſuͤlmaniſchen Waffen.

53.

Der Sultan aber verachtete dieſe Urtheile, als Gedanken des gemei-Der Sultan be-
gleitet den We-
ßir gegen Bel-
grad zu:

nen Mannes, die der Achtung eines erhabenen Gemuͤths unwuͤrdig ſeyen.
Nachdem er den Schaden, den Wind und Wetter angerichtet, wieder hatte
ausbeſſern laſſen: ſo ſetzte er ſeinen vorhabenden Zug fort, und langte gegen
das Ende des Jahres 1093 zu Adrianopel an. Den Winter uͤber ließ er das-
jenige vollends herbey ſchaffen, was noch an Kriegesnothwendigkeiten mangelte;
und brach am 27 des Monats Rebiuͤl ochir des Jahres 1094 von da mit ſeinemH. 1094.



J. C. 1683.
geſammten Kriegesheere gegen Belgrad auf. Doch, unterweges aͤnderte er
ſein Vorhaben, und hielte zu Hiſardſchik 41, einer Stadt acht Stunden Weges
von Adrianopel gelegen, ſtille.

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41 Hiſardſchik] Eine Stadt an der
Straße nach Belgrad zu, von Adrianopel
aus, von welchem letztern Platze dieſelbe un-
gefaͤhr acht Stunden Weges lieget. Sie iſt
[Spaltenumbruch]
ſonſt wegen keiner Sache merkwuͤrdig, als
wegen dieſer Verweilung des Sultan Mu-
haͤmmeds daſelbſt, als der Feldzug gegen
Wien eroͤffnet wurde.
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3 M 2
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[459/0567] 19. Muhaͤmmed der IIII Tſchirpidſchi Tſchairi ⁴⁰ genennet, um ſeinen Leuten einige Erquickung zu goͤn- nen, damit ſie ſich deſto beſſer zu ihrer Reiſe anſchicken koͤnnten. 51. Gleich in derſelben Nacht entſtund ein heftiger Sturm und ein ſo ſtarker Wirbelwind, mit Regen und Schloſſen vermenget, daß kaum iemand in dem ganzen Lager das Herz hatte, aus der Stelle zu gehen; und dabey wur- den die Zelte der Paſchen und die großen Gezelte des Sultans, des oberſten Weßirs und Muͤftis, uͤber einen Haufen geriſſen. Fuͤnf Tage hernach, als ſie bey Sylibria unten an einem Huͤgel, an dem Geſtade des Meeres, gelagert waren, erhob ſich abermals ein Sturm, und von den Bergen ergoß ſich eine ſo große Flut, daß nicht allein die Zelte, ſondern auch die Ruͤſtwaͤgen, Pferde, Vieh und die Soldaten ſelbſt davon uͤberſchwemmet, oder gar mit dem Strome in die See gefuͤhret wurden. Dieſe beyden Zufaͤlle, die ſich faſt noch unter den Mauren von Conſtantinopel eraͤugeten, verſetzten die aberglaͤubiſchen Tuͤr- ken in kein geringes Schrecken, als die gewohnet ſind, von dem Erfolge ihrer Sachen aus dem Anfange derſelben zu urtheilen. Ungluͤckliche Vorbedeutun- gen fuͤr die Tuͤr- ken: 52. Diejenigen, die ſchon vorher ſich ingeheim dem Kriege widerſetzet und dieſen Feldzug fuͤr ungerecht erklaͤret hatten, legten dieſe ungluͤcklichen Be- gebenheiten oͤffentlich als Proben der goͤttlichen Rache aus, und als Zeichen des Misfallens Gottes uͤber die muͤſuͤlmaniſchen Waffen. die da neue Be- ſchwerden unter den Soldaten veranlaſſen. 53. Der Sultan aber verachtete dieſe Urtheile, als Gedanken des gemei- nen Mannes, die der Achtung eines erhabenen Gemuͤths unwuͤrdig ſeyen. Nachdem er den Schaden, den Wind und Wetter angerichtet, wieder hatte ausbeſſern laſſen: ſo ſetzte er ſeinen vorhabenden Zug fort, und langte gegen das Ende des Jahres 1093 zu Adrianopel an. Den Winter uͤber ließ er das- jenige vollends herbey ſchaffen, was noch an Kriegesnothwendigkeiten mangelte; und brach am 27 des Monats Rebiuͤl ochir des Jahres 1094 von da mit ſeinem geſammten Kriegesheere gegen Belgrad auf. Doch, unterweges aͤnderte er ſein Vorhaben, und hielte zu Hiſardſchik ⁴¹ , einer Stadt acht Stunden Weges von Adrianopel gelegen, ſtille. Der Sultan be- gleitet den We- ßir gegen Bel- grad zu: H. 1094. J. C. 1683. 54. Nach- ⁴¹ Hiſardſchik] Eine Stadt an der Straße nach Belgrad zu, von Adrianopel aus, von welchem letztern Platze dieſelbe un- gefaͤhr acht Stunden Weges lieget. Sie iſt ſonſt wegen keiner Sache merkwuͤrdig, als wegen dieſer Verweilung des Sultan Mu- haͤmmeds daſelbſt, als der Feldzug gegen Wien eroͤffnet wurde. 3 M 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/567>, abgerufen am 13.06.2024.