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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Der Sultan er-
obert Chotin
wieder, und
nimmt Humanein.
13.

Der Sultan war entschlossen, über den Dnjester zu gehen. Als er
aber vernimmt, daß die Belagerung von Kamjenjez aufgehoben sey: so wen-
det er sich mit seinen Waffen nach Chotin, und erobert diese Stadt in kurzer
Zeit. Hierauf gehet derselbe über den Dnjester, lagert sich unter den Mauren
von Kamjenjez, lässet frische Lebensmittel und Kriegesvorrath in die Stadt
bringen, an denen sie bereits anfinge Mangel zu leiden, und bleibet daselbst ei-
nige Tage liegen, den Feind zu erwarten. Weil er aber merket, daß sich kein
Feind sehen lässet: so erobert er Human, eine Stadt in Podolien, und sorget
dafür, daß in der Landschaft, die er eingenommen hatte, die gehörigen Einrich-
tungen gemacht werden; weil er es für nöthig hält, sich in den gegenwärtigen
eroberten Ländern vorher recht fest zu setzen, ehe man weitere Dinge unternehme.

Die abgefallenen
Kosaken bieten
den Türken ihre
Hülfe an; wer-
den aber abge-wiesen.
14.

Mittlerweile, da er mit diesen Sachen zu thun hatte und sich in die-
sen Landen aufhielte, kam der Hetman der Kosaken, Doroschensko, mit vier
tausend seiner Landesleute ungerufen angezogen, dem Sultane beyzustehen, und
bot demselben sein ganzes Heer an. Allein, Muhämmed erachtete es entweder
für unnöthig, eine so große Anzahl Truppen gegen einen so geringschätzigen
Feind ziehen zu lassen; oder aber, Doroschenskos Aufrichtigkeit kam ihm ver-
dächtig vor: so daß er demselben befahl, mit seinen Leuten nur wieder nach Hause
zu kehren, und dabey zur Ursache anführete; er hätte des Beystandes der Kosa-
ken gegen die Polen nicht nöthig.

Dieser abschlägi-
gen Antwort
wegen wendet
sich der Herzog
der Kosaken,
Doroschensko,
an den Zar in
Rußland, um
sich und sein
Volk demselbenzu unterwerfen.
15.

Dieses erbitterte Doroschensko ganz ungemein, und gereichte nach
der Zeit den osmanischen Sachen zu großem Schaden. Denn es war keine
andere Ursache, als diese, daß die Kosaken einige Jahre hernach von der türki-
schen Botmäßigkeit abfällig wurden und sich dem Zar in Rußland unterwarfen,
wie an seinem Orte ausführlich soll erzählet werden.

[Spaltenumbruch]
10 Kirk Ekklesie] Eine Landschaft und
Stadt, vor diesem [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]
[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] oder Vierzigkirchen genennet, weil in
den vorigen Zeiten so viele christliche Kirchen
darinnen gewesen sind. Der Ort ist acht und
dreyßig Stunden Weges von Constantinopel
und zwölf Stunden von Adrianopel gelegen.
Gegenwärtig hat er weder Mauren noch Kir-
chen, und es sind sehr wenige christliche Ein-
wohner darinnen: denn er wird fast ganz
und gar von Juden bewohnet, die Sultan
[Spaltenumbruch]
Muhämmed aus Podolien hieher versetzet hat,
und diese sprechen noch itzo ihr verderbtes
Deutsche, eben wie in Polen. Ihre vor-
nehmste Arbeit bestehet in Butter- und Käse-
machen, das den Juden zu Constantinopel
zugeschicket wird, nachdem es von dem Cha-
cham mit seinem Siegel bemerket worden,
zum Zeichen, daß es rein und von Juden
selbst zubereitet sey.
11 Schischman u. s. w.] Ein braver
16. Weil
Osmaniſche Geſchichte
Der Sultan er-
obert Chotin
wieder, und
nimmt Humanein.
13.

