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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
"demjenigen, was wir mit unsern eigenen Augen gesehen haben, offenbar genug
"zu erkennen. Als ich, um meine Treue zu bezeigen, bey dem polnischen Kriege
"mit einem guten Theile des Heeres ihnen beyzustehen herbeykam: so wurde
"ich nicht nur nicht mit der gebührenden Ehre bey ihnen empfangen; sondern
"man begegnete mir auch so gar mit Verachtung, und gab mir, gleich als einem
"Verräther, Befehl, wieder nach Hause zu kehren. Sie waren nämlich
"zu mistrauisch, als daß sie uns bey ihrem Verfahren zu Zeugen haben woll-
"ten; und besorgten, bey dem Anblicke, daß unsere Kirchen, den feierlichsten
"Verbindungen zuwider, in Mestschide verwandelt, und die Einwohner in
"wüste Länder verführet würden, möchten uns die Augen aufgehen, daß wir
"daraus lerneten, was wir zu gewarten hätten. In dem Frieden, der mit
"den Polen geschlossen wurde, befreyeten sie uns zwar von dem Joche dieses
"Volkes; sie befreyeten uns aber also, daß sie noch ein schwereres Joch auf
"unsern Nacken legten. Daher geschahe es, daß sie die wichtigsten Vormau-
"ren unseres Landes, Bialozerkjew und Pawolotsch, den Polen freywillig
"abtraten. Daher geschiehet es (da sie sonst bey der geringsten Beleidigung
"nichts als Feuer und Schwert von sich schnauben), daß sie das Verbot
"der Polen, mit ihnen zu handeln und uns ihrer Handwerker und Künstler
"zu bedienen, mit einem ungewöhnlichen Stilleschweigen übergehen; da wir
"doch dadurch täglich erschöpfet, und uns der beste Theil unseres Blutes aus-
"gesauget wird: nämlich, damit wir, nachdem wir geschwächet und unserer
"Kräfte beraubet sind, untüchtig werden möchten, einigen Widerstand zu thun,
"wann sie es für dienlich erachten werden, uns ihr tirannisches Joch aufzulegen.
"Dieses sind eben die Kunstgriffe der osmanischen Fürsten gewesen, durch die
"sie zu ihrem Reiche den Grund geleget, und dasselbe unendlich erweitert ha-
"ben: nämlich Christen durch Christen zu überwinden; um beyde, wann sie
"durch einen langwierigen Krieg erschöpfet sind, unter den Fuß zu bringen:
[Spaltenumbruch]
23 Bogdan Kjemjelniski] ein Hetman
der Kosaken; der nicht allein den Polen,
sondern auch den Türken und Tatarn selbst,
ein Schrecken gewesen ist. Die Türken nen-
nen ihn Chmil, und haben die Verwüstungen
noch nicht vergessen, die derselbe an dem Ge-
stade des schwarzen Meeres angerichtet hat.
Er kam in einer Schlacht mit den Polen ums
Leben; dabey er ihnen so lange, bis ihm der
letzte Athem ausging, den Sieg streitig machte.
Er hinterließ zweene Söhne: Georg, von dem
[Spaltenumbruch]
ich in der folgenden Anmerkung Nachricht
ertheilen will; und Timüsch, der die Tochter
des Fürsten Basilius in Moldau, Roxana,
heiratete. Als dieser Basilius von Stephan,
mit dem Zunamen Bürduse, aus seinem Für-
stenthume vertrieben wurde: so flohe er zu sei-
nem Schwiegervater, Kjemjelniski, der ihm
vierzehen tausend Kosaken, unter Timüsches
Anführung, zukommen ließ, um mit denselben
Moldau und Sotschawa wieder zu erobern
(In diesem letztern Platze hatte er seine Ge-

"und,

Osmaniſche Geſchichte
“demjenigen, was wir mit unſern eigenen Augen geſehen haben, offenbar genug
“zu erkennen. Als ich, um meine Treue zu bezeigen, bey dem polniſchen Kriege
“mit einem guten Theile des Heeres ihnen beyzuſtehen herbeykam: ſo wurde
“ich nicht nur nicht mit der gebuͤhrenden Ehre bey ihnen empfangen; ſondern
“man begegnete mir auch ſo gar mit Verachtung, und gab mir, gleich als einem
“Verraͤther, Befehl, wieder nach Hauſe zu kehren. Sie waren naͤmlich
“zu mistrauiſch, als daß ſie uns bey ihrem Verfahren zu Zeugen haben woll-
“ten; und beſorgten, bey dem Anblicke, daß unſere Kirchen, den feierlichſten
“Verbindungen zuwider, in Mestſchide verwandelt, und die Einwohner in
“wuͤſte Laͤnder verfuͤhret wuͤrden, moͤchten uns die Augen aufgehen, daß wir
“daraus lerneten, was wir zu gewarten haͤtten. In dem Frieden, der mit
“den Polen geſchloſſen wurde, befreyeten ſie uns zwar von dem Joche dieſes
“Volkes; ſie befreyeten uns aber alſo, daß ſie noch ein ſchwereres Joch auf
“unſern Nacken legten. Daher geſchahe es, daß ſie die wichtigſten Vormau-
“ren unſeres Landes, Bialozerkjew und Pawolotſch, den Polen freywillig
“abtraten. Daher geſchiehet es (da ſie ſonſt bey der geringſten Beleidigung
“nichts als Feuer und Schwert von ſich ſchnauben), daß ſie das Verbot
“der Polen, mit ihnen zu handeln und uns ihrer Handwerker und Kuͤnſtler
“zu bedienen, mit einem ungewoͤhnlichen Stilleſchweigen uͤbergehen; da wir
“doch dadurch taͤglich erſchoͤpfet, und uns der beſte Theil unſeres Blutes aus-
“geſauget wird: naͤmlich, damit wir, nachdem wir geſchwaͤchet und unſerer
“Kraͤfte beraubet ſind, untuͤchtig werden moͤchten, einigen Widerſtand zu thun,
“wann ſie es fuͤr dienlich erachten werden, uns ihr tiranniſches Joch aufzulegen.
“Dieſes ſind eben die Kunſtgriffe der osmaniſchen Fuͤrſten geweſen, durch die
“ſie zu ihrem Reiche den Grund geleget, und daſſelbe unendlich erweitert ha-
“ben: naͤmlich Chriſten durch Chriſten zu uͤberwinden; um beyde, wann ſie
“durch einen langwierigen Krieg erſchoͤpfet ſind, unter den Fuß zu bringen:
[Spaltenumbruch]
23 Bogdan Kjemjelniſki] ein Hetman
der Koſaken; der nicht allein den Polen,
ſondern auch den Tuͤrken und Tatarn ſelbſt,
ein Schrecken geweſen iſt. Die Tuͤrken nen-
nen ihn Chmil, und haben die Verwuͤſtungen
noch nicht vergeſſen, die derſelbe an dem Ge-
ſtade des ſchwarzen Meeres angerichtet hat.
Er kam in einer Schlacht mit den Polen ums
Leben; dabey er ihnen ſo lange, bis ihm der
letzte Athem ausging, den Sieg ſtreitig machte.