Der Sultan war entſchloſſen, uͤber den Dnjeſter zu gehen. Als er
aber vernimmt, daß die Belagerung von Kamjenjez aufgehoben ſey: ſo wen-
det er ſich mit ſeinen Waffen nach Chotin, und erobert dieſe Stadt in kurzer
Zeit. Hierauf gehet derſelbe uͤber den Dnjeſter, lagert ſich unter den Mauren
von Kamjenjez, laͤſſet friſche Lebensmittel und Kriegesvorrath in die Stadt
bringen, an denen ſie bereits anfinge Mangel zu leiden, und bleibet daſelbſt ei-
nige Tage liegen, den Feind zu erwarten. Weil er aber merket, daß ſich kein
Feind ſehen laͤſſet: ſo erobert er Human, eine Stadt in Podolien, und ſorget
dafuͤr, daß in der Landſchaft, die er eingenommen hatte, die gehoͤrigen Einrich-
tungen gemacht werden; weil er es fuͤr noͤthig haͤlt, ſich in den gegenwaͤrtigen
eroberten Laͤndern vorher recht feſt zu ſetzen, ehe man weitere Dinge unternehme.

Die abgefallenen
Koſaken bieten
den Tuͤrken ihre
Huͤlfe an; wer-
den aber abge-wieſen.
14.

Mittlerweile, da er mit dieſen Sachen zu thun hatte und ſich in die-
ſen Landen aufhielte, kam der Hetman der Koſaken, Doroſchenſko, mit vier
tauſend ſeiner Landesleute ungerufen angezogen, dem Sultane beyzuſtehen, und
bot demſelben ſein ganzes Heer an. Allein, Muhaͤmmed erachtete es entweder
fuͤr unnoͤthig, eine ſo große Anzahl Truppen gegen einen ſo geringſchaͤtzigen
Feind ziehen zu laſſen; oder aber, Doroſchenſkos Aufrichtigkeit kam ihm ver-
daͤchtig vor: ſo daß er demſelben befahl, mit ſeinen Leuten nur wieder nach Hauſe
zu kehren, und dabey zur Urſache anfuͤhrete; er haͤtte des Beyſtandes der Koſa-
ken gegen die Polen nicht noͤthig.

Dieſer abſchlaͤgi-
gen Antwort
wegen wendet
ſich der Herzog
der Koſaken,
Doroſchenſko,
an den Zar in
Rußland, um
ſich und ſein
Volk demſelbenzu unterwerfen.
15.

Dieſes erbitterte Doroſchenſko ganz ungemein, und gereichte nach
der Zeit den osmaniſchen Sachen zu großem Schaden. Denn es war keine
andere Urſache, als dieſe, daß die Koſaken einige Jahre hernach von der tuͤrki-
ſchen Botmaͤßigkeit abfaͤllig wurden und ſich dem Zar in Rußland unterwarfen,
wie an ſeinem Orte ausfuͤhrlich ſoll erzaͤhlet werden.

[Spaltenumbruch]
10 Kirk Ekkleſie] Eine Landſchaft und
Stadt, vor dieſem [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]
[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] oder Vierzigkirchen genennet, weil in
den vorigen Zeiten ſo viele chriſtliche Kirchen
darinnen geweſen ſind. Der Ort iſt acht und
dreyßig Stunden Weges von Conſtantinopel
und zwoͤlf Stunden von Adrianopel gelegen.
Gegenwaͤrtig hat er weder Mauren noch Kir-
chen, und es ſind ſehr wenige chriſtliche Ein-
wohner darinnen: denn er wird faſt ganz
und gar von Juden bewohnet, die Sultan
[Spaltenumbruch]
Muhaͤmmed aus Podolien hieher verſetzet hat,
und dieſe ſprechen noch itzo ihr verderbtes
Deutſche, eben wie in Polen. Ihre vor-
nehmſte Arbeit beſtehet in Butter- und Kaͤſe-
machen, das den Juden zu Conſtantinopel
zugeſchicket wird, nachdem es von dem Cha-
cham mit ſeinem Siegel bemerket worden,
zum Zeichen, daß es rein und von Juden
ſelbſt zubereitet ſey.
11 Schiſchman u. ſ. w.] Ein braver
16. Weil
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[422/0530] Osmaniſche Geſchichte 13. Der Sultan war entſchloſſen, uͤber den Dnjeſter zu gehen. Als er aber vernimmt, daß die Belagerung von Kamjenjez aufgehoben ſey: ſo wen- det er ſich mit ſeinen Waffen nach Chotin, und erobert dieſe Stadt in kurzer Zeit. Hierauf gehet derſelbe uͤber den Dnjeſter, lagert ſich unter den Mauren von Kamjenjez, laͤſſet friſche Lebensmittel und Kriegesvorrath in die Stadt bringen, an denen ſie bereits anfinge Mangel zu leiden, und bleibet daſelbſt ei- nige Tage liegen, den Feind zu erwarten. Weil er aber merket, daß ſich kein Feind ſehen laͤſſet: ſo erobert er Human, eine Stadt in Podolien, und ſorget dafuͤr, daß in der Landſchaft, die er eingenommen hatte, die gehoͤrigen Einrich- tungen gemacht werden; weil er es fuͤr noͤthig haͤlt, ſich in den gegenwaͤrtigen eroberten Laͤndern vorher recht feſt zu ſetzen, ehe man weitere Dinge unternehme. 14. Mittlerweile, da er mit dieſen Sachen zu thun hatte und ſich in die- ſen Landen aufhielte, kam der Hetman der Koſaken, Doroſchenſko, mit vier tauſend ſeiner Landesleute ungerufen angezogen, dem Sultane beyzuſtehen, und bot demſelben ſein ganzes Heer an. Allein, Muhaͤmmed erachtete es entweder fuͤr unnoͤthig, eine ſo große Anzahl Truppen gegen einen ſo geringſchaͤtzigen Feind ziehen zu laſſen; oder aber, Doroſchenſkos Aufrichtigkeit kam ihm ver- daͤchtig vor: ſo daß er demſelben befahl, mit ſeinen Leuten nur wieder nach Hauſe zu kehren, und dabey zur Urſache anfuͤhrete; er haͤtte des Beyſtandes der Koſa- ken gegen die Polen nicht noͤthig. 15. Dieſes erbitterte Doroſchenſko ganz ungemein, und gereichte nach der Zeit den osmaniſchen Sachen zu großem Schaden. Denn es war keine andere Urſache, als dieſe, daß die Koſaken einige Jahre hernach von der tuͤrki- ſchen Botmaͤßigkeit abfaͤllig wurden und ſich dem Zar in Rußland unterwarfen, wie an ſeinem Orte ausfuͤhrlich ſoll erzaͤhlet werden. 16. Weil ¹⁰ Kirk Ekkleſie] Eine Landſchaft und Stadt, vor dieſem _ _ oder Vierzigkirchen genennet, weil in den vorigen Zeiten ſo viele chriſtliche Kirchen darinnen geweſen ſind. Der Ort iſt acht und dreyßig Stunden Weges von Conſtantinopel und zwoͤlf Stunden von Adrianopel gelegen. Gegenwaͤrtig hat er weder Mauren noch Kir- chen, und es ſind ſehr wenige chriſtliche Ein- wohner darinnen: denn er wird faſt ganz und gar von Juden bewohnet, die Sultan Muhaͤmmed aus Podolien hieher verſetzet hat, und dieſe ſprechen noch itzo ihr verderbtes Deutſche, eben wie in Polen. Ihre vor- nehmſte Arbeit beſtehet in Butter- und Kaͤſe- machen, das den Juden zu Conſtantinopel zugeſchicket wird, nachdem es von dem Cha- cham mit ſeinem Siegel bemerket worden, zum Zeichen, daß es rein und von Juden ſelbſt zubereitet ſey. ¹¹ Schiſchman u. ſ. w.] Ein braver tuͤrkiſcher

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/530>, abgerufen am 22.11.2024.