Er hinterließ zweene Soͤhne: Georg, von dem
[Spaltenumbruch]
ich in der folgenden Anmerkung Nachricht
ertheilen will; und Timuͤſch, der die Tochter
des Fuͤrſten Baſilius in Moldau, Roxana,
heiratete. Als dieſer Baſilius von Stephan,
mit dem Zunamen Buͤrduſe, aus ſeinem Fuͤr-
ſtenthume vertrieben wurde: ſo flohe er zu ſei-
nem Schwiegervater, Kjemjelniſki, der ihm
vierzehen tauſend Koſaken, unter Timuͤſches
Anfuͤhrung, zukommen ließ, um mit denſelben
Moldau und Sotſchawa wieder zu erobern
(In dieſem letztern Platze hatte er ſeine Ge-

“und,
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[436/0544] Osmaniſche Geſchichte “demjenigen, was wir mit unſern eigenen Augen geſehen haben, offenbar genug “zu erkennen. Als ich, um meine Treue zu bezeigen, bey dem polniſchen Kriege “mit einem guten Theile des Heeres ihnen beyzuſtehen herbeykam: ſo wurde “ich nicht nur nicht mit der gebuͤhrenden Ehre bey ihnen empfangen; ſondern “man begegnete mir auch ſo gar mit Verachtung, und gab mir, gleich als einem “Verraͤther, Befehl, wieder nach Hauſe zu kehren. Sie waren naͤmlich “zu mistrauiſch, als daß ſie uns bey ihrem Verfahren zu Zeugen haben woll- “ten; und beſorgten, bey dem Anblicke, daß unſere Kirchen, den feierlichſten “Verbindungen zuwider, in Mestſchide verwandelt, und die Einwohner in “wuͤſte Laͤnder verfuͤhret wuͤrden, moͤchten uns die Augen aufgehen, daß wir “daraus lerneten, was wir zu gewarten haͤtten. In dem Frieden, der mit “den Polen geſchloſſen wurde, befreyeten ſie uns zwar von dem Joche dieſes “Volkes; ſie befreyeten uns aber alſo, daß ſie noch ein ſchwereres Joch auf “unſern Nacken legten. Daher geſchahe es, daß ſie die wichtigſten Vormau- “ren unſeres Landes, Bialozerkjew und Pawolotſch, den Polen freywillig “abtraten. Daher geſchiehet es (da ſie ſonſt bey der geringſten Beleidigung “nichts als Feuer und Schwert von ſich ſchnauben), daß ſie das Verbot “der Polen, mit ihnen zu handeln und uns ihrer Handwerker und Kuͤnſtler “zu bedienen, mit einem ungewoͤhnlichen Stilleſchweigen uͤbergehen; da wir “doch dadurch taͤglich erſchoͤpfet, und uns der beſte Theil unſeres Blutes aus- “geſauget wird: naͤmlich, damit wir, nachdem wir geſchwaͤchet und unſerer “Kraͤfte beraubet ſind, untuͤchtig werden moͤchten, einigen Widerſtand zu thun, “wann ſie es fuͤr dienlich erachten werden, uns ihr tiranniſches Joch aufzulegen. “Dieſes ſind eben die Kunſtgriffe der osmaniſchen Fuͤrſten geweſen, durch die “ſie zu ihrem Reiche den Grund geleget, und daſſelbe unendlich erweitert ha- “ben: naͤmlich Chriſten durch Chriſten zu uͤberwinden; um beyde, wann ſie “durch einen langwierigen Krieg erſchoͤpfet ſind, unter den Fuß zu bringen: “und, ²³ Bogdan Kjemjelniſki] ein Hetman der Koſaken; der nicht allein den Polen, ſondern auch den Tuͤrken und Tatarn ſelbſt, ein Schrecken geweſen iſt. Die Tuͤrken nen- nen ihn Chmil, und haben die Verwuͤſtungen noch nicht vergeſſen, die derſelbe an dem Ge- ſtade des ſchwarzen Meeres angerichtet hat. Er kam in einer Schlacht mit den Polen ums Leben; dabey er ihnen ſo lange, bis ihm der letzte Athem ausging, den Sieg ſtreitig machte. Er hinterließ zweene Soͤhne: Georg, von dem ich in der folgenden Anmerkung Nachricht ertheilen will; und Timuͤſch, der die Tochter des Fuͤrſten Baſilius in Moldau, Roxana, heiratete. Als dieſer Baſilius von Stephan, mit dem Zunamen Buͤrduſe, aus ſeinem Fuͤr- ſtenthume vertrieben wurde: ſo flohe er zu ſei- nem Schwiegervater, Kjemjelniſki, der ihm vierzehen tauſend Koſaken, unter Timuͤſches Anfuͤhrung, zukommen ließ, um mit denſelben Moldau und Sotſchawa wieder zu erobern (In dieſem letztern Platze hatte er ſeine Ge- malinn

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/544>, abgerufen am 22.11.2024.